Deutsche Windenergie überlastet tschechisches Stromnetz

Die Tschechen fürchten durch die extreme Belastung ihres Stromnetzes einen Blackout im Land. Schuld daran seien die deutschen Windkraftwerke, die viel Strom produzieren, und die deutschen Leitungen, die darauf noch nicht vorbereitet seien. Da der Windstrom von den Produktionsstandorten an der deutschen Küste in den Süden muss, werden auch die tschechischen Stromnetze zum Transit genutzt. Dadurch aber gerät das heimische Netz in Schwierigkeiten.

Foto: Europäische Kommission
Ende November 2011 stand das tschechische Stromnetz kurz vor dem Kollaps. Der Grund dafür war starker Wind, der in den Windparks im deutschen Norden viel Energie produziert hatte und nach Bayern transferiert wurde. Dabei wurde die Grenze von 3500 Megawatt erreicht. Pavel Šolc vom tschechischen Stromnetzbetreiber ČEPS:

„Die elektrische Leistung von 3500 Megawatt ist der derzeitige Grenzwert für Transitstrom, den unsere Leitungen ohne Risiko eines Blackouts durchleiten können.“

Pavel Šolc  (Foto: Archiv der Energetika Malenovice,  AG)
Der tschechische Netzbetreiber überlegt nun, so genannte Phasenschieber an der Grenze zu installieren, um den Stromfluss zu regulieren. Diese Transformatoren würden fast 80 Millionen Euro kosten. Pavel Šolc erklärt, was es damit auf sich hat:

„Die Transformatoren helfen nicht, die aktuelle Situation zu lösen, weil der Bau und die Inbetriebnahme mehrere Jahre dauern würden. Die schnellste Lösung des Problems ist die internationale Zusammenarbeit. Das bedeutet, dass an der Lösung der Probleme die Urheber beteiligt werden, insbesondere die deutschen Netzbetreiber. Sie sind in der Lage, den Grund für die hohen Belastungen abzustellen, und das sind die deutschen Windkraftwerke.“

Foto: Europäische Kommission
Dies gestaltet sich aber nicht so einfach. Die deutschen Betreiber sind nach nationalem Recht nur verpflichtet, die Produktion zu drosseln, wenn das deutsche Netz in Gefahr ist.

„Aber derzeit ist unser Netz bedroht, und in dem Fall geben uns die internationalen Regelungen momentan noch keine Möglichkeiten, die jeweiligen Firmen in die Verantwortung zu nehmen“,

so Pavel Šolc von ČEPS. Auch finanzielle Kompensationen, also Durchleitungsgebühren oder Entschädigungen für einen forcierten Netzausbau, sind im europäischen Recht nicht vorgesehen. Šolc erklärt, wo das Problem liegt:

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
„Dem gegenwärtigen Liberalisierungsprozess des Energiemarktes liegt die These zugrunde, dass jeglicher Stromtransport in der Europäischen Union kostenlos sein muss. Das wurde in der europäischen Gesetzgebung so festgelegt. Einer Gesetzgebung, die eine schnelle Entwicklung des Marktes und die marktwirtschaftliche Konkurrenz fördern sollte. Das Maß der dadurch transferierten Energie geht aber über die Kapazitäten des existierenden Netzes hinaus.“

Premier Nečas äußerte sich ablehnend zu einem forcierten Ausbau des tschechischen Stromnetzes auf nationale Kosten. Andere konkrete Lösungsvorschläge äußerte er allerdings noch nicht.