Tschechisches Staatsdefizit höher als budgetiert

Das Staatsdefizit für das Jahr 2000 ist deutlich höher ausgefallen als die 35 Milliarden Kronen, die als Ziel angepeilt worden waren. Wegen Mindereinnahmen beträgt der Negativsaldo nach vorläufigen Angaben 46 Milliarden Kronen. Mehr dazu von Rudi Hermann im folgenden Beitrag.

Um rund 4500 Kronen, das ist rund ein Drittel eines durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommens, hat sich im Jahr 2000 jeder tschechische Bürger verschuldet. Ohne dies direkt selbst entschieden zu haben oder vielleicht sogar ohne überhaupt darum zu wissen. Denn 4481 Kronen ist die Summe des Haushaltsdefizits, die auf jeden einzelnen Bürger entfällt. Insgesamt handelt es sich um 46 Milliarden Kronen, budgetiert waren dabei allerdings nur 35 Milliarden. Weshalb ist es dem Staat nicht gelungen, den ohnehin schon respektablen Defizitrahmen nicht einzuhalten?

Aus dem Finanzministerium werden dafür namentlich Mindereinnahmen verantwortlich gemacht. Die hohen Benzinpreise im letzten Jahr hatten zur Folge, dass ein bedeutender Teil der Automobilisten aufs Bremspedal trat und den Wagen weniger benützte, und dies schlug sich in verminderten Staatseinkünften über die Konsumsteuern nieder. Auch die Verminderung des Mehrwertsteuersatzes für Hotel- und Restaurantdienstleistungen von 22 auf 5 % hatte niedrigere Staatseinnahmen zur Folge. Statt 598 Milliarden Kronen nahm der Staat so nur 586 Milliarden ein. Gegenüber dem budgetierten Ziel betrug der Fehlbetrag beispielsweise bei den Einnahmen über die Mehrwertsteuer gesamthaft 4 Milliarden oder bei den Konsumsteuern 8 Milliarden. Vergleichsweise klein sind gegenüber dem Budgetziel die Mindereinnahmen bei den Einkommenssteuern, die mit gut 2 Milliarden zu Buche schlagen.

Das Problem besteht nun darin, dass der Staat nicht in der Lage war, die Mindereinnahmen durch ein Anziehen der Ausgabenbremse zu kompensieren. Denn wie in letzter Zeit wiederholt festgestellt worden ist, besteht das Problem der tschechischen Haushaltspolitik vor allem darin, dass die vom Gesetz vorgeschriebenen Ausgaben, die den weitaus grössten Teil der Staatsausgaben ausmachen, nicht flexibel vermindert werden können. Obwohl der Staat gesamthaft nur gut 632 statt knapp 634 Milliarden ausgab und damit auf dieser Seite eine Einsparung von 1.5 Milliarden erzielte, reichte das nicht, um das Budgetziel zu erreichen. Die Leistungen im Sozialbereich, die erbracht werden müssen, fielen dabei eher noch etwas höher aus als budgetiert, so dass im Verwaltungs- und Investitionsbereich Abstriche gemacht werden mussten. Für Rentenzahlungen wendete der Staat 187 statt 183 Milliarden auf, für Sozialleistungen 31 statt 29 Milliarden, und nur bei der Sozialunterstützung konnte gegenüber den Vorgaben eine knappe Milliarde eingespart werden.

Kritiker werfen der sozialdemokratischen Regierung deshalb schon lange vor, dass sie zu wenig unternehme, um eine Reform der Sozialausgaben in die Wege zu leiten, die eine Epoche gesünderer Staatsfinanzen einläuten könnte. Für ein politisch so empfindliches Vorhaben wie eine Rentenreform fehlt allerdings der breite politische Wille in Tschechien, so dass der Staat auch in Zukunft rote Zahlen schreiben dürfte. Mittelfristig allerdings betrachten Finanzexperten das Anwachsen des Defizits der öffentlichen Finanzen als eine der grossen Gefahren für die tschechische Wirtschaftsentwicklung, auch im Hinblick auf den angestrebten Beitritt zur Europäischen Union.

Autor: Rudi Hermann
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