Unterrichtsreform an tschechischen Grundschulen sieht größere Entscheidungsfreiheit für Lehrer vor

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Der Unterricht an tschechischen Schulen gilt als verschult und faktenorientiert, die Lehrpläne werden vom Staat vorgegeben und das gesamte Bildungswesen ist zentralisiert. All dies soll sich künftig grundlegend ändern. Silja Schultheis berichtet.

Es kommt einer Bildungsrevolution gleich - das Vorhaben eines neuen Rahmenbildungsprogramms für die Grundschulen, das das Schulministerium gemeinsam mit dem Institut für pädagogische Forschung gegenwärtig ausarbeitet und das möglicherweise bereits innerhalb der kommenden drei Jahre in die Praxis umgesetzt werden soll. Statt staatlicher Direktiven, die konkret vorschrieben, welcher Lehrstoff in den Grundschulen bis zur 9. Klasse durchgenommen werden muss, soll künftig eine andere Konzeption Fuß fassen. Zwar soll auch künftig der Staat ein sog. Rahmenbildungsprogramm erstellen. Wie sie dieses Programm konkret im Unterricht umsetzen wollen, sollen aber künftig die Schulen entscheiden. Jan Tupy, stellvertretender Direktor des Instituts für pädagogische Forschung in Prag:

"Der einzelne Lehrer soll in Zukunft den Lehrstoff selbst strukturieren und selbst entscheiden, welche Elemente er besonders hervorheben und welche in den Hintergrund rücken will. Und vor allem kann er selber die Lehrmethode wählen, mit Rücksicht auf die Bedingungen an der jeweiligen Schule und auf die konkreten Schüler der entsprechenden Klasse."

Im Endeffekt bedeutet das neue Programm einerseits größere Entscheidungsfreiheit und Verantwortung für die Schulen, andererseits aber auch eine bessere Kontrollmöglichkeit für die Schulinspektion, die die Schulen so an den von ihnen selbst gesetzten Zielen messen kann.

Was den Lehrstoff selbst angeht, so soll dieser wesentlich praxisnaher und weniger auf Detailwissen ausgerichtet sein. Statt konkreter Lehrinhalte umfasst das neue Rahmenprogramm neun große Lehrstoff-Felder, wie z.B. Mensch und Gesellschaft, Mensch und Natur, Kunst und Kultur - was natürlich auch eine veränderte Ausbildung der Pädagogen erfordern wird. Dr. Tupy:

"Die Lehrer müssen an den pädagogischen Fakultäten vor allem auf Teamarbeit vorbereitet werden, darauf dass sie bestimmte Lehrstoffe unterschiedlicher Fächer miteinander verbinden können, neue Lehrmethoden benutzen, v.a. Projektunterricht, Erziehung zum kritischen Denken und so fort."

Um herauszufinden, ob die Schulen darauf ausreichend vorbereitet sind und bereits im Voraus möglicherweise entstehende Probleme bei der Umstellung zu vermeiden, wird das neue Rahmenprogramm gegenwärtig bereits an über 50 Schulen getestet. Eine davon ist die Grundschule in der Waldstraße im nordböhmischen Liberec/Reichenberg. Wie das Kollegium dieser Schule auf das Experiment reagierte, verriet uns der Schulleiter, Jiri Dvorak:

"Ich war sogar überrascht, dass die Lehrer einstimmig diese Veränderung begrüßt haben. Auch wenn das für sie viel Arbeit bedeutet, empfinden sie diese Lockerung, die größere Entscheidungsfreiheit für die Schule als enormen Fortschritt."

Und die Schüler und deren Eltern, so fügt Schulleiter Dvorak hinzu, hätten diese Entwicklung sogar gefordert.