Tschechischer Fußball im Umfragetief: Bei 57 Prozent der Bürger ist das Vertrauen weg

Die populärste Sportart der Welt ist sicherlich der Fußball. Er ist ein Phänomen, denn Fußball setzt Emotionen frei, er kann Menschen aller Altersgruppen und auf allen Kontinente begeistern, aber er kann auch wehtun. Denn dort, wo einige Unbelehrbare – Krawallmacher oder auch Hooligans – ihre überschüssige Energie in Zerstörungswut oder tätliche Angriffe münden lassen, hört der Spaß auf. In Deutschland ist das negative Verhalten einiger Gruppierungen von so genannten Fans gerade wieder Thema. Aber auch in Tschechien ist man bemüht, den Fußball noch salonfähiger zu machen.

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Im Auftrag des tschechischen Fußballverbandes (FAČR) hat das Meinungsforschungsinstitut STEM/Mark im September hierzulande eine Umfrage durchgeführt. Gefragt wurde, wie der tschechische Fußball in der Gesellschaft wahrgenommen wird. Spätestens nach den vorliegenden Ergebnissen weiß nun auch der Marketingpartner des Verbandes, die Agentur STES, dass es einiges zu tun gibt:

„Ich denke, dass der Fußball momentan an einem Scheideweg steht. Wir müssen entscheiden, wie es weitergehen soll, wie wir mit den Fans und unseren Partnern zusammenarbeiten wollen. Für die weitere Zukunft des Fußballs müssen wir wirklich größere Anstrengungen unternehmen“, sagte STES-Generaldirektor David Dušek am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Prag.

Schiedsrichter pfeift - rozhodčí píská
Das Nachdenken darüber ausgelöst hatten mehrere Zahlen und Einschätzungen, die die Umfrage zu Tage gefördert hat. Zum einen:

„Fußball und Eishockey sind in unserem Land die beiden stärksten Zugpferde wenn es darum geht, die tschechische Öffentlichkeit für den Sport zu gewinnen. Beide Sportarten ziehen Leute sowohl als aktive Sportler oder als begeisterte Zuschauer an“, schilderte der Soziologe Ivan Gabal.

In diesem Zusammenhang aber stießen zwei andere Zahlen auf wenig Begeisterung:

Ivan Gabal
„Regelmäßig, also mindestens einmal in der Woche, treiben in Tschechien 22 Prozent der Bevölkerung Sport. Das ist knapp ein Viertel. Früher aber haben über 40 Prozent der Bürger Sport getrieben. Wir können daraus folgern, dass ein einst aktiver Teil der heutigen Bevölkerung inzwischen aufgehört hat, Sport zu treiben“, ergänzte Gabal.

Der tschechische Fußballverband hat auf die nachgelassene sportliche Betätigung bereits reagiert und versucht nun durch mehrere Projekte im Nachwuchsfußball – darunter die Masopust-Fußballschule in Most / Brüx – Kindern und Jugendlichen wieder bessere Angebote für ihre Freizeitgestaltung oder auch eine spätere Perspektive zu machen. Dennoch hat gerade der Fußball in den zurückliegenden Jahren kein allzu positives Bild in der Gesellschaft abgegeben. Mehrere Skandale in Form von Betrugs- und Bestechungsaffären oder auch die wiederholten Ausschreitungen bei Fußballspielen, an denen zumeist die drei populärsten Clubs des Landes – Sparta Prag, Slavia Prag und Baník Ostrava – beteiligt sind, haben für nachhaltige Missstimmung gesorgt. Laut Umfrage erklärten 57 Prozent der Befragten, dass ihr Vertrauen in den tschechischen Fußball stark gesunken sei:

Rudolf Řepka
„Diese Prozentzahl ist sehr hoch. Ich muss sagen, dass ich davon sehr überrascht bin“, gab der Generalsekretär des Fußballverbandes, Rudolf Řepka zu.

Im Verband aber will man nun offensiv auf den Vertrauensschwund reagieren. Am kommenden Dienstag wird eigens deshalb eine Konferenz über die Wahrnehmung des Fußballs in der Gesellschaft stattfinden. Dann will sich der Verband unter anderem auch mit Fragen der Fanbetreuung auseinandersetzen, sagte Řepka:

„Zurzeit wird die Fanbetreuung in unseren Clubs noch nicht großgeschrieben, es gibt zum Beispiel noch keinen so genannten Fanbeauftragten. Die Uefa aber hat jetzt alle Clubs, die in den europäischen Wettbewerben spielen, darüber informiert, dass sie künftig einen solchen Fanbeauftragten in ihren Reihen haben müssen.“

Autor: Lothar Martin
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