Tschechien und seine jungen Kommunisten

Junge Kommunisten (Foto: Archiv der KSČM)

In diesen Tagen wird in Tschechien an den kommunistischen Umsturz von 1948 erinnert. Am 25. Februar des Jahres begann die Alleinherrschaft der KPTsch in der damaligen Tschechoslowakei. Die kommunistische Partei sollte dann für die weiteren 41 Jahre die Geschicke des Landes bestimmen. Erst die Samtene Revolution beendete diese Epoche. Heute gibt es hierzulande Menschen, die die Zeit vor 1989 gar nicht erlebt haben und sich für kommunistische Ideen begeistern. Was treibt sie aber an?

Klement Gottwald: 'Gerade komme ich von der Prager Burg vom Präsidenten der Republik...'  | Foto: Tschechischer Rundfunk

„Gerade komme ich von der Prager Burg vom Präsidenten der Republik...“– mit diesen Worten begann der damalige kommunistische Ministerpräsident Klement Gottwald am 25. Februar 1948 auf dem Wenzelsplatz in Prag seine Rede. Er verkündete, Staatspräsident Edvard Beneš habe die Rücktrittsgesuche der nicht-kommunistischen Minister angenommen. Diese bildeten damals die Mehrheit in der Regierung. Außerdem sagte Gottwald, dass seine Partei diese Minister nach ihren Vorstellungen ersetzen dürfe.

Früher war es die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KPTsch), heute ist es die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens, abgekürzt KSČM. Sie gehört zu den stärksten politischen Kräften im Land. Bei den letzten Wahlen ins Abgeordnetenhaus im Jahr 2017 erreichte sie fast acht Prozent der Stimmen, das bedeutete den fünften Platz aller Parteien. Im Abgeordnetenhaus hat die KSČM insgesamt 15 Mandate.

Wunsch nach sozialer Sicherheit

Luboš Petříček  (Foto: Archiv der KSČM)
Vor allem aber wäre die aktuelle Regierungskoalition derzeit ohne die kommunistische Partei nicht denkbar. Sie toleriert das Minderheitskabinett von Premier Andrej Babiš, dem die Partei Ano und die Sozialdemokraten angehören. Laut dem Nachrichtenportal des Tschechischen Rundfunks (iRozhlas.cz) ist die KSČM die politische Vereinigung hierzulande mit der größten Mitgliederbasis. Luboš Petříček ist eines der Mitglieder. Er ist 30 Jahre alt und arbeitet in einer Brauerei, derzeit ist er aber in Elternzeit und kümmert sich um seine zwei Kinder. Gerade wegen der Familie hat er sich auch für die kommunistische Partei entschieden.

„Teilweise liegt das allgemein an den Ansichten in meiner Familie. Meine Großeltern haben mit dem Regime stark sympathisiert, sie haben mir ihre Erfahrungen auch geschildert. Bei meiner Mutter und meinem Vater ist das aber nicht so. Sie sind 45 und 50 Jahre alt und nehmen das anders wahr. Ein weiterer Grund ist meine Arbeit. Wenn man erstmals eine Beschäftigung hat, erkennt man, dass grundlegende Sicherheiten fehlen. Da geht es ums Wohnen und die Gründung einer Familie. Meine Wahrnehmung ist, dass man sich bis an das Ende seines Lebens mit Hypotheken belastet und einem als Einziges übrigbleibt, in die Arbeit zu gehen“, so Luboš Petříček.

Junge Kommuniste  (Foto: Archiv der KSČM)

Pavel Mrštík  (Foto: Archiv der KSČM)
Wie die Interviews zeigen, hatten auch andere junge Kommunisten Großeltern, die vor 1989 Mitglieder der KPTsch gewesen waren. So etwa Pavel Mrštík. Der 27-Jährige ist Mitglied der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens geworden, weil ihm das Leben seiner Eltern nicht gefallen hat. Diese sind Unternehmer. Und weiter sagt Mrštík:

