Überwiegend atheistische Tschechen lieben Osterbräuche jeder Art
Erneut ist Ostern. Vor allem Fernsehen und Rundfunk halten seit etwa einer Woche fleißig die Nation auf dem Laufenden, welcher Voroster- beziehungsweise Ostertag laut katholischem Kalender gerade angebrochen ist. Mehr im heutigen Feuilleton:
Aschermittwoch, Gründonnerstag, Karfreitag und so weiter. In den kurz gefassten Berichten mit Informationen über die jeweiligen Bräuche entsteht ein merkwürdiges Bild dieses höchsten Festes im Kirchenjahr: eine Verschmelzung religiöser Motive christlicher Herkunft mit den vorchristlichen, also heidnischen.
Tschechien ist bestimmt nicht das einzige der europäischen Länder, in dem sich das Osterfest mehr oder weniger als neuzeitliches, weltlich-religiöses Phänomen etabliert hat. Dass aber die Religiosität der Tschechen im Lauf der Geschichte wesentlich mehr nachgelassen hat als anderswo, ist allgemein bekannt. Obwohl die tschechische Gesellschaft also stark säkularisiert ist, bestätigen Analysen von Meinungsforschungsinstituten eindeutig, dass das Osterfest sehr beliebt ist. Die jüngsten Umfragen haben erneut ergeben, dass jeweils acht von zehn Haushalten davon überzeugt sind, traditionelle Osterbräuche zu pflegen – aktiv oder passiv. Woher sie kommen, scheint sie aber nicht allzu sehr zu beschäftigen. Und so wurden auch dieses Jahr hierzulande Ostereier gefärbt oder fertig gekauft, ebenso wie geflochtene Weidenruten, Biskuitlämmchen oder Osterhasen in jeglicher Form. Das Osterfest hat aber für viele auch den Wert eines verlängerten Wochenendes. Den Kofferraum voll gefüllt mit Proviant oder einfach nur mit einem Rucksack per Zug oder Rad sind sie auch diesmal in Richtung ihrer Datschen aufgebrochen. Auch das ist ein Brauch, er entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Heutzutage stellt er sich - wie vor der Wende 1989 - als beliebte Massenflucht vor der heutigen Realität dar. Umso mehr noch, da ja jetzt eine Parlamentswahl ins Haus steht. Der Brauch ist also ein Akt der Politikverdrossenheit - wie schließlich auch die jüngsten Meinungsumfragen bestätigen.