Václav-Havel-Bibliothek: Dokumentationszentrum und lebendige Kultur

Václav-Havel-Bibliothek

Bereits mehrere Gebäude und Orte wurden in der letzten Zeit vor kurzem verstorbenen Ex-Präsidenten Václav Havel benannt. Erwähnt sei nur der Prager Flughafen, über dessen Umbenennung die Regierung kürzlich entschieden hat. Die Václav-Havel-Bibliothek ist nicht nur eine Institution, die den Namen Havels trägt, sondern sie wurde vor bereits acht Jahren von ihm gegründet. Heute hat sie zwei Teile: eine Dokumentationsarbeitsstelle sowie einen Kulturklub. Mehr über die Bibliothek erfahren Sie im heutigen Kultursalon. Radio Prag hat ihren Programmdirektor, Jáchym Topol, ans Mikrophon gebeten.

Václav Havel
Ferdinand Vaněk ist im Weltall. Die Internationale Astronomische Union hat die Benennung eines Planeten nach Ferdinand Vaněk Anfang April gebilligt, der vom Team der Sternwarte auf Kleť in Südböhmen entdeckt wurde. Auch eine solche aktuelle Information findet man auf der Webseite der Václav-Havel-Bibliothek, wo alle möglichen Informationen über den Ende letzten Jahres verstorbenen Ex-Präsidenten veröffentlicht werden. Ursprünglich hätte man sich sogar den Namen Václav Havel für das Planetchen gewünscht, steht dort weiter. Die Union erlaubt allerdings erst hundert Jahre nach dem Tod eines Politikers, einen Planeten nach ihm zu benennen. Und was hat Ferdinand Vaněk mit Havel zu tun? Er ist seine bekannteste Theaterfigur und sozusagen ein Alter Ego. In den 80er Jahren erschien sogar im damaligen kommunistischen Blatt Rudé právo eine Nachricht, dass Freunde Ferdinand Vaněk zu seinem Geburtstag gratulieren. Gemeint war der damalige Dissident Václav Havel, dessen Foto sogar der Meldung beigefügt worden war und so in die offizielle Presse geriet.

Václav-Havel-Bibliothek
Die Webseite präsentiert außerdem die Tätigkeit und Aufgabe der Václav-Havel-Bibliothek. Sie ist ein Dokumentationszentrum für die jüngste tschechische Geschichte und sorgt für die Verbreitung der Ideen von Václav Havel. Für die breite Öffentlichkeit öffnet sich diese Institution in ihrem Kulturklub. Dort befindet sich eine ständige Ausstellung über Havel und dort werden Seminare, Lesungen, Ausstellungen, Konzerte und Theatervorstellungen ausgetragen. Den Klub findet man in der so genannten Galerie Montmartre im Zentrum der Prager Altstadt. Sein Leiter ist seit 2011 der Schriftsteller und frühere Journalist, Jáchym Topol. Radio Prag hat sich mit ihm direkt im Café Montmartre getroffen und über die heutige Tätigkeit der Bibliothek und über das Programm der Galerie Montmartre unterhalten.

„Die Václav-Havel-Bibliothek wurde angeblich nach dem Vorbild der Bibliotheken US-amerikanischer Präsidenten im Jahr 2004 gegründet. Ihr Kern ist ein digitales Archiv, das zahlreiche Photographien und Dokumente aus dem Leben Václav Havels enthält. Da Václav Havel auch ein Kreuzungspunkt der Geschichte Mitteleuropas und der Flucht vor dem Kommunismus war, kann man sagen, dass es sich um ein Archiv der modernen tschechischen Geschichte handelt.“

Die Bibliothek gibt auch Bücher heraus. Eines der ersten war eine Monographie des früheren Direktors der Bibliothek, Martin C. Putna mit dem Titel „Václav Havel. Ein geistiges Porträt im Rahmen der Kultur des 20. Jahrhunderts“. Seit 2009 werden auch die so genannten Bibliothek-Hefte herausgegeben, die Havel, seiner Zeit und seiner Ideenwelt gewidmet sind. Darin werden weniger bekannte Texte aus der Philosophie, Politologie, Soziologie ebenso wie der Poesie veröffentlicht. Jáchym Topol weiter:

J. H. Krchovský  (Foto: Václav-Havel-Bibliothek)
„Neben der Publikations- und der Archivtätigkeit gibt es noch einen weiteren Tätigkeitsbereich, der eben meine Aufgabe ist: Der Kulturklub. Ich kümmere mich um den Klub Montmartre. Es ist anstrengend, aber gleichzeitig faszinierend. Es ist kein Spaß. In diesem Raum, in dem wir sitzen, hat Jaroslav Hašek getrunken und Max Brod und Franz Kafka Kaffee bestellt. Das ist toll. Darüber hinaus mag ich diesen Teil der Altstadt sehr, die Řetězová-Straße und ihre Umgebung. Denn er trägt eine Authentizität in sich. Es ist nur ein Stück von der touristischen Zone entfernt, es wirkt hier aber immer noch normal, hier gibt es noch das Leben in Kneipen, in diesem literarischen Café, im Theater Am Geländer und in anderen Bars und Klubs. Ich sage mir, ich knüpfe mit dem Programm der Galerie Montmartre an das an, was es hier einst gegeben hat.“

Was für ein Programm wird im Klub also angeboten?

