Energie-Experten: Tschechien muss sich für Ausbau der Kohleförderung oder für Kernenergie entscheiden

Ob in der Wirtschaft oder im Haushalt: Überall, wohin man schaut, wird Elektrizität gebraucht. Und das nicht zu knapp. Da drängt sich die Frage auf: Werden wir den steigenden Energiebedarf auch in den kommenden Jahrzehnten abdecken können? Mit dieser Frage haben sich jüngst führende tschechische Energie-Experten bei den IX. Kruschowitzer Gesprächen auseinandergesetzt.

Foto: Archiv Radio Prag
Der tschechische Staat muss in allernächster Zeit wichtige Fragen zur Ausrichtung seiner künftigen Energiepolitik lösen. Die Kohlevorräte zur Bestückung der Heizkraftwerke gehen weiter zur Neige, der Preis für Elektroenergie nimmt ständig zu und die in der Europäischen Union beschlossenen Vorhaben verpflichten die Tschechische Republik dazu, ihren Anteil an erneuerbaren Energien bei der Erzeugung von Elektrizität zu steigern. Die Prager Regierung muss zum Beispiel entscheiden, ob sie das drohende Defizit bei der Gewinnung von Elektroenergie durch den Bau weiterer Atomkraftwerke abwenden will. Darauf einigten sich die Teilnehmer eines Diskussionsforums zur Zukunft der Energiepolitik in Tschechien und in der EU, das Ende April von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer in der Königlichen Brauerei Krusovice veranstaltet wurde.

Der Direktor der Sektion für Elektroenergie beim tschechischen Ministerium für Industrie und Handel, Ladislav Pazdera, wies in seinen Ausführungen auf ein Rohstoffproblem hin, das in nicht mehr allzu ferner Zeit hierzulande auftreten dürfte:

"Ab dem Jahr 2015 werden die Reserven unserer Braunkohle leider merklich abnehmen, und wie lange wir diesen dominanten Rohstoff noch nutzen können, wird davon abhängen, ob wir uns an die jetzige Beschränkung der Abbauflächen halten. Erschließen wir neue Flächen, dann steht uns Kohle bis etwa zum Jahr 2050 zur Verfügung. Falls nicht, dann nur bis 2030. Das ist eine relativ kurze Zeit, um Kohle durch neue, alternative Energiequellen zu ersetzen."

Diese alternativen Energiequellen werden immer notwendiger. Das wird deutlich, wenn man sich nur die prozentuale Zusammensetzung der Ressourcen ansieht, aus denen Tschechien heutzutage seine Elektroenergie erzeugt:

"Wir erzeugen gegenwärtig rund 60 Prozent unserer Elektroenergie aus der Kohle, zirka 34 Prozent aus atomaren Brennstäben und den Rest im Wesentlichen durch erneuerbare Energiequellen",

informierte Pazdera. Doch damit nicht genug. Auch der Energiebedarf der boomenden Wirtschaft in Tschechien nehme weiter zu, behauptete der Direktor der Abteilung EU-Agenda beim tschechischen Energiekonzern CEZ, Vladivoj Reznik:

"Wenn es in der Tschechischen Republik weiterhin so gut läuft wie zurzeit, dann gehen wir davon aus, dass der Energiebedarf im Jahr 2020 um rund 37 Terawattstunden steigt."

Um den wachsenden Energiebedarf bei gleichzeitigem Rückgang der fossilen Ressourcen zu begegnen, wird in den letzten Jahren immer häufiger von der Einführung und Nutzung der erneuerbaren Energien gesprochen. Zu diesen Energien gehören die Wasserkraft, die Wind- und die Sonnenenergie, sowie jene Energie, die man aus dem Verbrennen von Biomasse gewinnt. Vladivoj Reznik weiß allerdings, dass sich das Potenzial dieser Quellen in Tschechien in Grenzen hält:

"Die Windenergie hat aus Sicht der Europäischen Union ein ziemlich großes Potenzial. In der Tschechischen Republik ist dieses Potenzial allerdings weit geringer. Wir schätzen es auf 600 bis 1000 Megawatt."