„Ich habe die meiste Zeit meines Lebens gedacht, dass mein Großvater, der 1921 geboren wurde, ein Antikommunist gewesen wäre. So hat es mir meine Mutter erzählt. Doch dann habe ich festgestellt, dass dem gar nicht so war. Meine Mutter wollte einfach, dass ich ihr das glaubte. In Wirklichkeit war mein Großvater aber Mitglied der KPTsch gewesen. Er war ein Kommunist im Schlage von Antonín Novotný. Nach dem Jahr 1968 wurde er aus der Partei ausgeschlossen.“

Der August 1968: Damals besetzten Soldaten des Warschauer Pakts die Tschechoslowakei und beendeten die Reformbewegung „Prager Frühling“. Offiziell wurde behauptet, man habe einmarschieren müssen, um eine Konterrevolution zu unterdrücken. Viele Kommunisten in der Tschechoslowakei, die den Einmarsch ablehnten, mussten später die KPTsch verlassen.

Antikommunistische Welle

Vertreter der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens | Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk
Die anschließende neostalinistische Ära, man nannte es „Normalisierung“, gehört zu jenen Dingen, die auch den heutigen Kommunisten noch angelastet werden. Die Vorwürfe erheben vor allem ehemalige Dissidenten oder Historiker aus dem Institut für das Studium totalitärer Regimes in Prag. An manchen tschechischen Gymnasien wird sich mittlerweile auch im Unterricht mit dieser Zeit beschäftigt. Der 21-jährige Štěpán Jícha findet aber, dass dies nicht ausreichend objektiv geschieht.

„Ich bin 1998 geboren, ich habe die extreme Welle des Antikommunismus in den 1990er Jahren nicht erlebt. Wenn ich heute mit jemanden um die 40 Jahre rede, versteht er meine Ansichten nicht. Denn er hatte natürlich seine besten Zeiten damals, als es hierzulande eine Jagd auf die Kommunisten gab. Wir haben in der Schule die kommunistische Vergangenheit durchgenommen. Das war aber sehr einseitig, man bekam den Eindruck, dass die Zeit vor 1989 ein einziger Gulag gewesen wäre. Dabei gab es damals auch Vorteile, nicht nur große Nachteile. Deswegen habe ich meinen Lehrer darauf angesprochen. Wir haben dann gemeinsam diskutiert. Im Endeffekt fand er das gut, und das halte ich für positiv“, sagt Jícha.

Luboš Petříček bei einem Anti-Regierungsprotest in Prag  (Foto: Archiv der KSČM)
Dass für manche Menschen in Tschechien die heutige Kommunistische Partei Böhmens und Mährens negativ besetzt ist, führt Štěpán Jícha darauf zurück, dass sie sich namentlich nicht von der ehemaligen KPTsch distanziert hat. Deswegen wünscht er sich eine Transformation seiner Partei weg von der altkommunistischen Ausrichtung – so wie es beispielsweise die deutsche „Linke“ gemacht hat. Anders sieht dies aber Roman Čučela. Der 21-jährige Student der Politikwissenschaft glaubt, dass die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens eine gute Marke sei:

„Ich finde, der Name passt, und es freut mich, dass er so geblieben ist. Man muss nur in die Staaten des ehemaligen Ostblocks schauen. Dort, wo die Parteien ihre Namen geändert haben, bekommen sie keine große Wählerunterstützung mehr, und sie haben sich in ihren Programmen sozialdemokratisiert. Das möchte ich nicht. Mich hat Marx überzeugt, ich bin wegen Marx der KSČM beigetreten.“

Roman Čučela und die anderen Interviewpartner sagen, sie hätten sich für die kommunistischen Ideen entschieden, weil sie den Versuch ihrer Umsetzung in der damaligen ČSSR zum größeren Teil positiv wahrnehmen. Alle nennen dabei die sozialen Sicherheiten. Damals seien die Menschen vom Staat angeblich mehr unterstützt worden als heute – beispielsweise durch zinslose Kredite oder direkt zugeteilte Wohnungen. Zugleich stammen alle Befragten aus Familien, in denen die Großeltern früher Anhänger des Kommunismus waren.


Daniela Tollingerová hat sich im Rahmen ihrer Masterarbeit für die Universität Passau mit jungen kommunistischen Politikern in Tschechien beschäftigt.