Tschechische Baufirmen beklagen zu Recht einseitige Öffnung des EU-Markts

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Im nun folgenden Wirtschaftsmagazin wirft Lothar Martin einen Blick auf die tschechische Baubranche. Sie kann sich im Inland kaum vor Aufträgen retten, aber international gesehen sieht es viel bescheidener aus. Doch hören Sie selbst:

In unserem Wirtschaftsmagazin vom 6. April dieses Jahres hatten wir Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, darüber informiert, wie die tschechischen Bürger ihre gestiegenen Löhne bzw. zinsgünstige Hypotheken immer mehr in den Kauf von Häusern und Wohnungen investieren. Auch aus diesem Grund herrscht in Tschechien derzeit ein regelrechter Bauboom, von dem nicht zuletzt die hiesigen Bauunternehmen profitieren sollten. Das tun sie in der Tat, doch mit dem Beitritt des Landes vor 14 Monaten in die Europäische Union etablieren sich auch immer mehr ausländische Baufirmen auf dem Binnenmarkt, wobei insbesondere die Konkurrenz aus Polen, der Slowakei und den baltischen Ländern spürbar zugenommen hat. Angesichts der guten Auftragslage halten die einheimischen Investoren und Baubetriebe dem gewachsenen Druck stand, doch auf der anderen Seite wird von ihnen zu Recht moniert, dass sie nord- und westwärts ihrer Landesgrenzen nicht die gleichen Möglichkeiten haben, sich auf dem europäischen Markt zu messen. Das bestätigt auch der Präsident des tschechischen Verbandes der Bauunternehmer (SPS), Vaclav Matyas:

"Das, was selbstverständlich noch ein Problem ist, das ist das Problem der Freizügigkeit von Personen. In unserem Fall ganz konkret des uneingeschränkten Zutritts von tschechischen Firmen auf den Arbeitsmärkten der europäischen Länder. Und hier natürlich namentlich auf den Bauarbeitsmärkten in Deutschland und in Österreich."

Ja, gerade diese beiden Staaten hatten mit dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik in punkto Freizügigkeit die höchste Blockade aufgebaut, indem sie sich eine siebenjährige Zugangssperre ihres Arbeitsmarktes für das südöstliche Nachbarland ausbedungen haben. Abgesehen von Großbritannien und Irland gäbe es ohnehin keine Nation unter den alteingesessenen 15 EU-Staaten, die auf eine solche Regelung verzichtet hätte. Dabei sei doch, so Matyas, in den Grundsatzbedingungen der EU-Mitgliedschaft folgendes verankert:

Aber, so der Präsident des tschechischen Bauunternehmer-Verbandes, diese grundlegende Idee des wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes in Europa werde weiterhin zu einseitig zugunsten der älteren EU-Länder ausgelegt. Von tschechischer Seite hingegen habe man diesem Wirtschaftsgedanken keinen Riegel vorgeschoben:

"Sie wissen sehr gut, dass die Tschechische Republik in dieser Hinsicht mehr als liberal ist. Und das tschechische Bauwesen zeigte sich mittels seiner guten Konditionen auch imstande, auf die gestiegenen Nachfragen der Investoren sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Aufträgen zu reagieren."

Ein großes Problem in Tschechien sind jedoch nach wie vor die ungenügende Transparenz sowie die Bevorzugungen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Wie sich dieses Problem in der Praxis äußere, dazu sagte der Vizepräsident und Generaldirektor des Bauunternehmer-Verbandes, Miloslav Masek:

Was den obersten SPS-Repräsentanten dabei besonders auf den Nägeln brennt, sind die oft nur schwer nachvollziehbaren Ausschreibungen des Auftraggebers:

"Solange es möglich sein wird, dass der Auftraggeber Kriterien vorgibt und ihnen eine gewisse Bedeutung beimisst, solange wird auch die Möglichkeit bestehen, dass er auf Dinge Wert legt, die eigentlich nicht entscheidend sein sollten. Dadurch entstehen die Fälle, bei denen die öffentliche Ausschreibung so gehandhabt wird, dass das System der Kriterien und deren Gewichtung stets darauf ausgelegt sind, den Auftrag nur einer Firma bzw. einer Gruppe von Firmen zuzuspielen. Und das ist schlecht",

