Váňa nach dem sechsten Sieg: Man sollte mich noch längst nicht abschreiben

Josef Váňa (Foto: Filip Jandourek)

In der Tschechischen Republik wird jedes Jahr im Oktober ein traditionelles Pferderennen ausgetragen, dass die Turffreunde des Landes und aus mehreren Nachbarstaaten immer wieder in seinen Bann zieht: die Große Pardubitzer Steeplechase. Das schwere Hindernisrennen ist nicht unumstritten, doch hierzulande wird es zelebriert wie ein Festbankett. Das ist auch das Verdienst eines kleinen hageren Jockeys, der die Pferdeenthusiasten vor zehn Tagen erneut verzückt hat: Josef Váňa.

„Die Tiere dienen dem Menschen hier lediglich zur Unterhaltung. Bei diesem Rennen sind schon eine ganze Reihe von Pferden getötet worden, und das in überaus schmerzlicher Art und Weise. Manche direkt während des Rennens, manche erst danach. Die Steeplechase ist nicht nur wegen ihrer Sprünge ein äußerst schweres Unterfangen, sondern auch wegen ihres Terrains, das mehrfach wechselt. Nach dem Rennen auf dem tiefen Geläuf sind die Pferde völlig erschöpft.“

Derart kritisch äußerte sich Tomáš Popp, der Vorsitzende der tschechischen Organisation „Freiheit den Tieren“, vor einigen Jahren zu dem Pferderennen. Die Große Pardubitzer Steeplechase gilt als eines der schwersten Hindernisrennen der Welt im Reitsport: Auf dem 6900 Meter langen Parcours hat es in der Tat schon mehrere schwere Stürze gegeben; und Pferde, die sich dabei die Beine brachen, mussten eingeschläfert werden. Nach den 1993 beendeten Streckenumbauten ist die Zahl der tödlichen Pferde-Unfälle jedoch auf ein relatives Minimum gesunken. Insbesondere wurde der berühmt-berüchtigte Taxis-Sprung weitgehend entschärft. Bester Beleg für die verbesserten Bedingungen war die 119. Auflage der Traditionsveranstaltung, die am 11. Oktober dieses Jahres über die Bühne ging. Von den 25 Pferden, die am Start waren, haben 18 das Ziel erreicht – ein neuer Rekord für das Rennen, das zu den ältesten seiner Art in Europa zählt.

Präsident Václav Klaus in Pardubice  (Foto: ČTK)
Trotz regnerischen Wetters sind vor Wochenfrist wieder 30.000 Turffreunde an die Naturstrecke in Pardubice / Pardubitz gepilgert, darunter Tschechiens Präsident Václav Klaus. Aber weder das Staatsoberhaupt noch andere Prominente sorgten an diesem Renntag für die Schlagzeilen, sondern ein kleiner Jockey, der hierzulande schon eine Legende ist: Josef Váňa. Nach seinem fünften Sieg bei der Steeplechase, den Váňa 1997 mit dem Braunen Vronsky holte, hatte sich der heute 57-Jährige eigentlich schon ziemlich vom aktiven Reitsport zurückgezogen. Er schwang sich nur noch zu ein paar kleineren Ritten und eben zur Großen Pardubitzer in den Sattel. Dafür machte er als Trainer und Betreuer mehrerer Pferde immer häufiger von sich reden. In dieser neuen Rolle hat er vier Pferde zum Sieg in Pardubice geführt, darunter den Schimmel Sixteen gleich zweimal. Am Sonntag vor einer Woche aber hat Váňa das Rennfieber erneut gepackt: In Pardubice ging er mit dem achtjährigen Wallach Tiumen an den Start, auch wenn er mit einem Wettkurs von 12:1 nicht gerade zu den Favoriten zählte. Dafür kennt er den Parcours wie seine Westentasche. Auch das vierte Hindernis, den ominösen Taxis-Sprung, meisterte Váňa mit Bravour:

„Gemeinsam mit Vorjahressieger Sixteen und Jockey Josef Bartoš überqueren Tiumen und Váňa problemlos das schwere Hindernis, bei dem nur ein Pferd gestürzt ist“, schildert der Reporter des Tschechischen Fernsehens in seiner Live-Reportage. Eingangs der Zielgeraden liegt Váňa mit Tiumen in aussichtsreicher vierter Position, ehe der Reporter regelrecht in Ekstase gerät:

