Kampf um Einspeisevergütung: Stromnetzbetreiber blockieren Zulassung von Solaranlagen
Die Solarenergie hat in Tschechien in den vergangenen zwei Jahren einen extremen Boom erlebt. Doch nun hat die Branche einen harten Schlag erhalten. Die großen Stromnetzbetreiber haben seit Anfang Februar jegliche Anbindung von neuen Solaranlagen oder Windkraftwerken gestoppt.
„Falls dieser Umfang an Solarenergie tatsächlich ans Netz geht, dann bedroht dies den Betrieb des Stromnetzes in der Tschechischen Republik“, so eine Sprecherin von ČEPS Anfang Februar.
Das Argument: Die Einspeisung von Strom aus Sonne und Wind sei starken Schwankungen unterworfen. Die Netzaufsicht empfahl daher den drei tschechischen Netzbetreibern, keine Anbindung weiterer Quellen alternativer Energie mehr zu genehmigen. Umweltorganisationen zeigten sich entsetzt über diese Empfehlung:
„CEPS hat genauso wie wir anderen bereits vor sieben Jahren gewusst, in welchem Tempo die Zahl von Solaranlagen und Windkraftanlagen hier in Tschechien zunehmen wird. Es hätte das Netz schon längst darauf vorbereiten können wie die Kollegen in Deutschland, Dänemark, Spanien oder in anderen Ländern“, sagte Fachmann Vojtěch Kotecký vom Umwelverband Hnutí Duha (Bewegung Regenbogen).
Doch so einfach ist die Sache auch wieder nicht. Denn ebenso problematisch wie ein mögliches Versäumnis der staatlichen Aufsicht ist auch das Gesetz über die Einspeisevergütung von Ökostrom. Das tschechische Parlament will schon demnächst dort nachbessern. Der Anbindungsstopp für Solar- und Windkraftanlagen bleibt indes erst einmal bestehen – vielleicht sogar bis zum Ende des Jahres. Dabei werden aber alle über einen Kamm geschoren: der Großinvestor in Solarenergie und der kleine Häuselbauer, der einfach nur ein Solarpanel auf seinem Dach haben möchte. Marie Funke ist Geschäftsführerin der Firma Domov Gold Power, die Solarpanele für den Privatkunden installiert. Sie kennt die Sachlage nur zu genau. Dazu folgendes Interview mit ihr.
Frau Funke, die Solarenergie hat in den letzten ein, zwei Jahren hier in der Tschechischen Republik einen unglaublichen Boom erlebt. Grund dafür sind unter anderem die Preisgarantien für das Einspeisen von Ökostrom. Nun macht sich die Netzaufsichtsbehörde ČEPS Sorgen um die Sicherheit des Stromnetzes. Wie schätzen Sie von Ihrer Warte aus die Einspeisevergütung hier in Tschechien ein: Liegt sie zu hoch oder liegt das Problem anderswo?
