Überlastung: Größter Strom-Kollaps der letzten Jahrzehnte

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Vor wenigen Tagen hatte der stellvertretende Minister für Industrie und Handel noch beruhigt: Auch wenn die Kraftwerke derzeit auf Volllast laufen - sommerliche Stromausfälle, wie sie etwa in Amerika an der Tagesordnung sind, seinen in Tschechien nicht zu befürchten. Seit Dienstag stellt sich die Lage etwas anders da. Auch wenn die meisten Tschechen von dem größten Stromkollaps der letzten Jahrzehnte gar nichts mitbekommen haben. Thomas Kirschner berichtet.

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Der hohe Stromverbrauch bei der anhaltenden Sommerhitze hat am Dienstag das tschechische Leitungsnetz an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Am frühen Nachmittag musste der Leitungsbetreiber CEPS den Notstand ausrufen. Geschäftsführer Miroslav Vrba schildert den Hergang:

"Die Störung hat zunächst in der Überlastung einer Hochspannungsleitung in Mittelböhmen bestanden, die dann gezielt entlastet wurde, damit sie sich nicht automatisch abschaltet. Aber durch den hohen Verbrauch und auch durch das internationale Stromgeschäft wurden dann auch andere Leitungen überlastet und es hat sich ein Dominoeffekt entwickelt. Deshalb musste der Notstand ausgerufen werden, wir mussten Strom aus dem Ausland einführen und den Verbrauch beschränken."

Miroslav Vrba  (Foto: CTK)
Ursache der Komplikationen waren aber nicht Klimaanlagen und Eiswürfelbereiter, sondern vor allem der hohe Bedarf der Industrie. Die war dann auch Hauptleidtragender des Kollapses: Während die Stromversorgung für Privathaushalte, Verkehrsbetriebe und das Gesundheitswesen unverändert aufrechterhalten werden konnte, mussten zahlreiche große Industriebetriebe vertragsgemäß ihren Verbrauch deutlich reduzieren. Konkret hieß das nicht selten Produktionsstopp, so etwa bei dem Kunststoff verarbeitenden Betrieb Fatra im mährischen Napajedla. Dort sah sich Generaldirektor Petr Siles mit Unvorhersehbarem konfrontiert:

"So etwas gab es seit 30 Jahren nicht mehr. Auch wenn wir für solche Fälle natürlich Richtlinien haben, ist es klar, dass wir da einigermaßen unvorbereitet waren. Jetzt haben wir die Fertigung angehalten, und das bedeutet mindestens einen 24-stündigen Produktionsausfall. Dabei haben wir jetzt natürlich die ganze Schicht hier, danach kommt die Nachtschicht, und für die müssen wir natürlich Löhne zahlen."

Gegen 23 Uhr konnte die Stromversorgung wieder normalisiert werden. Während die meisten Tschechen daheim vom dem Kollaps kaum etwas mitbekommen haben, wird er sich in den Bilanzen der betroffenen Firmen negativ niederschlagen. Denn wenn der Notstand zu Recht ausgerufen worden sei, so stellte Industrie- und Handelsminister Milan Urban klar, dann gebe es für die Betriebe keinen Anspruch auf Schadensersatz.