Tschechische und deutsche Parlamentsmitarbeiter diskutieren an Europäischer Akademie Berlin über Verfassungsfragen

Europäische Akademie Berlin (Foto: www.eab-berlin.de)

Eines der kontroversesten Themenfelder im tschechisch-deutschen Verhältnis ist sicherlich die juristische Diskussion um die gemeinsame Nachkriegsgeschichte, aber auch generell die Interpretation verschiedener Verfassungsfragen, wie sie zuletzt in der Diskussion des EU-Konvents zum Ausdruck kam. Um hier zu einer Annäherung, aber vor allem erst einmal zu einem persönlichen Kennen lernen der verschiedenen Standpunkte beizutragen, hat die Europäische Akademie Berlin dieser Tage ein Treffen zwischen tschechischen und deutschen parlamentarischen Mitarbeitern organisiert. Mehr dazu in dem folgenden Gespräch, das Silja Schultheis mit dem Initiator des Treffens, Jaroslav Sonka geführt hat.

Jaroslav Sonka: "Mit meiner Idee wollte ich eigentlich eine Lücke schließen: Heute treffen sich Jugendliche und machen Parlamentsspiele, heute treffen sich Abgeordnete und debattieren miteinander. Aber diejenigen, die die Detailarbeit machen, die werden im Büro quasi im eigenen Saft gekocht und kennen sich nicht gegenseitig. Und ich dachte, dass man auf jeden Fall durch persönliche Besuche den Leuten immer das Milieu des anderen Landes näher bringen soll. Und da sich die deutsch-tschechischen Probleme gerade auf dem Feld der verfassungsrechtlichen Entwicklung bewegen - und das endet eigentlich auch bei den unterschiedlichen Auffassungen zum Konventsentwurf für eine europäische Verfassung - war es nahe liegend, solche Themen aufzuwerfen und eine kleine Gruppe von Fachleuten aus Prag nach Berlin einzuladen."

Silja Schultheis: "Was waren die konkreten Diskussionsschwerpunkte, die Verfassungsentwicklung nach 1945 ist ja ein sehr weites Feld?"

Jaroslav Sonka: "Es war eigentlich eher eine Grundlage für die vertiefte Diskussion, die dann von den Teilnehmern selbst ausging. Wir sind bis zu europäischen Institutionen wie dem Europarat gekommen. Wir haben die Rolle der dortigen Mitarbeiter bewertet, was es bedeutet, diese Kontakte zu haben und zu pflegen. Und zwischendurch haben wir sogar Frau Steinbach (die Vorsitzende des "Bundes der Vertriebenen", Anm. d. Red.) getroffen, was mich und die Teilnehmer auch auf eine Aktualität hingewiesen hat - auf die Entwicklung dessen, was man heute um das Zentrum gegen Vertreibungen debattiert."

Silja Schultheis: "Jetzt sind juristische und historische Diskussionen eine Sache, konkrete politische Schritte eine andere. Gerade heute berät die Regierung in Prag über eine eventuelle humanitäre Geste gegenüber Sudetendeutschen, die heute in Tschechien leben. Gab es in Ihren Diskussionen auch Andeutungen in diese Richtung, welche politischen Konsequenzen man eventuell daraus ziehen sollte?"

Jaroslav Sonka: "Unser Vorteil bestand darin, dass wir eine solche Aufgabe gar nicht hatten. Das heißt, wir konnten relativ locker über alle diese Geschichten sprechen. Wir haben uns aber aktuelle Beispiele geholt, die durchaus relevant sind. Ein gutes Beispiel bestand darin, dass wir uns in der belgischen Botschaft in Berlin die Verfassungsentwicklung Belgiens haben darstellen lassen. Da waren wir weit weg von den akuten Problemen, aber es war hochrelevant, denn da geht es auch um die Volksgruppen und darum, was nach dem Krieg mit den deutschsprachigen Belgiern passiert ist."

Silja Schultheis: "Was ist ihr Gesamteindruck bzw. ihr Fazit von der Veranstaltung. Man hat ja oft das Gefühl, dass die Standpunkte sehr konfrontativ sind, wenn es um die juristischen Fragen aus der deutsch-tschechischen Nachkriegsgeschichte geht?"

Jaroslav Sonka: "Das vielleicht Bedauerliche daran ist, dass das eine Generationsbedingte Haltung ist, und zwar sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite. Wir haben es hier mit jungen Fachleuten zu tun, und die haben die Vorbereitung dazu, diese Dinge anders anzupacken und anders zu lösen. Sie haben allerdings nicht die entsprechenden politischen Positionen dazu. Aber sie haben insofern Einfluss, als dass sie sehr vertiefte und sehr optimierte Analysen vorlegen können. Sie haben nicht die Leidenschaft und die Emotionen, wie sie manchmal in den Medien und in den Leserbriefen aufkommen. Das sind Leute, die eine konstruktive Zukunft aufbauen können, und das war eigentlich das Erfreuliche an dieser Begegnung."