Galerie Montmartre  (Foto: Václav-Havel-Bibliothek)
„Sicherlich ist es gut, verschiedene Konferenzen zu veranstalten, große, internationale Konferenzen zum Thema Václav Havel und Europa, Václav Havel und Amerika, Václav Havel und die Menschenrechte. Ich besuche diese Konferenzen, eigentlich aber sind sie nicht mein Stil und nicht in meinem Interesse. Obwohl es pathetisch klingt bin ich der Meinung, dass wir im Klub das fortsetzen, was Václav Havel im Sinne hatte. Hier stellen Maler aus, gerade zum Beispiel Michal Singer, Dichter wie J. H. Krchovský oder Pavel Zajíček tragen hier ihre Gedichte vor. Es sind Künstler aus dem Kreis, den Václav Havel mochte, der als `Underground` bezeichnet wurde. Es stehen mir die Haare zu Berge, wenn ich diese Bezeichnung höre, es ist aber immer noch ein lebendiger Teil der Kultur.“

Diese Undergroundkultur ist aber doch nicht das einzige, was im Montmartre präsentiert wird. Das Durchdringen von unterschiedlichen Bereichen und Genres ist das Hauptanliegen des Programmdirektors:

Café Montmartre
„Ich finde es toll, wenn wir an einem Tag etwa eine Diskussion mit der Chefin des Obersten Gerichts, Eliška Wagnerová, veranstalten. Und am nächsten Tag kommen betrunkene Teenager und alte Underground-Mitglieder zum Konzert der Underground-Band DG 307. Das ist meiner Meinung nach das, was Havel aufbauen wollte. Ich gestalte das Programm eher instinktiv. Ich bin natürlich der Meinung, dass Themen wie Václav Havel und die Menschenrechte sehr wichtig sind, etwa wegen der Ereignisse in Weißrussland und anderswo. Und in Vietnam und in China gibt es Dissidentengruppen, die Václav Havel verehren. Ich konzentriere mich aber auf die Kultur, Literatur, Musik und die bildende Kunst.“

Jáchym Topol hat aber noch weitere Pläne mit dem Klub. Es soll nicht ausschließlich bei der Kultur bleiben.

Eliška Wagnerová
„Der Klub Montmartre gefällt mir als Kultureinrichtung, es gefällt mir, dass hier Bands spielen und Autorinnen und Autoren lesen. Ich habe aber noch ein weiteres Ziel: Ich möchte, dass er auch als politischer Brennpunkt, als politischer Klub fungiert. Deswegen veranstalten wir etwa eine Debatte mit Eliška Wagnerová, die kürzlich den Posten der obersten Richterin verlassen hat. Denn sie ist eine der letzten Richterinnen der Havel-Ära. Weiterhin wollen wir immer montags eine Debatte des Wochenblattes Respekt veranstalten. Dieses Blatt, in dem ich lange Jahre gearbeitet habe, beschäftigt sich jede Woche gründlicher mit einem Thema aus dem Bereich der Politik, der Umwelt oder ähnlichem. Wir möchten, dass hier montags ein lebendiger Diskussionsklub stattfindet. Die Respekt-Redakteure laden ihre Gäste hierher ein. Zum Thema Armeereform lädt zum Beispiel ein Redakteur den Verteidigungsminister und eines Opponenten ein, und sie sprechen in einer öffentlichen Diskussion darüber. Wenn wir das erreichen können, werde ich froh sein. Weil wir uns der Kultur widmen und gleichzeitig die Politik berühren, genau so, wie es Václav Havel gemacht hat.“

Für Jáchym Topol ist die Leitung der Galerie Montmartre eigentlich eine sehr persönliche Angelegenheit, wie er zum Schluss des Gesprächs betont:

Visualisation der Václav-Havel-Bibliothek
„Václav Havel hat mich eigentlich beauftragt, den Klub aufzubauen, einen Kreuzungspunkt von Kultur und Politik. Er hat mir gesagt, er wolle, dass ich es mache. Ich wollte damals die Zeitung verlassen. Ich habe zwei Jahre lang in der Tageszeitung Lidové noviny gearbeitet, und wie jeder weiß, bringt der Beruf des Journalisten ständigen Stress mit sich. Ich hatte den Traum, mich aufs Land zurückzuziehen und Bücher zu schreiben. In diesem Moment kam dieses Angebot. Ich war bei Havel in seinem Landhaus Hrádeček, und Václav diskutierte mit mir. Wir sprachen darüber, wer seinen Wünschen nach im Klub auftreten sollte. Wir haben einen Abend von Roma-Autoren und weitere Sachen zusammen vorbereitet. Es ist für mich sehr wichtig, dass ich damit von Václav persönlich beauftragt wurde.“

Die Václav-Havel-Bibliothek ist nun an zwei Orten Prags untergebracht. Neben der Galerie Montmartre in der Prager Altstadt ist das Dokumentationszentrum in der Kateřinská-Straße in der Neustadt untergebracht. In zwei Jahren allerdings soll die Bibliothek ein großes Gebäude auf dem Loretto-Platz auf dem Hradschin umziehen.