Tschechiens Kommunisten zwischen Ideologie und politischem Pragmatismus

Auch wenn die tschechischen Kommunisten immer noch wenig Distanz zur Zeit vor der Wende und insbesondere zum Stalinismus erkennen lassen, zeigte nicht zuletzt die jüngste Präsidentenwahl, dass sie weiterhin eine politische Größe sind, mit der man rechnen muss.

Zwei wichtige Ereignisse der vergangenen Woche haben wieder einmal die öffentliche Aufmerksamkeit auf die unreformierten tschechischen Kommunisten gerichtet: Zum einen war es der 60. Jahrestag der kommunistischen Machtergreifung im Jahr 1948. Zum anderen die Entscheidung von Premier Mirek Topolánek während seiner USA-Visite die Brüder Josef und Ctirad Mašín mit einer Gedenkmedaille auszuzeichnen - und zwar als persönliche Anerkennung ihres Kampfes gegen das kommunistische Regime.

In beiden Fällen meldeten sich die Kommunisten scharf zu Wort. Im Fall der Mašín-Brüder, die während ihrer Flucht aus der kommunistischen Tschechoslowakei nach West-Berlin im Jahr 1953 sechs Menschen erschossen, kritisierten die Kommunisten, dass Topolánek „zwei Mörder“ ausgezeichnet habe - wohl wissend, dass die tschechische Gesellschaft in dieser Frage geteilter Meinung ist. Beim Jahrestag der Machtergreifung wandten sich die Kommunisten dagegen, die Februar-Ereignisse des Jahres 1948 als Putsch zu bezeichnen.

Diese beiden Reaktionen haben gezeigt, dass sich die heutigen Kommunisten wieder verstärkt auf die stalinistische Phase ihrer Geschichte berufen. Von einer Aufarbeitung der eigenen Rolle oder einer Distanzierung von den Ereignissen rund um den 25. Februar 1948 und später, während der 50er Jahre, kann also keine Rede sein. Die tschechischen Kommunisten scheinen weiterhin ihrer orthodoxen Linie treu zu bleiben. Warum das so ist, versucht im Folgenden der Politikwissenschaftler Jan Kubáček zu erklären.

„Im Gegensatz zu anderen kommunistischen und postkommunistischen Parteien ist die tschechische KSČM heute eine klassische Protestpartei. Zudem sehen die tschechischen Kommunisten auch, wie es den französischen oder italienischen Kommunisten in den letzten Jahren ergangen ist, die auf jegliche Orthodoxie verzichtet haben und versuchten, sich als konstruktive Kraft im Parlament oder sogar in der Regierung zu profilieren. Und dann muss noch die Generationenfrage erwähnt werden. Die Kommunisten wollen nicht ihre traditionelle Klientel verlieren, die vor allem aus älteren Menschen besteht, die ihren beruflichen und sozialen Aufstieg oft den Ereignissen nach der kommunistischen Machtergreifung vom Februar 1948 verdanken. Die kommunistische Führung ist sich dessen bewusst und versucht daher mit einer Reihe von symbolischen Gesten und traditionellen Verhaltensweisen diese Bindung zu bekräftigen.“

Viele tschechische Politikexperten behaupten zudem, dass es bei den Kommunisten nicht nur eine starke Bindung der Basis zur Parteiführung gibt, sondern dass zum kommunistischen Erfolgsrezept auch gehört, nach außen hin geeint aufzutreten. Gibt es heute bei den Kommunisten überhaupt eine Gruppe, die man zumindest teilweise als unorthodox oder modern bezeichnen könnte? Jan Kubáček:

„Sicherlich gibt es so eine Richtung. Mir fallen da vor allem zwei Namen ein: Jiří Dolejš und Miloslav Ransdorf, der vor Jahren schon praktisch aufs Nebengleis ins Europaparlament geschoben wurde. Im Nachhinein lässt sich aber sagen, dass Ransdorf dies zu seinem Vorteil genutzt hat. War er früher mit seinen Positionen in vielen Fragen ein Einzelkämpfer und isoliert, so kann er heute darauf verweisen, dass sich seine Standpunkte mit jenen der europäischen Linken decken und somit in gewisser Weise auch zukunftsweisend sind. Jetzt geht es darum, diese Erfahrung nach Tschechien zu überführen und dafür die Unterstützung in den Regionalverbänden zu erhalten, die jedoch traditionell sehr vorsichtig agieren. Dann könnte es gelingen, sowohl die Pragmatiker um Vojtěch Filip wie auch den offen orthodoxen Flügel um Stanislav Gospič zu ersetzen.“