„Bei der Einspeisevergütung muss man unterscheiden: Zum einen gibt es Privatbesitzer oder Privatunternehmer, die auf das Dach des eigenen Haus ein paar Sonnenkollektoren platzieren. Zum anderen stellen Großinvestoren Solarparks mit mehreren Megawatt Leistung irgendwo auf die grüne Wiese. Interessant ist hier der Vergleich zu Deutschland. Bei der Einspeisevergütung für einen Privatinvestor sind die Preise fast gleich, aber ein riesengroßer Unterschied besteht bei den Preisen für Großinvestoren. Die waren hier in der Tschechischen Republik seit 2008 bevorzugt. In Deutschland gibt es fünf Preisstufen, der Unterschied zwischen einem Herrn Meier, der eine Fotovoltaik-Anlage auf seinem Dach baut, und dem Preis für einen Großinvestoren betragen bis zu 40 Prozent. In der Tschechischen Republik beträgt seit drei Jahren dieser Unterschied nicht einmal ein Prozent. Deswegen war klar, dass Investoren von überall aus der Welt - nicht nur aus Deutschland, sondern auch zum Beispiel aus China – nach Tschechien gekommen sind und sich gleich am Anfang die Kapazitäten reserviert haben und sehr rasch auch mit dem Bau begonnen haben. Und plötzlich ist das Netz überlastet. Das ist die Folge davon, dass es hierzulande null Regulierung gab.“
Wie groß sind den der Anteil der Privathaushalte an dem Solarboom und der Anteil großer Firmen, die ganze Solarparks errichten?„Insgesamt sind bis zum heutigen Tag Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 470 Megawatt installiert worden. Davon befinden sich drei Prozent auf den Dächern, der Rest sind die Solarparks auf den Wiesen und Feldern. Konkrete Zahlen hat nicht einmal die Energieregulierungsbehörde zur Verfügung, meiner Schätzung nach fallen aber nur ein Prozent des Gesamtleistung auf die Privatinvestoren ab, die sich die Kollektoren aufs Haus gebaut haben, um ein bisschen die Stromkosten zu reduzieren.“
Sofort nach der Empfehlung von ČEPS hat der Energieriese und Netzbetreiber ČEZ angekündigt, keine alternativen Energieanlagen mehr ans Netz zu lassen. Was ist Ihre Erfahrung der letzten Wochen?
„Leider haben sich nicht nur ČEZ der Aufforderung von ČEPS angeschlossen, sondern auch E.on und sogar die Prager Energiewerke, bei denen aber sicher nicht von einer Netzbelastung durch Fotovoltaik oder Windkraftwerke geredet werden kann. Unsere Kunden erhalten deswegen seit Anfang Februar nur noch ablehnende Bescheide.“
Wie wichtig ist überhaupt für einen Privatier, dass er auch ins Netz einspeisen kann?
„Das ist für ihn eine entscheidende Frage, weil die Anfangsinvestition ziemlich hoch ist. Hier muss ich auch noch einmal auf die Bedingungen in Deutschland kommen. Dort sind auch die Formalitäten für den Privatmann bei der Anmeldung der Anlage ziemlich einfach. Bei bis zu 30kWp (Kilowatt peak = Spitzenleistung in Kilowatt, Anm. d. Red.) muss man eigentlich gar keinen Antrag stellen. Hier in Tschechien muss der kleine Investor fast dieselben Formalitäten erledigen wie der Besitzer eines Solarparks. Wenn dann ein privater Antragssteller einen negativen Bescheid von ČEZ, E.on oder den Prager Energiewerken erhält, dann bedeutet das für ihn das Ende seines Projektes - und er kann nichts dagegen machen.“
Was heißt das für die gesamte Branche?„Auch da muss man wieder zwischen Großinvestor und dem Privatier unterscheiden. Genauso gibt es unterschiedliche Firmen, die sich auf Großinvestoren oder auf Haushalte spezialisiert haben. Für die ersten bedeutet die Blockade der Netzbetreiber nicht viel, weil schon vor einem Jahr bekannt war, dass 2010 das letzte Jahr der noch hohen Einspeisevergütung ist. Deswegen wurden die größten Aufträge wohl schon abgeschlossen und erhielten positive Bescheide für den Anschluss ans Netz. Für die großen Firmen ist es meiner Meinung nach also kein großer Schlag, ihre Geschäfte dürften bereits gesichert sein. Aber für die Firmen, die sich um die Haushalte kümmern, könnte jetzt Schluss sein.“
Das heißt ganz konkret für Ihre Firma, die sich ja auf die Privatiers spezialisiert hat?
„Wir haben natürlich bestimmte Aufträge schon vertraglich gesichert – im Vorjahr und zu Beginn dieses Jahres. Sollte es jetzt aber nicht zu einer festen und strengen Regulierung zugunsten der Haushalte kommen, dann müssten wir die Firma zumachen. Das ist die einfache Antwort.“