Umfrage: Vertrauen der Tschechen in EU auf Tiefpunkt gesunken

Foto: Barbora Kmentová

Das Vertrauen in ein gemeinsames Europa nach dem Muster der EU schwindet zusehends. Auch in Tschechien. Einer jüngsten Umfrage zufolge haben nur noch 29 Prozent der Menschen hierzulande Vertrauen in die EU und sogar nur 24 Prozent in das Europäische Parlament. Das seien historische Tiefstwerte, konstatiert das Meinungsforschungsinstitut Stem, das die Umfrage durchgeführt hat.

Foto: Barbora Kmentová
Den Ergebnissen der Stem-Umfrage zufolge befürworten gegenwärtig drei Fünftel der Tschechen einen EU-Austritt ihres Landes. Nur rund 40 Prozent unterstützen wiederum den Verbleib im Staatenbündnis. Das ist ein herber Vertrauensschwund gegenüber dem Jahr 2003. Damals stimmten im nationalen Referendum zum EU-Beitritt des Landes noch 77 Prozent der Bürger für die Mitgliedschaft. Und auch nach dem Beitritt im Mai 2004 seien die Hoffnungen in die Union noch ziemlich groß gewesen, bestätigt der Direktor des Instituts für europäische Politik (Europeum), Vladimír Bartovic:

„Wenn man die ersten fünf Jahre nach dem EU-Beitritt Tschechiens betrachtet, bleibt festzuhalten: Unsere Bürger waren begeistert und haben eine größere Integration in Europa befürwortet. Und die Teilnahme an den Europa-Wahlen war auch weitaus größer als heute.“

Vladimír Bartovic  (Foto: ČT24)
Das aber habe sich nach der EU-Ratspräsidentschaft der Tschechischen Republik im ersten Halbjahr 2009, als noch 60 Prozent der Tschechen an das Bündnis glaubten, schlagartig geändert. Zu den Gründen sagt Bartovic:

„Im Jahr 2009 zeigte sich, dass die gerade ausgebrochene Krise nicht nur eine Finanz-, Wirtschafts- oder Schuldenkrise war, sondern auch eine Vertrauenskrise. Die Menschen begannen daran zu zweifeln, dass die Europäische Union dazu fähig ist, die Probleme zu lösen. Seit dieser Zeit ist die EU dann auch von einer Verlegenheit in die nächste getaumelt.“

Foto: artur84,  FreeDigitalPhotos.net
Die EU als solche sei aber nicht allein für den Vertrauensverlust verantwortlich. Er beruhe vielmehr auf zwei Hauptgründen, erklärt Bartovic:

„Der Fehler liegt zum einen bei den europäischen Institutionen, die möglicherweise mehrere Jahrzehnte lang zufrieden waren mit der fortschreitenden Integration und ihren immer größeren Kompetenzen. Auf der anderen Seite aber liegt es an der Verantwortlichkeit der jeweiligen Staatspolitiker, wie beispielsweise dem tschechischen oder britischen Premier, dass sie es nicht verstanden haben, ihren Bürgern zu erklären, für was die Union steht, was die EU bewirken kann und was nicht.“

Flüchtlingskrise  (Foto: CAFOD,  CC BY-NC-ND 2.0)
Und gerade zu den Fragen der jüngsten Krise, der Flüchtlingskrise, hätten die europäischen Politiker noch so gut wie keine befriedigenden Antworten gegeben. Das habe den Vertrauensschwund noch weiter verstärkt, so Bartovic. Eine andere Frage sei jedoch, was Umfragen tatsächlich aussagen. Dafür müsse man oft schon etwas genauer hinschauen, bedeutet der Institutsdirektor:

„Es kommt bei den Umfragen auch immer darauf an, nach was konkret gefragt wird. Da sagt zum Beispiel eine Mehrheit der tschechischen Bürger, dass sie bei einem erneuten Referendum nicht mehr für den EU-Beitritt des Landes stimmen würde. Auf der anderen Seite gibt es eine Umfrage des Europäischen Statistikamtes, das Eurobarometer, nach der eine Mehrheit der Tschechen bekundet, sie glaube nicht, dass es ihrem Land besser gehen würde, wenn es kein EU-Mitglied wäre. Das zeigt also, dass es oft auch daran liegt, wie eine Frage gestellt wird. Die Beibehaltung des Status quo ist dabei stets die leichtere Wahl. Und darauf wird auch bei der bevorstehenden Volksabstimmung in Großbritannien gesetzt.“

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Doch gerade das Referendum der Briten über den Verbleib ihres Landes in der EU dürfte zeigen, ob die Union noch eine Chance zur Runderneuerung hat oder ihr Zerfall immer wahrscheinlicher wird. Denn sollten die Briten für den Austritt stimmen, könnte das eine Kettenreaktion in anderen Ländern auslösen, so wird befürchtet.