Tschechische Filmindustrie wieder obenauf – Steueranreize sollen Geschäft beleben

Die tschechische Filmindustrie hatte vor der Wende einen guten Ruf. Aber hat sie ihn noch immer? Wie ist es ihr eigentlich seitdem ergangen? Konnte sie den Sprung von der Plan- zur Marktwirtschaft erfolgreich vollziehen? Die Antwort ist eindeutig: Die tschechische Filmindustrie hat eine der besten Infrastrukturen in Europa.

„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, „Die Abenteuer des Pan Tau“ oder aber „Jakob der Lügner“ – die Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden, wenn wir über ältere tschechische oder ehemalige tschechoslowakische Filmproduktionen sprechen, die sich auch in ganz Deutschland oder Österreich einen Namen gemacht haben. Die meisten dieser Produktionen sind in den Filmstudios Barrandov in Prag entstanden. Nach der Wende aber hatten diese gut eingerichteten und professionell besetzten Filmstudios zunächst große Mühe, im neuen, von der Marktwirtschaft bestimmten Umfeld Fuß zu fassen. Die ehemaligen Strukturen waren weg gebrochen und der Staat ließ seine finanziellen Quellen ebenfalls versiegen. Doch heute, rund 18 Jahre später, gehört die tschechische Filmindustrie wieder zu den Topadressen in Europa. Wie sie den Weg aus der Misere fand, dazu sagte uns die Leiterin der Czech Film Commission, Ludmila Claussová:

„Die Situation ist so: Wir haben eine der besten Filminfrastrukturen in Europa, ja vielleicht sogar in der Welt. Diese Infrastruktur ist in den letzten 15 Jahren gewachsen, und das ohne eine einzige Krone vom Staat! Es waren alles Initiativen von privaten Filmproduzenten, die die ausländischen Produktionen hierher geholt und ihnen ihre Dienstleistungen angeboten haben. Vom Staat aber wurde das nie gefördert. Das ist schon einzigartig in der Welt, dass nur mit Hilfe des privaten Sektors solch eine gute Infrastruktur gewachsen ist. In anderen Ländern muss man erst einmal viel Geld hineinstecken, um so etwas aufzubauen. Hierzulande aber ist alles da.“

Pan Tau
Ihre neu gewachsene und gut ausgebaute Infrastruktur machte sich die tschechische Filmindustrie Ende der 90er Jahre und zu Beginn des laufenden Jahrzehnts immer mehr zu Nutze, um ausländische Filmemacher davon zu überzeugen, ihre Streifen nach Möglichkeit in Tschechien zu drehen. Seitdem kamen und kommen die Produzenten aus Hollywood in den Vereinigten Staaten, aus Frankreich, Großbritannien, Deutschland und aus anderen Ländern auch verstärkt nach Prag. Aber nicht nur wegen der tollen Filmkulissen in der Moldaustadt, betont Ludmila Claussová:

„Wenn die großen wie die kleinen Produktionen nach Tschechien kommen, dann kommen sie nicht nur wegen Prag und der tollen Filmkulissen in die Moldaustadt. Sie schätzen ebenso und vielmehr die entwickelte Filminfrastruktur sowie die Crews an professionellen Filmemachern, die wir hier haben. Sie kommen hierher, weil ihnen für ihr Geld ein wirklich ganz gutes Preis-Leistungs-Verhältnis geboten wird.“

Einen vorläufigen Höchststand erreichten die in Tschechien abgedrehten Filmproduktionen im Jahr 2003, als sie ein Jahresvolumen von über 15 Milliarden Kronen (ca. 600 Millionen Euro) erreichten. Die ausländischen Produktionen warfen rund zwei Drittel ab, wobei der Anteil der mit dem Filmdreh verknüpften Direkteinnahmen bei etwas über 5 Milliarden Kronen (ca. 200 Millionen Euro) lag. Der zweite Teil des Filmgeschäfts, die so genannten indirekten und abgeleiteten Einnahmen, kommt anderen Bereichen der tschechischen Wirtschaft zugute. An den großen Filmproduktionen partizipiert nicht zuletzt das Dienstleistungsgewerbe. Aber auch die Bekleidungsindustrie oder die Holz verarbeitende Industrie können sich über Aufträge nicht beklagen. Oder sollte man besser sagen: Konnten sich nicht beklagen. Denn seit einigen Jahren, beginnend mit dem Jahr 2004, ist die Auftragslage spürbar zurückgegangen, weil ausländische Filmproduktionen nun häufiger weiter östlich und südlich von Tschechien gemacht werden. Die Gründe nennt Ludmila Claussová:

