Unregelmäßigkeiten gefährden Förderung der Projekte des ROP Severozápad

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Die Tschechische Republik hat in Brüssel sehr viel Kredit verspielt. Grund dafür ist die Misswirtschaft mit EU-Geldern, die in Tschechien offensichtlich größere Ausmaße hat, als bisher angenommen. Dass dies nun in den Fokus geraten ist, hängt auch mit dem Fall des ehemaligen Kreishauptmanns von Mittelböhmen und Abgeordneten David Rath zusammen. Er sitzt wegen Korruptionsverdachts im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Abzweigung von EU-Subventionen in Untersuchungshaft. Nun stehen auch mehrere EU-geförderte Projekte in Nordwestböhmen auf dem Prüfstand. Hier soll es ebenso zu erheblichen Unregelmäßigkeiten gekommen sein.

Foto: Štěpánka Budková
Am Montag trafen Beamte der EU in Ústí nad Labem / Aussig ein, um mehrere Verkehrs- und Infrastrukturprojekte im Nordwesten des Landes auf die rechtmäßige Auftragsvergabe und zweckgebundene Nutzung der bewilligten EU-Mittel zu überprüfen. Zuvor hatten Experten im Auftrag des Prager Finanzministeriums eine Überteuerung von regionalen Straßenbauprojekten um bis zu 25,4 Prozent bemängelt. Unabhängig voneinander kontrollieren die Beamten der Europäischen Kommission und der Prager Ministerien für Finanzen und Regionalentwicklung in dieser Woche mindestens zehn von insgesamt 35 Projekten, die im Rahmen des Regionalen Operationsprogramms (ROP) Severozápad (Nordwest) gefördert werden. Die verstärkte Kontrolltätigkeit ins Rollen gebracht hat vermutlich der ehemalige Angestellte der Subventionsbehörde in Ústí nad Labem Leo Steiner. Er sprach Ende Mai davon, dass ein großer Teil der EU-Gelder in Firmen fließe, die von führenden Regionalpolitikern begünstigt würden. Die Erkenntnisse aus seiner fast dreimonatigen Arbeit für das Regionale Operationsprogramm hat Steiner jüngst an die beiden genannten Prager Ministerien weitergeleitet. Vor Journalisten rechnete Steiner dann auch vor, was für finanzielle Konsequenzen das Fehlverhalten im Umgang mit den Fördermitteln haben könnte:

Leo Steiner
„Wenn ich durch die rosarote Brille schaue, gehe ich davon aus, dass sich die Subventionskürzungen im Bereich von ein paar hundert Millionen Kronen bewegen werden. Wenn ich die Sache realistisch betrachte, dann muss man mit mehr als einer Milliarde Kronen rechnen. Wenn ich aber den katastrophalsten Fall zugrunde lege, der meiner Meinung nach aber nicht eintreffen wird, sofern man handelt, dann würde die Förderung für das gesamte Programm verloren gehen, und das sind 19 Milliarden Kronen.“

Die Erkenntnisse des ehemaligen Managers für das Operationsprogramm Severozápad, Leo Steiner, haben letztlich auch dazu geführt, dass die beiden Prager Ministerien am Montag die Reißleine gezogen haben:



Kamil Jankovský  (Foto: ČTK)
„Das Problem im Nordwesten besteht schon längere Zeit. Zurzeit führt das Finanzministerium dort eingehende Kontrollen durch, zudem führt jetzt im Juni auch die Europäische Kommission eine umfangreiche Überprüfung durch. Und die Beschuldigungen, die vom ehemaligen Manager Steiner vorgebracht wurden, nähren die Zweifel, ob in dieser Angelegenheit der Fehler nicht im System liegt. Das hat uns dazu veranlasst, das gesamte Programm für einige Zeit zu stoppen“, erklärte der Minister für Regionalentwicklung, Kamil Jankovský.

