Tschechien vor Riesenaufgabe: Kann man sie mit Geist und Inhalt (er)füllen?

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Am Donnerstag hat wieder ein neues Jahr begonnen. In Europa hat es sehr zentral begonnen: der halbe Kontinent schaute kurz nach Mitternacht via TV in die mitteleuropäische Slowakei, wie die dortigen Bürger die ersten Euro-Scheine aus den Bankautomaten zogen. Und die andere Hälfte? Die blickte vielleicht mal kurz rüber in die benachbarte Tschechische Republik, wo am Prager Metronom auf blauem Grund die zwölf goldenen EU-Sterne erleuchteten.

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Aus gutem Grund, denn in den ersten sechs Monaten des neuen Jahres wird an den Ufern der Moldau nicht nur Smetanas „Mein Vaterland“ gespielt. Es ist vielmehr ein großer Chor aus 27 Ländern, der hier vereint konzertieren wird, weil der europäische Taktstock nun ein halbes Jahr lang im Umfeld der Prager Burg geschwungen wird. Tschechien hat mit dem Neujahrstag die EU-Ratspräsidentschaft übernommen und damit eine Riesenaufgabe. Rund 3000 Sitzungen der europäischen Administration zum Beispiel sollen in diesem Zeitraum hier abgehalten werden. „Wir können sie administrativ abarbeiten, wir können sie aber auch mit Geist und Inhalt füllen“, sagte Tschechiens ehemaliger Präsident Václav Havel zu einem Teil der Aufgabe, in der er auch eine große Chance sieht. Denn Tschechien kann und muss nun beweisen, dass von der Prager Burg aus nicht nur kritische oder skeptische Töne durch Europa hallen, sondern dass man auch in europäischem Sinne gestalten kann. Wie gut das gelingen wird, weiß jetzt natürlich noch niemand zu sagen. Die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ aber stellte schon am Tag zwei der Präsidentschaft eine Wertung auf, wie Tschechien diese Prüfung bestehen kann. Dazu nannte sie drei Möglichkeiten: Erstens – mit dem Gewinn von Anerkennung und Prestige, zweitens – mit gelöster Aufgabe, trotz eines höchst durchschnittlichen Resultats, oder drittens – mit Schimpf und Schande.

Václav Havel mit Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Es ist müßig, all das aufzuzählen, was passieren müsste, damit Tschechien eine der drei genannten Möglichkeiten erfüllen wird. Für den tschechischen Vizepremier Alexandr Vondra zum Beispiel ist die Ratspräsidentschaft bereits ein Erfolg, wenn es innerhalb der nächsten sechs Monate „gelingen wird, die Meinungen über die Energiesicherheit in der EU auf einen Nenner zu bringen und wenn Tschechien dazu beitragen könnte, dass die EU die durch die Finanzkrise ausgelöste wirtschaftliche Rezession ohne größere Schrammen überstehen wird.“ Grundsätzlich aber ist Ex-Präsident Havel beizupflichten, dass man dieser Präsidentschaft auch eigenes Leben einhauchen müsse. Und einen neuen Geist. Vielleicht geht ja ein solcher jetzt auch von seinem Nachfolger im Amt aus. Die moderat und versöhnlich vorgetragene Neujahrsrede von Václav Klaus war jedenfalls schon mal ein guter Anfang.