Kino Světozor
„Die Situation hat sich sicherlich geändert in den letzten paar Jahren. Und zwar deshalb, weil immer mehr Länder um uns herum mit verschiedenen Instrumenten gekommen sind, wie man die Filmproduzenten in ihr Land locken könnte. Das schaffen sie durch so genannte tax incentives, also durch Steueranreize. Deshalb kommt es immer öfter dazu, dass Projekte zum Beispiel nach Ungarn gehen. Oder sie bleiben weit mehr als früher in ihrem Herkunftsland. Das ist besonders bei britischen oder deutschen Produktionen der Fall.“

Der Rückgang macht sich dann auch gleich in mehreren Bereichen spürbar: „Es ist spürbar, dass gerade jetzt wesentlich weniger Leute im Filmgeschäft arbeiten. Oder ein Hotelbesitzer sagte jüngst zu mir: ´Bring bitte endlich wieder einen großen Film nach Prag. Ich würde gern mein Hotel wieder einmal zu 20 Prozent ausgelastet haben, eben durch solch eine Filmproduktion´. Solch eine Auslastung hatte er zuletzt im vorigen Jahr.“

Die Situation sei jedoch nicht hoffnungslos, so Claussová, weil das Interesse am Filmland Tschechien durchaus weiter vorhanden sei: „Also es ist nicht so, dass Produzenten um Tschechien einen großen Bogen machen würden. Das ist wirklich nicht der Fall. Fast zu jedem Projekt, das von Amerika nach Europa kommt, wird von uns eine Kostenkalkulation erstellt. Am Ende wird jedoch zumeist entschieden, zur Realisierung des Projekts in ein billigeres Land zu gehen. Wenn wir aber bessere finanzielle Rahmenbedingungen hätten, dann würden die ausländischen Filmemacher viel lieber bei uns drehen als nach Ungarn oder Rumänien zu gehen.“

Nun müsse endlich auch der tschechische Staat helfen, so die Leiterin der 2004 gegründeten Czech Film Commission. Und zwar wenn möglich mit ebensolchen Investitionsanreizen, wie sie in jüngster Zeit in mehreren der jüngeren EU-Länder geboten werden. Das Ministerium für Industrie und Handel habe auch bereits reagiert und nach eingehender Analyse einen Vorschlag auf den Tisch gebracht, der Filmgesellschaften die Möglichkeit einräumt, 20 Prozent der gesamten Produktionskosten rückerstattet zu bekommen, wenn die vorherigen Ausgaben in tschechische Steuersubjekte geflossen sind. Mittlerweile sei man auch ganz guter Dinge, dass der Vorschlag schon bald Realität werden könnte:

„Der Vorschlag wurde dem Finanzministerium und dem Kulturministerium unterbreitet. Das Kulturministerium hat sich positiv dafür ausgesprochen, das Finanzministerium aber hat natürlich ein Problem damit. Denn der Vorschlag beinhaltet ja, Geld zu investieren bzw. steuerliche Einnahmen zu verlieren.“

Wichtig sei jetzt, so Claussová, den Ministerien gegenüber eine Studie zu erbringen, die nachweist, dass das vom Staat investierte Geld an ihn auch wieder zurückfließen werde. Zum Beispiel dank höherer Steuerabgaben durch Firmen, die am Filmgeschäft verdienen. Die Leiterin der Film Commission bleibt optimistisch:

„Es gibt schon Hoffnung, dass das passiert, und wir hoffen, dass das entsprechende Gesetz vielleicht schon in einem Jahr in Kraft treten könnte.“

Bis dahin aber muss Ludmila Claussová noch viel Aufklärungsarbeit leisten, besonders bei amerikanischen Produzenten:„Weil ich nicht damit wuchern kann, dass wir ähnliche tax incentives haben, muss ich halt nach wie vor damit werben, dass wir Topleistungen bieten, dass wir einmalige Drehorte und anderes mehr haben. Ich muss außerdem Aufklärungsarbeit darüber leisten, dass wir unsere Preise eben nicht angezogen haben. Denn gerade dagegen macht man in den USA derzeit immer wieder Stimmung. Aber das hängt damit zusammen, dass der Dollar zuletzt sehr schwach war, die Tschechische Krone dagegen stärker und stärker wird. In den Vereinigten Staaten hat man das Gefühl, wir würden ständig unsere Preise anziehen, seien arrogant und wollten einfach nur Geld aus amerikanischen Produktionen schlagen. Aber das ist überhaupt nicht der Fall.“

Man darf also sicher sein, dass die tschechische Filmindustrie auch in Zukunft gut aufgestellt ist, um attraktive Filmproduktionen an Land zu ziehen. Der hiesigen Wirtschaft bliebe damit ein weiteres Standbein erhalten.