„Uns motiviert, dass manche Menschen vor uns Angst haben“
Transparency International setzt Tschechien im Korruptions-Index für das Jahr 2010 auf Platz 53 von insgesamt 180 Ländern. Es liegt damit weit hinter Deutschland, das in der Statistik Rang 15 einnimmt, aber auch hinter den meisten anderen europäischen Staaten. Im Prager Goethe-Institut war am Dienstag der Gründer von Transparency International Peter Eigen zu Gast. Gemeinsam mit Luděk Niedermayer, dem ehemaligen Vizegouverneur der Tschechischen Nationalbank, diskutierte er über Korruption in Europa.
„Es ist häufig so, dass ein Staat, der durch eine wichtige Transformation gegangen ist – also zum Beispiel vom Kommunismus zu einer freien kapitalistischen Wirtschaft – zunächst seine Grundregeln verliert und in ein gewisses Chaos versinkt. Aber das ist schon lange her, und inzwischen müsste Tschechien schon längst auf dem Weg sein, eine sehr ehrliche und geordnete Gesellschaft zu werden. Wir wissen auch nicht, woran das liegt, dass das bisher hier in Tschechien noch nicht geklappt hat.“
Leichter scheint es, die Frage zu beantworten, wo durch Korruption der größte Schaden angerichtet werden kann. Dazu der ehemalige Vizegouverneur der Tschechischen Nationalbank Luděk Niedermayer, der sich jetzt bei einer tschechischen Prüfungs- und Beratungsgesellschaft mit der Finanzwirtschaft in Mitteleuropa befasst:„Was die tschechische Öffentlichkeit oft am meisten fürchtet, ist die Korruption im öffentlichen Sektor, im Bereich der öffentlichen Aufträge. Da sind die wirtschaftlichen Folgen der Korruption meiner Meinung nach am verheerendsten.“
Das Gegenmittel, so Niedermayer, sei Transparenz. Wenn Schuldige in Korruptionsaffären hart bestraft würden, so könne dies als abschreckendes Beispiel Wirkung zeigen. Außerdem seien klare Regeln für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen hilfreich, sowie ein größtmöglicher Zugang zu Informationen für die Öffentlichkeit. Auch Peter Eigen glaubt, dass Korruption durch gesetzliche und institutionelle Maßnahmen eingeschränkt werden kann. Er fügt aber hinzu:„Das Wichtigste ist wahrscheinlich eine starke Beteiligung der Zivilgesellschaft, dass man sich nicht nur auf den Staat und auf den Privatsektor verlässt, sondern auch auf die Zivilgesellschaft setzt, wie zum Beispiel auf Transparency International.“
Wie die Korruptionsbekämpfung seitens der Zivilgesellschaft hierzulande funktioniert, erklärt David Ondráčka, Direktor von Transparency International in Tschechien.
„Wir sind – wie man auf Englisch sagt – ‚watchdogs’. Wir sind wie Wachhunde, die man streicheln kann, die aber auch manchmal beißen können und vor allem schnüffeln. Das heißt, wir können in konkreten Fällen darauf drängen, dass Informationen bekannt gegeben werden, wir können versuchen, persönliche Verantwortung Beteiligter aufzudecken, also derjenigen, die etwas mit Korruption zu tun haben. Und wir können Druck auf die Politik ausüben, damit sie Gesetze verabschiedet, die die Korruption einschränken.“
In den letzten 20 Jahren sei es weder besser noch schlechter geworden, es hätten sich nur die Problemfelder verlagert, sagt Ondráčka – zum Beispiel von der Privatisierung hin zur Verteilung von EU-Fördergeldern. Auch wenn seine Arbeit nicht immer zu schnellen Erfolgen führe, ist Ondráčka optimistisch:„Natürlich muss man auf Frustration und Desillusion vorbereitet sein. Aber wenn man es schafft, sich über kleine Erfolge zu freuen, dann geht das. Und was mich wirklich motiviert ist, dass manche Menschen, die es verdient haben, vor uns Angst haben.“