Und zum Energieträger Biomasse sagte Reznik: "Die Biomasse wiederum ist ein sehr populäres Thema, denn alle sagen: Verbrennt Biomasse, und ihr werdet die Umwelt schonen. Wir aber stufen deren Potenzial als nicht allzu hoch ein. Wir sehen es als realistisch an, dass der Anteil der Biomasse an der Energiegewinnung rund sieben Terawattstunden im Jahr beträgt."

Beim ohnehin noch relativ bescheidenen Beitrag, den die erneuerbaren Energien bei der Erzeugung von Elektrizität in Tschechien leisten, haben Windkraft und Biomasse zurzeit noch einen verschwindend geringen Anteil, so Pazdera:

Nichtsdestotrotz will gerade der tschechische Energieriese CEZ die Hände nicht in den Schoß legen, sondern den Ausbau der erneuerbaren Energien fortsetzen, sagte Reznik:

"Wir beabsichtigen, im nächsten Jahrzehnt rund eine Milliarde Euro in neue Windkraftanlagen zu investieren. Wir nutzen die Biomasse in unseren Kohlekraftwerken, indem wir sie gemeinsam mit der Kohle verbrennen. Und wir lenken unser Augenmerk ebenso auf kleinere Anlagen zur Verbrennung der Biomasse."

Eine weitere Möglichkeit der Energiegewinnung, die Nutzung der Sonnenenergie, steckt bisher noch in den Kinderschuhen. Und zwar ganz einfach deshalb, weil die Erzeugung von Solarenergie immer noch mit zu hohen Kosten belastet wird, erklärte der Direktor der Tschechischen Energieagentur, Josef Bubnik:

"Eine Megawattstunde kostet 13.500 Kronen. Die Energiegewinnung aus geo-thermaler Energie ist die zweitteuerste Angelegenheit. Eine Megawattstunde, die daraus erzeugt wird, kostet 4000 Kronen. Darin erkennen Sie schon den großen Unterschied."

Und Bubnik ergänzt: "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Tschechische Republik die Grenze von 900 Stunden Sonnenschein im Jahr kaum überschreitet. Demgegenüber gibt es Länder, wo an 2500 bis 3000 Stunden im Jahr die Sonne scheint. Trotzdem unterstützt die Tschechische Republik den Bau von Photovoltaik-Kraftwerken."

Aus all den genannten Einschränkungen zieht Bubnik die Schlussfolgerung, dass man hierzulande vermutlich eines der gesetzten Ziele nicht erreichen kann:

"Die Tschechische Republik soll bis zum Jahr 2010 acht Prozent ihrer Elektrizität aus erneuerbaren Energien gewinnen. Auf diesem Forum war davon die Rede, dass diese Vorgabe möglicherweise nicht erfüllbar ist. Ich stimme dem zu."

Der in Tschechien erzeugte Energiemix wird also in naher Zukunft noch keine allzu große Unterstützung aus dem Pool der erneuerbaren Energien bekommen. Und sich von den Energielieferungen anderer Länder abhängig machen lassen will sich Tschechien auch nicht. Deshalb stellte CEZ-Abteilungsleiter Reznik am Ende seiner Ausführungen noch einmal die Grundsatzentscheidung in den Raum, die von der tschechischen Regierung alsbald getroffen werden muss:

"Wie ich bereits gesagt habe: Nach dem Jahr 2015 wird es für neue Kohlekraftwerke schon keine Kohle mehr geben. Es sei denn, man entscheidet sich für eine Ausweitung der Abbaugebiete. Sollte man das nicht tun, dann bleibt noch die Atomkraftvariante. Diese Variante ist jedoch eine sehr empfindliche Angelegenheit, sowohl in innen- als auch in außenpolitischer Hinsicht."