Tschechiens Bürgerdemokraten auf der Suche nach einem neuen Vorsitzenden
Anfang Dezember wird die größte tschechische Oppositionspartei, die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei (ODS) ihren bisher wichtigsten Kongress abhalten. Letztlich soll dort in erster Linie über den Nachfolger von Parteigründer Václav Klaus entschieden werden. Mehr über die Ausgangslage vor diesem Parteitag erfahren Sie im folgenden Schauplatz von Silja Schultheis und Robert Schuster.
Über die Folgen, welche die Entscheidung von Klaus für die Partei haben könnte, haben Beobachter des tschechischen politischen Geschehens keine eindeutige Meinung. Klausens Abgang reißt eine große Lücke in der ODS auf, sagen die einen. Diese Entscheidung sei eine Art Befreiung für die gesamte Partei, vor allem nach den verlorenen Wahlen, sagen wiederum die anderen. Fest steht aber, dass Václav Klaus keinen potentiellen Nachfolger hat, der in den vergangenen Jahren systematisch auf die Spitzenposition vorbereitet worden wäre. Dieser Umstand ist umso bemerkenswerter, als dass z.B. bei der zweiten großen Partei des Landes, den Sozialdemokraten (CSSD), nach dem Abgang von Milos Zeman kein politisches Vakuum entstand, weil es in der Person Vladimír Spidlas lange Zeit einen logischen Nachfolger gab.
Warum aber regelte Václav Klaus seine Nachfolge nicht ähnlich wie Zeman, um somit eine glatte "Hofübergabe" zu gewährleisten? Wollte oder konnte er nicht? Radio Prag stellte diese Frage dem Politikwissenschaftler Ladislav Cabada von der Westböhmischen Universität in Plzen/Pilsen. Gleich zu Beginn seiner Erläuterungen macht der Politologe zunächst eine wichtige Einschränkung:
Václav Klaus hat die tschechischen Rechtsliberalen nicht nur persönlich geprägt, sondern war während der gesamten Zeit auch deren Hauptideologe. Die politischen Standpunkte des einstigen Regierungschefs sind in der Vergangenheit in vielerlei Hinsicht fast automatisch zum Programm der gesamten Partei geworden, ohne dass sie von großen Debatten begleitet worden wären. Ein fast schon klassisches Beispiel dafür ist die offizielle Haltung der ODS zur Europäischen Union, wo die Partei als Ganzes in den vergangenen Jahren allmählich auf die kritischen Positionen von Klaus eingeschwenkt ist, obwohl es unter den ODS-Mitgliedern und ihren Sympathisanten konstant die höchste Zustimmungsrate zu einem EU-Beitritt Tschechiens gibt. Wird also der Abgang von Klaus auch zwangsläufig zu Veränderungen in der Programmatik führen? Der Politikwissenschaftler Cabada meint dazu:
Erste mögliche Anzeichen für einen neuen Kurs scheint es in der ODS bereits zu geben. So zählt gegenwärtig mit dem Kreishauptmann von Mährisch-Schlesien, Evzen Tosenovský, ein Politiker zu den aussichtsreichsten Nachfolgern von Václav Klaus, der allgemein wegen seiner Konsens-orientierten Politik geschätzt wird. Zudem verfügt Tosenovský, als langjährige Oberürgermeister von Ostrava/Ostrau, über eine große Erfahrung aus der Kommunalpolitik, wo ja bekanntlich die Unterschiede zwischen den Parteien traditionell geringer sind. Die vielen Vorschusslorbeeren für Tosenovský und die von den Medien genährten Erwartungen, wonach sich unter seiner Führung die Rechtsliberalen in ruhigere Gewässer begeben würden, veranlassten Noch-Parteichef Klaus zu einer relativ scharfen Stellungnahme und auch indirekten Drohungen. Klaus stellte quasi jedem potentiellen Nachfolger die Rute ins Fenster, in dem er verkündete, er werde es nicht zulassen, dass die Partei, wie er sagte, "intellektuell ausblute" und ihre Politik keine klare Handschrift mehr tragen würde. Klaus spricht seither davon, dass einige namhafte Kollegen, was offenkundig auf Tosenovský gemünzt ist, das "gedankliche Schema der ODS" nicht verinnerlicht hätten. Dieser Begriff klingt ja nun auf den ersten Blick ziemlich geheimnisvoll. Ladislav Cabada lüftet jedoch für Radio Prag das Geheimnis und erläutert, was man sich unter dem Terminus "gedankliches Schema der ODS" vorstellen sollte:
Egal, wer letztendlich zum neuen Vorsitzenden gewählt wird, er wird an seinem Vorgänger gemessen werden. Völlig offen ist aber gegenwärtig auch die Frage, welche Rolle Václav Klaus künftig in der ODS einnehmen wird? Wird er sich für den Fall seiner Niederlage bei der Präsidentenwahl zurückziehen, oder doch, wie Milos Zeman, einen gewissen Einfluss bewahren und hinter den Kulissen die Fäden ziehen wollen? Er hat ja bereits zu erkennen gegeben, nicht tatenlos dabei zuschauen zu wollen, sollte die ODS unter der neuen Führung nicht richtig Fuß fassen können, oder sich in eine von ihm nicht gewollte Richtung entwickeln. Klaus ist nach der Meinung Cabadas ganz einfach viel zu viel Politiker, um von einem Tag auf den anderen, so wie dies Zeman tat, der Politik den Rücken zu kehren und sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Zudem hat auch Zemans Politik-Abstinenz nicht lange gedauert, wovon seine Bereitschaft zeugt, sich eventuell als Präsidentschaftskandidat seiner Sozialdemokraten aufstellen zu lassen. Auch Politikwissenschaftler Ladislav Cabada von der Westböhmischen Universität in Plzen/Pilsen meint, dass Klaus seinen Anhängern und auch der Demokratischen Bürgerpartei auf jeden Fall erhalten bleibt, wie er abschließend erläutert:
Liebe Hörerinnen und Hörer, damit sind wir wieder am Ende unserer heutigen Schauplatz-Sendung angelangt. Vom Mikrophon verabschieden sich von Ihnen recht herzlich Silja Schultheis und Robert Schuster.