Ondřej Jakob  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Der Minister räumte zudem ein, dass die EU-Kommission die Vergabepraxis in Tschechien seit mehr als einem halben Jahr kritisiere. Brüssel habe Zweifel an der Unabhängigkeit der Buchprüfer, der Rechtmäßigkeit der Auftragsvergabe und der Qualifikation der Verwaltungsangestellten angemeldet, sagte Jankovský in Prag. Seiner Meinung nach werde Brüssel die avisierten Subventionen aus den europäischen Fonds frühestens September auszahlen. Und höchstwahrscheinlich auch nicht in vollem Umfang, da bei nachgewiesenen Vergehen gegen die Förderungsauflagen mit Kürzungen zu rechnen ist. Dazu sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Ondřej Jakob:

Jana Jaburková
„Gegenwärtig ist nicht klar, zu welchen Korrekturen es kommen könnte. Daher möchte ich über jedwede Zahlen nicht spekulieren.“

Die Sprecherin des Ministeriums für Regionalentwicklung, Jana Jaburková, wiederum machte Angaben zum zeitlichen Ablauf der Kontrollen:

„Die Änderungen zum Programm werden bis Ende Juni ausgearbeitet sein. Danach werden sie von der Europäischen Kommission kontrolliert und wir gehen davon aus, dass wir im Verlauf des Sommers wieder den Antrag auf Auszahlung der EU-Fördermittel stellen können.“

Damit sind die Kontrollen aber längst noch nicht beendet. Schon im Juli kommen die Beamten der EU erneut nach Prag, um weitere Umwelt- und Verkehrsprojekte zu überprüfen, informierte das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen. Erst danach wird sich zeigen, wie hoch die Subventionen aus den EU-Fonds in der Förderperiode von 2007 bis 2013 tatsächlich sein werden. Für diese Periode hat Brüssel Fördermittel in Höhe von etwas über 30 Milliarden Euro bewilligt, ausgezahlt aber wurden bisher lediglich Subventionen in Höhe von zirka 5,3 Milliarden Euro. Und sollte die Europäische Union mit den Ergebnissen der jetzt verlaufenden Kontrollen nicht zufrieden sein, ist zu befürchten, dass die Geldauszahlung weiterhin verzögert oder gar völlig eingestellt wird. Das hätte zur Folge, dass das Defizit im tschechischen Staatshaushalt erheblich ansteigen würde, wenn auf die Projekte nicht gänzlich verzichtet werden soll. Auch aus diesem Grund haben die Ministerien für Finanzen und Regionalentwicklung ihre Zuschüsse für das ROP Severozápad erst einmal eingestellt. Welche Auswirkungen dies hat, erklärte die Direktorin des Nationalen Fonds beim Finanzministerium, Veronika Ondráčková:

Veronika Ondráčková
„Eine Einstellung der Vorfinanzierung bedeutet, dass aus dem Budget des Regionalministeriums vorübergehend keine finanziellen Mittel an die Region überwiesen werden. Der Prozess der Fördermittel-Auszahlung verläuft dabei stets so, dass die Subventionsbehörde in Ústí nad Labem die vom Ministerium erhaltenen Gelder an die einzelnen Adressaten der Projekte weiterleitet. Gegenwärtig kann diese Behörde also die Auszahlungen an die Projektempfänger weiter fortführen, allerdings nur mit den Mitteln, die ihr gegenwärtig noch zur Verfügung stehen. Diese Mittel werden vorerst nicht aufgefüllt.“



Foto: ČTK
Die Kreise Ústí nad Labem und Karlovy Vary / Karlsbad, für die die Gelder aus dem Operationsprogramm Nordwest und die EU-Fördermittel veranschlagt wurden, müssen jetzt also kräftig nachbessern. Ansonsten könnte es passieren, dass sie ihre Projekte nicht vollenden können beziehungsweise für bereits fertig gestellte Bauten hohen Strafen zahlen müssen. Die derzeit höchste Geldbuße droht übrigens der nordböhmischen Stadt Chomutov / Komotau: Für die Errichtung einer Eishockey-Trainingshalle, die nicht den im Antrag gemachten Vorgaben entspricht, könnte sie zur Rückzahlung von rund 1,3 Millionen Euro veranlasst werden. Bis zum Ende aller Überprüfungen können sich die regionalen Politiker, Unternehmer und Projektanten deshalb nur damit trösten, dass Skandale beim Abrufen von EU-Geldern nicht nur in Tschechien vorkommen. Unlängst sind ähnliche Affären zum Beispiel in Ungarn, Frankreich und Italien abgewickelt worden.