Tschechiens Gesicht in Europa: Vaclav Havel wird 70, Berlin feiert mit
Der Fall des Eisernen Vorhanges vor knapp 17 Jahren und die Öffnung der damaligen Tschechoslowakei nach Europa waren im Bewusstsein der Welt vor allem mit einem Namen verbunden: Vaclav Havel. Die demokratische Wende des Jahres 1989 hat sich in den Biografien von Millionen seiner Landsleute festgeschrieben. Für Havel selbst bedeutete sie gar den abrupten Wandel vom Dissidenten zum Präsidenten. Doch auch wenn Vaclav Havel quasi über Nacht zum Staatsmann geworden war - seine Vergangenheit als Dramatiker blieb unvergessen. Auch hier galt er als Botschafter seines Landes in Europa und in der Welt - auch wenn das den offiziellen Vertretern dieses Landes einst nicht in den Kram passte. Am 5. Oktober wird Havel 70. Das Tschechische Zentrum Berlin bereitet aus diesem Anlass eine zweitägige Geburtstagsveranstaltung vor. Gerald Schubert hat sich mit seiner Direktorin Blanka Mouralova über das Programm und über seine Hauptperson unterhalten.
Vaclav Havel feiert am 5. Oktober seinen 70. Geburtstag. An den beiden folgenden Tagen veranstaltet das Tschechische Zentrum Berlin dazu ein einschlägiges Programm. "Vaclav Havel im Theater (und in der Politik)" steht auf einer Aussendung des Tschechischen Zentrums. Die Politik steht dabei in Klammer. Heißt das, dass es mehr um den Künstler Havel gehen wird, und weniger um den Politiker?
"Genau. Wir wollten diese Veranstaltung in erster Linie dem Dramatiker Vaclav Havel widmen und haben dementsprechende Programmpunkte ausgewählt. Die Idee war auch, den Förderern von Vaclav Havel in den deutschsprachigen Ländern dafür zu danken, dass sie Havel zum weltbekannten Dramatiker gemacht haben. Havel ist ein Beispiel für einen Tschechen, für den Deutschland - und später auch Österreich - die Tür zur Welt war."
Sie meinen, weil zum Beispiel viele seiner Uraufführungen in Wien über die Bühne gingen, als seine Stücke in der Heimat verboten waren?
"Ja. Deshalb werden wir etwa auch Achim Benning, den damaligen Intendanten des Wiener Burgtheaters, in der Diskussionsrunde haben. Er war eigentlich derjenige, der das Burgtheater zum Haustheater von Vaclav Havel gemacht hat."
Kommen wir zurück zu dem, was Sie am 6. und 7. Oktober planen. Welche Veranstaltungen stehen denn da auf dem Programm?
"An beiden Tagen wird es eine Feier im Haus der Berliner Festspiele geben. Wir haben zum Beispiel eine Theaterproduktion aus Iran eingeladen. Es soll die Frage gestellt werden, warum Vaclav Havel auf europäischen Bühnen nicht so häufig gespielt wird. Ist er ein Autor, der in die Zeit des Kalten Krieges gehört und heutzutage nicht mehr viel zu sagen hat? Oder ist die Aussage seines Werkes doch universeller? Das Theater aus Teheran ist jedenfalls ein Beispiel dafür, dass Havel außerhalb Europas, wo die politische Situation immer noch sehr schwierig ist, Resonanz findet."Wie erklären Sie sich das?
"Das wäre eher eine Frage an dieses Theater. Ich bin auf das Stück gespannt. Danach werden wir darüber diskutieren können, wie man in ganz anderen Umständen das Werk von Vaclav Havel interpretiert. Außerdem haben wir bei dieser Veranstaltung auch die schöne Gelegenheit, das neue Buch von Vaclav Havel zum ersten Mal in Deutschland vorzustellen."
In einer deutschen Übersetzung?
"Ja, in einer deutschen Übersetzung von Joachim Bruss. Wir haben einige Ausschnitte ausgewählt, die jetzt fertig sind. Das ganze Buch wird dann glaube ich bis zur Leipziger Buchmesse fertig sein."
Wie heißt es?
"Der Arbeitstitel lautet 'Bitte kurz fassen'. Vielleicht bleibt es auch dabei."
