Tschechiens Medien zum Wechsel an der Spitze der Christdemokraten

Miroslav Kalousek, Foto: CTK

Im Mittelpunkt der innenpolitischen Berichterstattung stand in der abgelaufenen Woche der Parteitag der tschechischen Christdemokraten, der in Ostrava/Ostrau stattfand. Dabei ist es für viele überraschend zu einem Wechsel an der Parteispitze gekommen. Der bisherige Parteichef, der stellvertretende tschechische Ministerpräsident und Außenminister Cyril Svoboda, wurde relativ eindeutig abgewählt. Als neuen Vorsitzenden hoben die Christdemokraten hingegen den einflussreichen Abgeordneten Miroslav Kalousek auf den Schild. Kalousek geht dabei seit vielen Jahren der Ruf voraus der "Kardinal Richilieu" der tschechischen Innenpolitik zu sein, der insbesondere in seiner Funktion als Vorsitzender des wichtigen Haushaltsausschusses hinter den Kulissen die Fäden zieht.

Miroslav Kalousek,  Foto: CTK
Zudem umgeben die Person Kalouseks seit knapp zehn Jahren nie bewiesene Verdächtigungen, er sei als ehemaliger stellvertretende Verteidigungsminister für die Vergabe einer Reihe von großen Rüstungsaufträgen verantwortlich gewesen, die zu völlig ungünstigen Konditionen die tschechischen Steuerzahler mehrere Milliarden Kronen kosteten. Gerade aus diesem Grund brodelte unter der Oberfläche der Partei seit langem ein Konflikt zwischen Kalousek und seinem abgewählten Vorgänger Cyril Svoboda.

Kann also die Wahl Kalouseks letztlich so verstanden werden, dass die Delegierten des Parteitags ihren neuen Chef von allen Vorwürfen rein gewaschen haben, die gegen ihn in den vergangenen Jahren erhoben wurden? Diese Frage stellten wir unserem Kollegen Petr Novacek vom Ersten Programm des Tschechischen Rundfunks, der im Inlandsprogramm live vom Parteitag berichtete und baten ihn um seine Einschätzung:

"Die Christdemokraten stellten einander in den Couloirs die Frage, ob sie überhaupt das Recht dazu hätten, eine Rechtfertigung von jemanden zu verlangen, dem zwar seit sechs Jahren immer wieder etwas vorgeworfen wird, aber bislang nie bewiesen wurde. Und da es diese Beweise nicht gibt, ist dann die Mehrheit der Delegierten darin übereingekommen, Kalousek eben nicht unentwegt diese Fragen zu stellen. Bei den meisten hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass Kalousek nun zeigen solle, was er wirklich kann. Er muss es schaffen für seine Partei bei drei verschiedenen Wahlen gute Ergebnisse einzufahren und zeigen, dass er vor allem bei den Nachwahlen zum Senat erfolgreicher sein wird, als sein Vorgänger."

Cyril Svoboda,  Foto: CTK
Die Medien widmeten sich aber nicht nur dem Sieger von Ostrava/Ostrau, sondern auch dem Verlierer, Außenminister Svoboda. Eine Ursachenforschung, warum Svoboda nach zwei Jahren abgewählt wurde, unternahm Viliam Buchert in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes. Der Autor griff dabei zu einem in tschechischen Medien nicht allzu oft gebrauchten Vergleich:

"Die Erwartungen, dass die Christen innerhalb der Volkspartei mit Svoboda den lange ersehnten Moses an ihrer Spitze hätten, wurden nicht erfüllt. Der Außenminister und stellvertretende Regierungschef legte auf dem Parteitag seiner kleinen, aber für das politische Leben des Landes eminent wichtigen Partei keinen neuen Dekalog vor, keine neuen Visionen und wurde somit zu Recht vom höchsten Parteiamt abgesetzt. Er hat gar nicht angedeutet, wie er sein Parteivolk, so wie seiner Zeit der biblische Moses, aus der Gefangenschaft führen wollte, aus der Gefangenschaft der gegenwärtigen sozialistischen Regierung."