sagte Miloslav Masek. Welche Vorteile es bringen kann, wenn eine solche Ausschreibung wirklich transparent und jedem interessierten Anbieter zugänglich ist, das beweist der Bau der Kläranlage und Kanalisation Cista Becva in der mährischen Walachei. Bei der Realisierung der größten inländischen Investition auf dem Gebiet der Ökologie, dank der den Haushalten von 133.000 Einwohnern in der Region um die Stadt Vsetin das Schmutzwasser abgeführt und gereinigt wird, konnten mehr als neun Millionen Euro eingespart werden. Das wurde möglich, weil sich um den Auftrag in der Höhe von etwas über 37,3 Millionen Euro ohne Mehrwertsteuer insgesamt 38 Firmen beworben hatten, darunter Unternehmen aus Deutschland, Österreich, Finnland und Irland. Mit anderen Worten: Die starke Konkurrenz hat den Preis gedrückt, so dass in diesem Beispiel die oft ziemlich verschwenderisch verbrauchten öffentlichen Gelder endlich einmal leistungsgerecht und daher sinnvoll ausgegeben wurden. Worauf bei dieser Ausschreibung noch ein besonderes Augenmerk gerichtet wurde, war die Bedingung, dass die in der Ausschreibung siegreiche Firma auch 70 Prozent der das Bauvorhaben umsetzenden Beschäftigten aus den eigenen Reihen stellen musste. Diese Klausel hat durchaus ihre Berechtigung, denn aufgrund der mit dem EU-Beitritt verbundenen Öffnung der Tschechischen Republik drängen nicht nur seriöse Anbieter auf den hiesigen Markt, wie der SPS-Generaldirektor zu berichten weiß:

"Selbstverständlich wollen und werden wir nicht dagegen kämpfen, dass ausländische Firmen unseren Markt betreten. Das wäre unsinnig. Und diese Firmen werden weiter auf unseren Markt drängen, denn es ist ein interessanter Markt mit einem großen Potenzial an Arbeiten. Bis zu einem gewissen Grad sorgt die wachsende Konkurrenz dann auch dafür, dass sich die Preise angleichen bzw. Aufträge billiger realisiert werden können. Wovor wir uns aber fürchten, ist die Tatsache, dass auch Firmen darunter sind, die nur zwei Techniker haben, dafür aber mit Dumpingpreisen aufwarten. Ein solcher Investor übernimmt einen ihm übertragenen Auftrag, denn er bedeutet für ihn eine Einsparung um jeden Preis, da er den Auftrag dann unseren tschechischen Firmen zu aus ihrer Sicht ungünstigeren Preisen anbietet. Das ist das, was wir befürchten und was wir auch ungern erleben möchten. Deshalb werden wir gegen solche Praktiken vorgehen oder sie aber überwachen."

Aus diesen und natürlich auch aus reinen Wettbewerbsgründen können die Vertreter des tschechischen Verbandes der Bauunternehmer dann auch nicht nachvollziehen, weshalb die nach der großen EU-Erweiterung im vergangenen Jahr eingetretene Regelung, dass die europäischen Märkte nur einseitig in Richtung Osten geöffnet sind und nicht auch umgekehrt, bis auf weiteres aufrecht erhalten bleiben soll. Miloslav Masek erklärt warum:

"Wir können uns nicht vorstellen, dass das tschechische Bauwesen nun in einem beträchtlichen Umfang nach außen expandieren wird. Unser Bauwesen hat einen nationalen Charakter, es gibt hier genug Arbeit und stets lässt es sich zu Hause besser arbeiten. Aber wir wollen ganz einfach erreichen, dass diejenigen Firmen, die ins Ausland wollen und dort bestehen, auch die Möglichkeit dazu haben."

Im vergangenen Jahr betrug das von tschechischen Unternehmen im Ausland bewältigte Bauvolumen rund 330 Milliarden Kronen (ca. 1,1 Milliarden Euro), was dem geringen Anteil von 1,5 Prozent an allen von hiesigen Baufirmen realisierten Projekten entspricht. Sollten sich die so genannten Binnen-Schutzmaßnahmen in den älteren EU-Ländern gegenüber den tschechischen Bauleuten eines Tages endlich lockern, dann würde dieser Anteil auf drei bis fünf Prozent ansteigen, sagte Masek. Keine Fremdtätigkeit also, die Angst und Sorgen verbreitet. Doch genau auf diesen destruktiven Erscheinungen ist die EU derzeit aufgebaut. Daher bedarf es noch viel Schweiß und Willen, bis Europa auch ein Hort für alle Europäer wird.