„100 Jahre sind genug“: Bürgerinitiative kritisiert Kommunistische Partei

Vor 100 Jahren wurde die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei gegründet. Die Bürgerinitiative „Bez komunistů.cz“ erinnert in diesem Jahr mit einer Kampagne unter dem Motto „100 Jahre sind genug“ an das 42-jährige Machtmonopol der Kommunisten in der Tschechoslowakei und an die Verbrechen, die während dieser Zeit begangenen worden sind.

Foto: Archiv von Petr Marek

Der Gründungskongress der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei fand am 15. und 16. Mai 1921 im Nationalhaus im Prager Stadtteil Karlín statt. Zum 100. Jahrestag veranstalteten die Mitglieder der Bürgerinitiative „Bez komunistů.cz“ am Freitag vor dem Gebäude ein Happening. Sie hatten Transparente mitgebracht, beispielsweise mit der Aufschrift „Potemkinsche Dörfer“. Dies symbolisiere das Vorgehen der Kommunisten und den Charakter ihres Regimes, sagte Aktivist Petr Marek:

„Unsere Initiative macht auf Verbrechen aufmerksam, die während des kommunistischen Regimes begangen worden sind. Die Wahlfreiheit wurde aufgehoben. Die letzten freien Wahlen fanden 1946 statt, und dann erst wieder 1990. Es kam zu Hunderten von Justizmorden. Die Grenze zum Westen war versperrt, und der Eiserne Vorhang war mit elektrischem Strom versehen. Auf diejenigen, die versuchten zu flüchten, wurde geschossen. Auf diese Weise sind über 300 Menschen verunglückt. Unser Happening hat einen sarkastischen Ton, wir verspotten die Protagonisten des kommunistischen Regimes. Diese Form haben wir aus dem Grund gewählt, weil es fast lächerlich ist, woran so viele Menschen geglaubt haben. Die offizielle Ideologie schuf eine neue herrschende Klasse. Aber beispielswiese die Situation der Arbeiter, auf die sich die Kommunisten beriefen, war in den 1950er und 1960er Jahren bedeutend schlechter als die der Arbeiter in Westeuropa.“

Foto: Archiv von Petr Marek

Petr Marek zufolge stellt die Tschechische Republik eine bizarre Insel inmitten Europas dar. Denn die kommunistische Partei existiere hierzulande weiterhin und habe eine gewisse Bedeutung, meint der Aktivist:

„Die Kommunisten halten beispielsweise die gegenwärtige Regierung an der Macht. Im Unterschied zu unseren Nachbarländern wurde die Kommunistische Partei nicht aufgelöst. Sie ist seit 30 Jahren im Parlament vertreten. In anderen Ländern haben sich die kommunistischen Parteien transformiert oder wenigstens umbenannt. In Tschechien war dies nicht der Fall. Ich halte das für eine Schande der hiesigen  Gesellschaft.“

Mareks Bürgerinitiative befasst sich seit Jahren mit dem Thema der Verbrechen zu Zeiten der ČSSR. Am 25. Februar 1948 haben die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei ergriffen. Eben am 25. Februar dieses Jahres starteten die Aktivisten ihre Kampagne mit dem Titel „100 Jahre sind genug“. In den nächsten Wochen planen sie weitere Veranstaltungen:

Friedhof im Prager Stadtteil Ďáblice | Foto: Packa,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 2.5

„Am 1. Juni werden wir genauso wie in den vergangenen Jahren auch auf dem Friedhof im Prager Stadtteil Ďáblice der unschuldigsten Opfer des kommunistischen Regimes gedenken. Dort wurden Kinder bestattet, die in Gefängnissen starben, in denen ihre Mütter als politische Gefangene saßen. Es ist uns inzwischen gelungen, die Öffentlichkeit auf diese Tatsache aufmerksam zu machen. Zudem erinnern wir jedes Jahr am 27. Juni an die von den Kommunisten hingerichtete Politikerin Milada Horáková und weitere Persönlichkeiten.“

Am Gründungskongress der Kommunistischen Partei im Jahre 1921 nahmen 569 Delegierte teil. Sie hatten von Anfang an die russischen Bolschewiken zum Vorbild. Aber erst 1929 kamen Menschen an die Parteispitze, die bereit waren, sich Moskau direkt unterzuordnen. Zu Beginn der nationalsozialistischen Besatzung schlossen sich die Kommunisten nicht dem Widerstandskampf an, weil Deutschland nach dem Hitler-Stalin-Pakt Verbündeter der Sowjetunion war. Erst 1941 wurde ihnen nahegelegt, am Widerstand teilzunehmen. Nach der Niederlage Deutschlands kreierten die tschechoslowakischen Kommunisten einen Mythos, dass sie praktisch die einzigen waren, die gegen das NS-Regime gekämpft hätten.