Die tschechischen Kommentatoren sind sich darin einig, dass Kalousek, der als harter Verhandlungspartner gilt, das Kunststück gelingen könnte, die Volkspartei wieder stärker im öffentlichen Bewusstsein als eigenständige politische Kraft zu verankern. Weitaus vorsichtiger sind sie jedoch bei der Einschätzung, ob das selbstbewusstere Auftreten der Christdemokraten mittelfristig nicht die Existenz der äußerst labilen Drei-Parteien-Konstellation von Premier Vladimir Spidla gefährden könnte. Entsteht dadurch für den Regierungschef nicht gleichzeitig eine neue, und zwar bereits die dritte innenpolitische Front? Diese Frage stellten wir unserem Kollegen Petr Novacek:

"Ich denke, dass es da keinen dritten Kriegsschauplatz geben wird. Auch wenn es vielleicht nicht so scheint, hat Vladimir Spidla doch eine Wandlung durchgemacht, vom Idealisten zum Pragmatiker und Realisten. So bin ich überzeugt, dass sich der Regierungschef der neuen Machtkonstellation an der Spitze der Volkspartei schnell anpassen wird. Natürlich hatte Spidla zusammen mit dem ehemaligen Chef der Christdemokraten, Außenminister Svoboda, ein eingespielten Verhandlungsmechanismus entwickelt, aber auch Kalousek seinerseits wird sicherlich versuchen sich einzufügen. Somit ist da sicherlich keine grundlegende Änderung zu erwarten."

Abschließend wollen wir Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, zu diesem Thema noch zwei weitere Kommentare von Kollegen aus der schreibenden Zunft präsentieren. Im ersten geht dessen Autorin Patricie Polanska auf einen weiteren interessanten Aspekt der jüngsten Vorsitzenden-Kür bei den Christdemokraten ein. Ihr Beitrag erschien in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny:

"Die Volkspartei ist nach dem vergangenen Wochenende neben den Bürgerdemokraten und den Sozialdemokraten die dritte Parlamentspartei, in der das wirkliche Machtzentrum in der Hand von mit allen Wassern gewaschenen Pragmatikern liegt, die sich insbesondere in der Geschäftsordnung des Parlaments gut auskennen und das zu nutzen wissen. Das Interessante daran ist, dass sich diese Herren sehr gut kennen und ihrer demonstrativ zur Schau gestellten Gegnerschaft zum Trotz oft an einem Strang ziehen. Gleichzeitig sind es Pragmatiker der Macht, denen kein populistisches Schlagwort zu weit hergeholt zu sein scheint."

Miroslav Kalousek  (li.) und Cyril Svoboda,  Foto: CTK
Während die meisten tschechischen Medien bislang in ihren Kommentaren zur Wahl Kalouseks eine gewisse Zurückhaltung übten, wenn es um die Bewertung des künftigen politischen Kurses der Volkspartei geht, sind in der linksliberalen tschechischen Zeitung Pravo in der vergangenen Woche einige sehr kritische Kommentare erschienen, die die Veränderung an der Parteispitze sogar als Rechtsruck bezeichneten. So setzte sich etwa Jiri Franek kritisch mit der geforderten Null-Toleranz-Politik gegenüber Wiederholungstätern auseinander, so wie sie der neue Chef der Christdemokraten Kalousek bereits kurz nach seiner Wahl ankündigte und diese mit der Einführung einer in den Vereinigten Staaten angewandten Regelung nach dem Motto "Dreimal ist genug" verband. Das würde bedeuten, dass Täter, die zweimal die gleiche Tat begangen habenm beim dritten Mal automatisch zu lebenslanger Haft verurteilt würden.

"Der neue Vorsitzende der Volkspartei hat alle Eigenschaften, die für einen Politiker im Fernsehzeitalter wichtig sind. Er kann gut argumentieren, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen - sowohl vor der Kamera, als auch vom politischen Gegner. Was bietet er aber als Programm an? Da wäre vor allem die Forderung zu erwähnen, die Kriminalität mit harter Repression zu bestrafen. Nur Gott weiß wahrscheinlich, wo bei diesen politisierenden Christen ihre Vorstellung von Recht und Ordnung herkommt, die auf unchristlichen Strafen basiert. Nur er weiß auch, warum die Anhänger dieser Partei nicht zwischen einem wahren Verbrechen und dessen Opfern unterscheiden."