Wenn man in den vergangenen Jahren die Rolle der tschechischen Kommunisten verfolgt hat, war vor allem Eines sichtbar: Offiziell wollte niemand etwas mit den Kommunisten zu tun haben, bei wichtigen Entscheidungen wurden sie jedoch geradezu umworben. Ganz besonders sichtbar wurde dieses Verhalten bei den Präsidentschaftswahlen der vergangenen Jahre, als offen um die kommunistischen Stimmen gebuhlt wurde. Im Jahr 2003 kehrten die Kommunisten dies in ein taktisches Spiel und versuchten für sich das meiste herauszuholen. Damals ging die Taktik noch auf und Václav Klaus, der auf diese Weise ins höchste Staatsamt gewählt wurde, revanchierte sich artig.

Etwas Ähnliches wollte die kommunistische Partei auch in diesem Jahr inszenieren, doch der Versuch, das Zünglein an der Waage zu sein, scheiterte. Man hat sogar den Eindruck gewinnen können, dass die Kommunisten den Bogen überspannt haben und letztlich zu den Verlierern der Präsidentschaftswahl geworden sind. Wie wird die Basis darauf reagieren? Immerhin will sich die aktuelle Führung auf einem Parteitag im Mai bestätigen lassen. Dazu meint Jan Kubáček:

„Es mag vielleicht kurios klingen: Selbst wenn die Mehrheit der Beobachter glauben mag, dass die Kommunisten diesmal zu viel taktiert haben, hat die Partei aus Sicht der traditionellen kommunistischen Wähler während der Präsidentschaftswahl bestanden. Die Kommunisten konnten für keinen den beiden wichtigsten Kandidaten offen Partei ergreifen, weil weder Klaus, noch Švejnar dem klassischen Bild eines linken Politikers entsprachen. Es waren aber auch längerfristigere Überlegungen im Spiel: was die Wahl des einen oder anderen Kandidaten den Kommunisten bringen würde. Ein Erfolg Švejnars hätte die Position Jiří Paroubeks und damit der Sozialdemokraten im linken Spektrum gestärkt, zudem wäre der Grundstein für eine mögliche spätere Regierungskoalition aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und Grünen gelegt worden. Den Kommunisten würde bei einem solchen Szenario die Isolation drohen. Die Sozialdemokraten sind in den Augen der Kommunisten in erster Linie Konkurrenten, keine Verbündete, und somit müssen sie verhindern, dass die Sozialdemokraten gestärkt in die bevorstehenden Senats- und Regionalwahlen gehen. Die Kommunisten haben im Verlauf der Präsidentschaftswahl den Grünen, den Sozialdemokraten, aber auch den Bürgerdemokraten gezeigt, dass man sie ernst nehmen muss.“

Heißt das also, dass eine direkte, oder indirekte Regierungsbeteiligung der tschechischen Kommunisten eine Frage der Zeit und somit unausweichlich ist? Dazu abschließend noch einmal die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Jan Kubáček von der Prager Karlsuniversität:

„So wie sich die Kommunisten präsentieren, denke ich, dass sie eher versuchen werden, die Rolle eines stillen und tolerierenden Regierungspartners zu spielen. Damit ist gemeint, dass sie sich nicht unmittelbar durch ein Engagement in der Regierung belasten, gleichzeitig aber die Kontrolle über wichtige Organe im Parlament erhalten, um diese auch zur Stärkung des eigenen Einflusses einsetzen zu können. Langfristig wird aber immer noch die Rolle als Protestpartei im Vordergrund stehen, mit dem Wissen, dass das eine relativ bequeme Art ist, um Politik zu betreiben. Als potenzieller und auch natürlicher Partner für eine Regierungszusammenarbeit kommen nur die Sozialdemokraten in Frage – wohl aber nicht mit deren jetziger Führungsgarnitur um Jiří Paroubek oder Bohuslav Sobotka, sondern erst mit Sozialdemokraten mit einer weitaus stärkeren Affinität gegenüber den Kommunisten. Im Prinzip wird es aber den Kommunisten auch künftig um die Maximierung ihrer Stimmen gehen und um die Erweiterung durch Proteststimmen vorwiegend aus dem linken Spektrum.“