Tschechische Berufsschulen kämpfen ums Überleben

Die Schülerinnen und Schüler der tschechischen Grund- und Mittelschulen erhalten traditionell am letzten Junitag ihre Zeugnisse. Dann beginnen für sie die ersehnten Sommerferien. Nicht so aber für viele Lehrerinnen und Lehrer, vor allem aber für viele Schulleiter von technischen Fachmittelschulen und Berufsschulen. Diese Ausbildungseinrichtungen werden oft zur letzten Station der Auszubildenden, die vorher bei den Aufnahmeprüfungen zu anderen Schultypen nicht erfolgreich waren. Mittlerweile kämpfen viele dieser Schulen um ihre Existenz.

In Tschechien fehlen die Berufsschüler. Erste Ursache ist die demographische Entwicklung. Die Zahlen sagen es deutlich: In diesem Jahr haben in Tschechien rund 120.000 Kinder die Grundschule abgeschlossen. 2015 sollen es nur noch 90.000 sein. Weniger Schüler insgesamt bedeuten auch weniger Berufsschüler. Dazu gesellt sich noch ein weiteres Problem: Immer weniger Jugendliche und Eltern glauben an den sprichwörtlichen goldenen Boden des Handwerks. Ein Rezept, um das Handwerk wieder attraktiver zu machen, wird hierzulande noch gesucht.

Die Berufsschulen haben bereits eine ganze Reihe von Lehrgängen schließen und Lehrkräfte entlassen müssen. Maurer, Schlosser, Lackierer, Schornsteinfeger, Installateure aber auch Verkäufer zum Beispiel werden immer seltener. Das bedeutet aber auch ein Problem für viele Firmen, von den mittelgroßen bis hin zu Großunternehmen, und mit ihnen für die Wirtschaft als solche.

„Projektanten, Designer, Konstrukteure, Fachkräfte für numerische Maschinensteuerung …“ oder

„Facharbeiter für Walzwerke oder für Draht- und Rohrzieherei…“

Jan Světlík
Das sind nur einige wenige Beispiele der Fachberufe, die Jan Světlík, Generaldirektor des Stahlriesen Vítkovice Holding, und Zdeněk Juchelka, sein Kollege in den Eisen- und Drahtwerken Bohumín, für ihre Unternehmen händeringend suchen.

Die Ursachen der unerfreulichen Situation liegen weit zurück. Bald nach dem Wendejahr 1989 kam es nämlich zu der Trennung der Berufsschulen von ihren staatlichen Mutterunternehmen, die privatisiert werden sollten. Ohne diesen Schritt wäre die Privatisierung aber nicht möglich gewesen. Nun schlagen aber dieselben Unternehmen Alarm. Jetzt wäre es für viele Betriebe wieder günstig, eine eigene Berufsschule zu haben und über den Unterrichtsinhalt der Lehrgänge - je nach aktuellem Bedarf - selbst zu entscheiden. Seit Jahren wird darüber diskutiert, doch Früchte hat diese Diskussion über eine Reform des Berufsausbildungssystems bisher nicht gebracht. Der Generaldirektor der Vítkovice Steel Holding:

„Unser fachtechnisch orientiertes Schulwesen der mittleren Schulstufe ist in schlechter Verfassung. Wir erwarten ein Entgegenkommen der Regierung in der Frage der Privatisierung von Fach- und Berufsschulen. Interessierte Unternehmen müssten ihre Gelder in diese Schulen investieren können. Die technische Fachausbildung kostet nämlich wesentlich mehr als die im geisteswissenschaftlichen Bereich.“

Foto: www.trz.cz

Nach Světlíks Auffassung muss in kürzester Zeit die Modernisierung im Berufsschulsektor eingeleitet werden. Dabei sei seine direkte Verknüpfung mit den jeweiligen Unternehmen bitter nötig. Jiří Cienciala, Generaldirektor des Stahlunternehmens „Třinecké železárny-Moravia Steel“, verweist auf ein ausländisches Beispiel aus der Nähe:

„Schauen wir doch in die Slowakei. Die Stahl- und Eisenwerke in Podbrezová haben eine Berufsschule gekauft. Warum sollten wir dies im Rahmen unserer Bemühungen um eigene Arbeitskräfte nicht auch tun.“

Der Haken liegt jedoch in der tschechischen Legislative. Jaroslava Wenigerová ist Stellvertreterin des Hauptmanns im Mährisch-Schlesischen Kreis.

„Unsere Rechtsordnung kennt nur eine Möglichkeit: Das interessierte Unternehmen muss selbst eine private Berufsschule einrichten. Berufsschulen fallen nämlich in die Hoheit des Schulministeriums und der Kreise. Sie können also nicht ohne entsprechendes Gesetz privatisiert werden.“

Diese Möglichkeit halten aber die meisten Firmen zu aufwändig und zeitraubend. Und bei den Leitern der Berufsschulen herrscht zu dieser Frage keine Einigkeit.

Karel, Ondřej und Tonda sind angehende Schornsteinfeger:

„Es ist keine stressige Arbeit und auch nicht besonders anstrengend.“

„Die Arbeit macht mir Spaß. Außerdem ist es eine Familientradition: Nach meinem Großvater und meinem Vater habe ich den Staffelstab übernommen.“

„Man bleibt nicht ständig an einem Ort und kann sich in ganz Prag bewegen, dazu die schöne Aussichten, die Höhe und so.“

Vorgestellt haben sich die drei Berufsschüler in einer neuen Sendereihe des Tschechischen Rundfunks, der sich damit als Medien-Partner einem neuen Projekt des Prager Magistrats angeschlossen hat.

Unter dem Leitmotiv „Das Handwerk lebt“ hat die Stadt in Zusammenarbeit mit der Handelskammer eine umfassende Informationskampagne zur Förderung des Handwerks in die Wege geleitet. Die öffentliche Hand unterstützt sogar mit Stipendien und Prämien die Berufsschüler. Ziel ist, landesweit eine Wende in der Wahrnehmung der beruflichen Ausbildung herbeizuführen. Doch das reicht nicht. So fehlen weiterhin landesweit und branchenübergreifend rund 300.000 Handwerker und Facharbeiter und ihre Ausbildung ist immer noch nicht vereinheitlicht worden.

Vor einem Jahr schrieb die Zeitschrift „Respekt“: „Es bleibt nur wenig Zeit und das Wasser schwappt über. Der polnische Instalateur geht nach Europa und der tschechische flüchtet in den Objektschutz und Wachdienst. Wer kann sie ersetzen, wenn das Handwerk keinen goldenen Boden mehr hat?“