Ich würde gerne noch einmal auf die Frage zurückkommen, ob Vaclav Havel ein Autor des Kalten Krieges, oder ob er auch heute noch interessant ist. Diese Frage stellt sich im Zusammenhang mit vielen seiner Werke. Wie sehen Sie das?"Ich weiß, dass es dazu unterschiedliche Ansichten gibt, und ich freue mich auf eine spannende Diskussion. Meiner Meinung nach spielt hier aber auf jeden Fall das Thema der Sprache in der Gesellschaft eine große Rolle: Inwiefern macht die Sprache eigentlich Sinn, oder inwiefern ist sie nur eine leere Sprache? Dieser Frage begegnen wir immer wieder, auch in der Politik. Das ist glaube ich ein sehr großes Thema für die tschechische Gesellschaft. Wir hatten sehr lange, bis 1989, eigentlich keine Sprache des öffentlichen Lebens. Nach der Wende kamen dann neue Leute in die Politik, sozusagen mit ihren persönlichen Sprachen, und dann lernte ein Politiker die Sprache des anderen. All das ist irgendwie nicht neutral, und eine schöne, mit Sinn erfüllte Sprache des politischen Lebens hört man auch heute nicht so häufig. Dieses Thema ist glaube ich universell und für uns heute noch aktuell. Möglicherweise aber könnte bei Havel die Form des Theaters ein bisschen veraltet oder zu sehr an eine bestimmte Zeit gebunden sein. Deswegen ist es vielleicht interessanter, die Texte zu lesen und einfach auf sich wirken zu lassen. Ein Programmpunkt der Veranstaltung wird deshalb auch eine szenische Lesung sein, mit dem Titel 'Erschwerte Möglichkeit der Konzentration'."
Havel auf der Bühne kann aber auch sehr komödiantische Elemente haben. Ich erinnere mich an eine Aufführung des Stückes "Memorandum", die ich in Prag gesehen habe. Es ging dabei darum, dass im Amtswesen, im Berufsleben, eine Kunstsprache vorgeschrieben wird, die es überhaupt nicht gibt. Das war sehr lustig, und es bezieht sich wohl auf das, was Sie vorhin über die "leere Sprache" gesagt haben.
"Ja. Und vielleicht können wir uns jetzt, wo das Theater von Vaclav Havel nicht mehr so große politische Bedeutung haben muss, weil sich die Zeiten geändert haben, mehr auf diese Seite der Stücke konzentrieren - weil sie eben unglaublich witzig sein können."
Sie leben seit vier Jahren in Berlin und sind genauso lange die Direktorin des dortigen Tschechischen Zentrums. Ist Vaclav Havel, nachdem er jetzt schon seit mehr als drei Jahren nicht mehr Präsident ist, heute noch das Aushängeschild der Tschechischen Republik? Ist er in Berlin immer noch sehr bekannt, oder verliert sich diese Spur langsam?
"Ich glaube nicht, dass sich die Spur verliert. Auch im Zusammenhang mit seinem 70. Geburtstag war es so: Viele haben vielleicht nicht schon ein Jahr vorher daran gedacht, dass sich dieses Jubiläum nähert, und dass man dazu etwas organisieren könnte. Aber als ich mit dieser Initiative kam, war die Resonanz sofort da. Vaclav Havel - das ist ein großer Name, und er wird es wahrscheinlich auch bleiben. Allerdings ist er nicht mehr die einzige Personifizierung der Tschechischen Republik. Dazu liegt Deutschland zu nahe an Tschechien, man kennt hier auch andere Gesichter. Aber es ist immer wieder schön, wenn man die Tschechische Republik durch Vaclav Havel repräsentieren kann."
Mehr zu der Veranstaltung am 6. und 7. Oktober finden Sie im Internet: www.czechcentres.cz/berlin .
Auch das Tschechische Zentrum Wien plant anlässlich des 70. Geburtstags von Vaclav Havel einen Spezial-Themenabend. Er wird gemeinsam mit Radio Prag vorbereitet und geht am 12. Oktober über die Bühne. Unter anderem wird ein Hörspiel von Havel präsentiert, das Radio Prag in deutscher Sprache eingespielt hat. Einzelheiten hören Sie in einer der nächsten Ausgaben unseres Tagesechos.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt