Bedrohung Kommunismus? Öffentliche Anhörung im Senat

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Bedrohung Kommunismus? Das war am Dienstag der Name und gleichzeitig die Hauptfragestellung einer öffentlichen Anhörung im Senat, der Oberen Kammer des Tschechischen Parlaments, organisiert vom dortigen Ausschuss für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Menschenrechte. Gerald Schubert war vor Ort:

Etwa 18,5 Prozent der Wählerstimmen konnte die KSCM, die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens, bei den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus für sich gewinnen. Das war im Jahr 2002. Bei den Wahlen zum Europaparlament, zwei Jahre später, waren es bereits über 20 Prozent. Droht eine kommunistische Gefahr? Und wenn ja: Droht ein Rückfall in alte diktatorische Verhältnisse, wie sie bis zum Jahr 1989 herrschten, oder existieren auch andere, unterschwellige Formen der gesellschaftlichen Beeinflussung durch die alte Nomenklatura und ihre Nachfolger? Das waren die Hauptschwerpunkte, um die am Dienstag bei der öffentlichen Debatte im Senat die Diskussionsbeiträge kreisten. Radio Prag hat am Rande der Veranstaltung Jan Sinagl um seine Meinung gebeten, einen ehemaligen Emigranten, der sich nach mehreren Jahren im Schweizer Exil nun in Tschechien als antikommunistischer Aktivist einen Namen gemacht hat. Die Wahlergebnisse der KSCM will Sinagl nicht überschätzen:

"Das ist ein Problem der Wahlbeteiligung. Wenn die Kommunisten - so, wie sie es immer gemacht haben - quasi auf Befehl an den Wahlen teilnehmen, dann haben sie eben die entsprechenden Prozente."

Tatsächlich: Die Wahlbeteiligung ist unter den Anhängern der KSCM traditionell besonders hoch, die Kommunisten schöpfen daher ihr Wählerpotential - im Vergleich zu anderen Parteien - stets gut aus. Manche sind daher der Ansicht, die Partei gehe aus Wahlen in der Regel überrepräsentiert hervor.

Doch Stimmen und Mandate, so meinten gleich mehrere Teilnehmer der Senatsdebatte, sind nicht die einzigen Parameter, an denen sich so etwas wie eine "kommunistische Bedrohung" messen lasse. Petr Vancura von der "Gesellschaft für Freiheit und Demokratie" in seinem Redebeitrag:

"Die heutige bolschewistische Gefahr besteht nicht in einer möglichen Rückkehr der Kommunisten an die Macht - denn an der Macht sind sie ja im Wesentlichen geblieben! Die Gefahr besteht vielmehr im Weiterbestehen und in der Stärkung des heutigen postkommunistischen Regimes."

Postkommunistisches Regime: Die Formulierung lässt aufhorchen. Sie stellt das Credo dar für so manche, die der Meinung sind, die alte Nomenklatura habe sich in Wirklichkeit an der Macht erhalten und wirke politisch im Verborgenen, sowie in einer korrupten, von ihr kontrollierten Wirtschaft.

Gewiss gibt es Fälle, wo sich derlei Kontinuitäten erkennen lassen. Manchmal aber gemahnen die benutzen Formulierungen eher an Verschwörungstheorien als an die Analyse einer postkommunistischen Transformationsgesellschaft. Zum Beispiel die am Dienstag ebenfalls im Senat vorgetragene Kritik an Boulevardmedien, die die Menschen im Sinne des politischen und wirtschaftlichen Machterhalts einer kleinen Elite verwirren, die gibt es auch in westlichen Gesellschaften. So gesehen ist Tschechien dann wohl doch eine ziemlich normale Demokratie geworden.