Energiegemeinschaften in den Startlöchern: In Tschechien fehlt Gesetz zur lokalen Stromversorgung
Energie lokal herstellen und auch lokal verbrauchen – dies ist das Konzept sogenannter Energiegemeinschaften. Davon gibt es in vielen europäischen Ländern immer mehr. In Tschechien allerdings fehlt noch die entsprechende Gesetzesgrundlage.
Der tschechische Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) will mit seinen Ministern am Montagnachmittag über eine Preisobergrenze bei Strom verhandeln. Beziehen soll sich diese auf Privathaushalte, Schulen und Krankenhäuser. Mit dem Spätsommer und der beginnenden Heizsaison wächst der Druck auf die Regierung, die drohende finanzielle Belastung für die Bevölkerung einzudämmen.
Viele Gemeinden und auch Privatpersonen in Tschechien würden ihre Stromversorgung allerdings gern in die eigene Hand nehmen. Lokale Energiegemeinschaften sind in anderen Ländern bereits Erfolgsmodelle. Einer Studie der Samischen Hochschule in Norwegen zufolge gab es 2021 europaweit 7700 solcher Zusammenschlüsse, in die mehr als zwei Millionen Menschen involviert waren. Ähnliche Initiativen stünden auch hierzulande schon in den Startlöchern, berichtet David Blažek von der tschechischen Union für Energiegemeinschaften in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Solche Energiegemeinschaften gibt es in Tschechien bisher noch nicht, denn dazu fehlt die Gesetzgebung. Es laufen aber entsprechende Vorbereitungen. Schon heute ist klar, dass die wichtigen Akteure in Sachen kommunale Energieversorgung die Gemeinden oder lokale Aktionsgruppen sein werden. Letztere gibt es bereits in Form von Vereinen. Sogenannte Enercoms warten nur auf die Verabschiedung des Gesetzes, um ihre Aktivitäten aufnehmen zu können.“
Eine Energiegemeinschaft kann viele Formen haben. In ihr schließen sich etwa die Mieter eines Wohnhauses zusammen, oder sie wird auf Ebene intelligenter Stadtviertel, einer Gemeinde beziehungsweise in Zusammenarbeit mit Unternehmen gegründet. Alle Mitglieder finanzieren dann gemeinsam die Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen, häufig etwa durch Photovoltaikanlagen.
Dies könnte in Tschechien schon ab dem kommenden Jahr ebenfalls möglich sein, sagt Blažek:
„Im Moment wird an der Novelle des Energiegesetzes gearbeitet. Diese soll die eigentliche Bezeichnung einer Energiegemeinschaft verankern und die zugehörige EU-Richtlinie umsetzen. Wir gehen davon aus, dass das Ministerium für Industrie und Handel diese Novelle bis Ende September vorlegt. Falls sie im Parlament im Schnellverfahren durchgeht, kann sie am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Wird sie aber im normalen Modus verhandelt, kann sich dies auf den 1. Juli verschieben.“
Auf jeden Fall in Kraft tritt zum Jahresanfang aber die erneuerte Verordnung der hiesigen Energieregulierungsbehörde (ERÚ), die die Verteilung von lokal hergestelltem Strom erleichtert. Sobald der Gesetzgeber nachziehe, würden auch viele Stadtverwaltungen in Aktion treten, fährt Blažek fort:
„Dazu gehört zum Beispiel die Stadt Prag, in der es schon das Projekt der Prager Gemeinschaft für erneuerbare Energiequellen gibt. Diese plant, Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden, aber auch auf Mehr- und Einfamilienhäusern zu installieren. In Brünn arbeitet man zudem gerade an einem virtuellen Kraftwerk. Es soll auf dem gesamten Stadtgebiet Strom liefern, der ebenfalls aus Solarpanels auf öffentlichen Gebäuden stammt.“
Ein Vorteil von Energiegemeinschaften sei der viel günstigere Strompreis im Vergleich zum freien Markt, ergänzt Blažek. Damit werde auch der Energiearmut entgegengewirkt. In puncto Geld gebe es aber noch einen weiteren Aspekt, so der Experte:
„Das Gesetz ist nur der Grundstein. Eine andere Sache ist eine finanzielle Unterstützung der Energiegemeinschaften, denn sie müssen umfangreiche Investitionen tätigen. Entsprechende Förderprogramme zur Gründung und zu den Aktivitäten solcher Zusammenschlüsse werden ebenfalls schon vorbereitet.“
Angesichts der astronomisch hohen Marktpreise würde sich auch der Bau kostenintensiverer Photovoltaikanlagen schnell auszahlen, fügt Blažek noch an. Seinen Worten zufolge beträgt die Rückvergütung derzeit nur wenige Jahre.