Tschechien und Myanmar: die Wirtschaft hat Vorrang
Die myanmarische Spitzenpolitikerin Aung San Suu Kyi ist seit dem Wochenende in Tschechien zu Gast. Hauptthema des Besuchs sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Prag und Naypyidaw. Der Völkermord an der muslimischen Rohingya-Minderheit in Myanmar war jedoch nur eine Randnotiz.
„Ich bin mir sicher, dass dies unserer Zusammenarbeit in vielen Bereichen sehr helfen wird. Myanmar modernisiert seine Wirtschaft derzeit massiv. Aung San Suu Kyi hat mich über die ehrgeizigen Pläne des Landes informiert, in Asien die Volkswirtschaft mit dem größten Wachstum zu werden.“
Auch Aung San Suu Kyi ist überzeugt, dass Tschechien zu einem wichtigen Partner werden könnte nach der Öffnung ihres Landes. Immerhin hat der Staat nach einer langen Zeit von Militärdiktatur und Isolation viel nachzuholen:
„Myanmar gilt als letzte Grenze für die Expansion ausländischer Firmen in Südostasien. Wir hoffen, dass wir attraktiv für Tschechien sein werden, da Prag sich in wirtschaftlichen Fragen enorm bemüht. Ich selbst bin in Schuhen von Baťa aufgewachsen und weiß also von Kindheit an, was Tschechien alles leisten kann.“Auch Regierungschef Babiš betont die lange Tradition der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Prag und damals noch Rangun. Der Ano-Politiker hebt bestimmte Bereiche der damaligen Kooperation hervor, an die man nun wieder anknüpfen könnte:
„In unseren Wirtschaftsbeziehungen sehen wir ein großes Potential. Das hat Tradition, denn schon in den 1970er und 80er Jahren haben tschechoslowakische Betriebe einige Fabriken im damaligen Burma eröffnet. Auch jetzt birgt der myanmarische Markt für tschechische Firmen viele Möglichkeiten zu Handel und Investitionen.“
Bisher fördere man Myanmar vor allem über Entwicklungshilfe und gemeinsame Projekte in der Bildung, hob Andrej Babiš außerdem hervor.Myanmar ist jedoch nicht nur als neuer Markt für ausländische Investoren ein Thema. Das Land will nämlich eine Demokratie werden, seitdem die Militärjunta vor fast zehn Jahren erstmals wieder Wahlen zugelassen hat. Diese brachten die Partei der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi an die Spitze der politischen Landschaft. Gleichzeitig führt die Armeeleitung einen brutalen Feldzug gegen die muslimische Rohingya-Minderheit, der von der UN als Völkermord klassifiziert wird. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang auch Aung San Suu Kyi für ihre passive Haltung. Andrej Babiš sieht darin jedoch kein Problem:
„Natürlich haben wir auch über die wichtige Frage der Menschenrechte in Myanmar gesprochen. Deren Schutz sowie die Unterstützung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit gehören zu den Prioritäten der tschechischen Außenpolitik. Das Land hat eine schwierige Geschichte hinter sich und steht vor ernsten inneren Konflikten. Wir in Tschechien wissen ja, wie beschwerlich eine Transformation sein kann. Ich muss aber feststellen, dass Myanmar bei der Demokratisierung und beim Schutz von Menschenrechten eine Riesenarbeit geleistet hat.“
Aung San Suu Kyi verteidigt auch in Prag ihren passiven Standpunkt in der Rohingya-Frage und wirbt für Verständnis für die Politik der myanmarischen Regierung. Unter anderem mit Bezug auf den ehemaligen tschechischen Präsidenten Václav Havel:„Ich glaube, was Václav Havel einmal gesagt hat: ‚Die einzige Garantie für äußeren Frieden ist der innere Frieden‘. Damit meinte er den Frieden zwischen den Menschen selbst und zwischen den Menschen und dem Staat. Daran arbeiten wir nun auch in Myanmar. Wir würden es begrüßen, wenn die Welt unsere Gemeinschaften näher zusammenbringen und nicht auseinanderzerren würde. Die Vereinten Nationen haben sich in Resolutionen zur Lage in unserem Land geäußert, und wir haben offen und genau auf die Anschuldigungen geantwortet. Und wir sind dabei immer bei der Wahrheit geblieben.“
Nach dem Treffen mit Babiš stehen noch Gespräche mit Wirtschaftsminister Karel Havlíček und Staatspräsident Miloš Zeman auf dem Programm von Aung San Suu Kyi. Zuletzt war die Politikerin 2013 als Gast der Konferenz Forum 2000 in Prag, sie gilt als Freundin des verstorbenen tschechischen Präsidenten Václav Havel.