Tschechischer Augenzeuge: Journalisten als menschlicher Schutzschild auf Gaza-„Hilfsflotte“
Der israelische Militäreinsatz gegen die von einem türkischen Schiff angeführte so genannte "Gaza-Hilfsflotte" ist heftig umstritten. Neun Tote und Dutzende Verletzte hatte der Einsatz gegen die Schiffe mit Hilfsgütern gefordert. UN-Generalsekretär Ban verlangte inzwischen eine Aufhebung der Gaza-Blockade; und auch die USA fordern eine unabhängige Untersuchung des Angriffs, der angeblich in internationalen Gewässern stattgefunden hatte. Der tschechische Senatsvorsitzende Sobotka – derzeit auf Israelbesuch – wertete die Hilfsflotte als „eine gezielte Provokation unter dem Deckmantel einer humanitären Aktion“. Linksgerichtete Parteien und Organisationen hingegen verurteilen das Vorgehen Israels. Radio Prag hat mit dem Kameramann des Tschechischen Fernsehens gesprochen, der sich auf einem der Schiffe befand und in Haft genommen wurde.
„Meine Information war, dass es sich um ein Boot handelt, auf dem wir sein werden. Und zwar mit Hilfe der Vereinten Nationen, also UN. Und dass auf diesem Boot auch europäische Politiker sein sollen. Für mich war das nichts Außergewöhnliches. Ich bin davon ausgegangen, dass das einfach ein UN-Boot sein wird und wir fahren ganz normal hinüber. Ich bin davon ausgegangen, dass die Israelis davon wissen und dass sie uns auch reinlassen. Erst dann im Laufe der Zeit, als ich dieses Chaos in der Organisation gesehen habe, war das alles merkwürdig. Und mehr und mehr kam bei mir der Eindruck auf, dass das eigentlich mehr eine palästinensische Aktion ist.“
Als Menschenketten geprobt wurden, um zu erschweren, dass israelische Soldaten das Schiff entern, war Jan Línek allmählich klar, dass man mit einem Angriff rechnet. Und so kam es dann auch. Er befand sich auf einem Schiff mit Journalisten, die aber – wie sich dann zeigte – häufig auch pro-palästinensische Aktivisten waren. Zwar wurde Jan Línek von den Israelis mit Farbpatronen beschossen, es gab auf seinem Boot Handgemenge und die Soldaten setzten Elektroschocker ein - Schwerverletzte gab es jedoch keine. Das Verhalten der Soldaten beschreibt Línek unter den gegebenen Umständen als korrekt. Von Toten auf den anderen Booten erfuhr Línek erst im Nachhinein. Schlecht behandelt wurde er – seinen Aussagen nach – hingegen als Gefangener der israelischen Behörden. Alle Gegenstände inklusive Kamera wurden ihm abgenommen. Nachts ließ man ihn und seine Mitgefangenen kaum schlafen und sie wurden als Terroristen beschimpft. Jan Línek wurde schließlich von einem Polizisten gezwungen, einen Antrag auf Abschiebung zu unterschreiben. Erst dann könne er mit der Botschaft telefonieren, bekäme seine Sachen wieder und könne nach Hause. Wenn nicht, bliebe er in Haft.„Dann habe ich mich entschlossen, dieses Papier zu unterschreiben. Er hat mich daraufhin ausgelacht - das Papier genommen und mich ausgelacht - und hat gesagt: Ok, es gebe kein Telefonat, ich würde mit niemandem von meiner Landesvertretung sprechen und ich würde jetzt weggefahren.“Es folgten für Jan Línek 24 Stunden Unsicherheit in Abschiebehaft ohne jegliche Informationen, was nun geschehen würde und ob die Weltöffentlichkeit überhaupt von den Ereignissen wisse. Wiederholte Hinweise, dass er Journalist sei und kein Aktivist hätten nichts geholfen. Erst nach langer Zeit habe ihm eine Botschaftsmitarbeiterin erklärt, er werde in der nächsten Stunde ausreisen.
Trotz schlechter Erfahrungen mit den Israelis - im Rückblick geht Jan Línek davon aus, dass es sich bei der „Hilfsflotte“ um eine pro-palästinensische Aktion gehandelt habe. Das Ziel sei nicht so sehr die Überbringung von Hilfsgütern gewesen, sondern eine Aufhebung der Gaza-Blockade zu beschleunigen.„Meine Einschätzung heute ist auch, dass man im Grunde diese Eskalation mit dem israelischen Militär herbeiführen wollte und deswegen auch so viele Journalisten dabei hatte, die man einerseits als menschlichen Schutzschild benutzt hat. Auf der anderen Seite wollte man erzwingen, dass die Israelis eventuell die Konvois durchfahren lassen müssen, weil die Augen der ganzen Welt auf sie gerichtet sind, beziehungsweise - sollte es zu Auseinandersetzungen kommen - dass das von der Weltpresse publiziert wird und dass man damit quasi die Israelis in ein – ich sage mal – schlechtes Licht rücken kann.“