Tschechische populäre Musik der Zwischenkriegszeit

Rudolf Antonin Dvorsky (links)

Am 8. Mai 1945 ist der - gemessen an der Zahl der Opfer - brutalste aller Kriege in der europäischen und der Weltgeschichte überhaupt zu Ende gegangen. Begonnen hat er nur knappe 30 Jahre nach dem 1. Weltkrieg, dessen Gräuel seinerzeit für unübertrefflich gehalten wurden. Der Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen war offenkundig zu kurz, um die Wunden verheilen zu lassen und sich zugleich gegen neue Gefahren stark zu machen, auf der anderen Seite aber lang genug, um das Erlebte, das Versäumte und nicht zuletzt auch das Erträumte in fast allen Bereichen der Kunst zu reflektieren. Eine breit gefächerte Genrepalette bot zum Beispiel die Musikbranche an. Eine kleine Kostprobe hat für unser heutiges Sonderprogramm Jitka Mladkova vorbereitet:

Rudolf Antonin Dvorsky - der Name dieses Komponisten, Musikverlegers, Kapellmeisters und nicht zuletzt auch Sängers, seit eh und je als R.A. Dvorsky eingebürgert, ist schon zu seinen Lebzeiten nicht nur hierzulande zum fixen Begriff geworden. Namentlich wenn die Rede von der Swingmusik ist.

In der Welt der Musik, genauer gesagt in Tanzsälen und Kabaretts, taucht Dvorsky nach dem 1. Weltkrieg auf. Er war aber keineswegs einer der sprichwörtlichen Kometen am musikalischen Himmel. Nach 1918, dem Gründungsjahr der Tschechoslowakei, gab in Prag jemand anders den Ton an. An erster Stelle Karel Hasler, der es gut verstand, die Nachkriegseuphorie für sich zu nutzen und das Gusto eines Massenpublikums mit seinen Musikproduktionen zu treffen.

Außer dem König der leichten Muse Karel Hasler setzte sich in Prag immer mehr auch der Jazz durch. Zu den am meist geschätzten Orchestern gehörte dabei das von Jaroslav Jezek, ebenfalls Dirigent, Komponist und virtuoser Klavierspieler in einer Person, dem bis heute das höchste Gütesiegel unter den Klangkörpern seiner Zeit zuerkannt wird.

Auch R.A. Dvorsky, der Prototyp eines Elegants, hat sich auch, aber nicht nur von der Jazzmusik angezogen gefühlt. Seine Inspirationen holte er sich vor allem aus dem Ausland, wo er sich öfter aufhielt, oder bei ausländischen Formationen, die in Prag auftraten. Im Unterschied zu Jezek, der vor allem mit dem Prager Befreiten Theater fest verbunden war, machte Dvorsky den Jazz mit seinen Arrangements etwas salonfähiger. Ähnlich ging er aber auch mit einem Musikgenre um, das eher als volkstümlich eingestuft wird, und zwar mit der Polka.

maßgeblichen Beitrag dazu leistet das neue Medium - der Rundfunk. Definitiv zu Ende ist die Zeit des Stummfilms, denn aus Amerika kommen nach Europa Tonfilme und mit ihnen auch neue Musik. Diese zieht vor allem junge Menschen in ihren Bann. 1926 gründet R.A. Dvorsky sein Quartett Melody Makers, das er ein paar Jahre später in Melody Boys umbenannt hat. Die Melody Boys verwandeln sich im Laufe der Zeit in eine erstklassige Bigband, mit der bald die Stars der tschechischen Swingmusik singen, unter ihnen auch Nummer Eins Inka Zemankova:

Zu der Sängerelite des Orchesters R.A. Dvorsky gehörten auch Arnost Kavka, oder die drei Damen Masa Horova, Vera Kocvarova und Jirina Salacova, die unter dem künstlerischen Namen "Allan-Sisters" auftraten. Den größten Erfolg feiert aber immer der Orchesterleiter selbst, wenn er ans Mikrophon tritt:

Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war für Dvorsky die schönste, produktivste und glücklichste. Er fährt oft ins Ausland, um das Neue in der Musik kennen zu lernen. Mit seinem Orchester gastiert er auch in westböhmischen Kurorten, erntet aber auch große Erfolge zum Beispiel auch in Dänemark. Dort sowie in Holland und Großbritannien erscheinen seine Kompositionen. 1936 gibt Dvorsky im eigenen Verlag das Gesamtwerk von Jaroslav Jezek heraus, daneben auch Kompositionen anderer herausragender Persönlichkeiten der tschechischen Jazz- und Tanzmusikszene. Wie am Fließband entstehen seine Schallplattenaufnahmen bei der Musikfirma Ultraphon, insgesamt etwa 2000 Titel auf Schellackplatten. Er komponiert und spielt mit seinem Orchester Filmmusik ein, singt und spielt in etwa 25 Filmen. Ein Datum eines seiner Konzerte blieb für viele unvergesslich: Am 2. Mai 1940 singt Dvorsky im Prager Lucerna-Saal in Begleitung seiner Big Band den Titel " Unser Tschechisches Lied" im Beisein des anwesenden, zu Tränen gerührten Autors und Rivalen, Karel Hasler, der ein Jahr später im KZ Mauthausen starb:

Im Jahr 1944 erkrankte Dvorsky an einer schweren Lungenentzündung. Ein Jahr später wurde sein Orchester aufgelöst. Nach dem Februar 1948 hörte auch sein Musikverlag auf zu existieren. Am 2. August 1966 ist R.A. Dvorsky gestorben. 1967 ist sein Titel "Ein Märchen von Maiglöckchen" zum Schlager des Jahres geworden.