„Achten Sie auf Tiumen, was für ein Finish! Es ist unglaublich, Tiumen mit Josef Váňa im Sattel gewinnt die Pardubitzer Steeplechase!“, kommentiert der Fernsehmann den sensationellen Einlauf. Der Reporter zieht den Hut vor dem 57-Jährigen, den er anschließend auch als einen gottgleichen Übervater des tschechischen Reitsports bezeichnet. Wie sein Ross, so schnauft auch Váňa nach dem Sieg noch etwas durch, aber gut gelaunt lässt er alle wissen:

„Ich danke den Jüngeren für den Fehdehandschuh, den sie mir zugeworfen haben. Einige von ihnen haben auch die Chance, die Pardubitzer Steeplechase sechs Mal zu gewinnen. Unter ihnen gibt es viele hoffnungsvolle Jockeys, die ihr Können auch schon in Europa gezeigt haben, aber sie sollten den alten Váňa noch nicht abschreiben!“

Váňa kostete seinen sechsten Triumph zur Gänze aus. Genüsslich und mit ein wenig Schalk im Nacken kommentierte er aus seiner Sicht den Zieleinlauf:

„Tiumen hat keine besonderen Sprintqualitäten, aber es ist ein Pferd mit einer starken Ausdauer. Möglicherweise hätte uns Sixteen noch abfangen können, doch ich hatte es einfach eilig, nach Hause zu kommen. Als ich auf der Zielgeraden kein anderes Pferd neben mir gesehen habe, war ich mir zirka 40 Meter vor der Ziellinie sicher, dass ich das Rennen zum sechsten Mal gewinnen werde.“

Váňa hatte es allen noch einmal gezeigt, auch denen, die ihn nach seiner vorjährigen Niederlage schon praktisch zum alten Eisen gelegt hatten. Mit dem favorisierten Pferd Juventus war er 2008 erst als Dritter ins Ziel gekommen. Nach dem jetzigen Sieg nutzte er daher die Gelegenheit, um nochmals zu sticheln:

„In den letzten acht Jahren bin ich nie schlechter als Vierter gewesen. Viermal bin ich Zweiter und dreimal Dritter geworden. Ich weiß nicht, warum das einigen nicht gepasst hat.“

Mit 23 Starts in Pardubice ist Josef Váňa einsamer Rekordhalter unter den Teilnehmern der Steeplechase. Von diesen 23 Rennen ist er 14 Mal unter die besten Vier gekommen, neun Rennen hat er nicht beendet. Váňa weiß daher nur zu genau, dass es mehr als nur eines guten Pferdes braucht, um auf der schweren Strecke zu gewinnen:

„Um bei der Großen Pardubitzer Steeplechase zu bestehen, muss am Renntag alles passen: Man muss perfekt vorbereitet sein, das nötige Glück haben, und alles muss so zusammenlaufen, wie es sein soll. Erst dann kann man gewinnen.“

In der Statistik des tschechischen Jockey Clubs, die allerdings erst seit 1989 geführt wird, ist Josef Váňa jetzt mit 183 Siegen in 631 Rennen notiert. In seinen jungen Jahren hat der gelernte Pferdepfleger zunächst sehr tatkräftig in seiner nordmährischen Heimat angepackt: als Bauarbeiter bei der Errichtung des Sendemastes auf dem Berg Altvater (Praděd), als Maschinenbauer von Skiliften oder als Mitglied der Bergwacht des Altvatergebirges. Nach der Wende 1989 aber zog es ihn zurück zum Pferdesport. Seine neue Karriere hat er dabei als Jockey und Trainer im deutschen Baden-Baden begonnen. Die sechs Triumphe bei der Pardubitzer Steeplechase sind heute das Aushängeschild der tschechischen Reitikone. Aber auch als 57-Jähriger denkt Váňa noch nicht wirklich ans Aufhören:

„Ich habe an mich geglaubt. Um bei dieser Pardubitzer Steeplechase an den Start gehen zu können, habe ich alles in meinen Kräften stehende getan. Aber jetzt kommen wieder die Fragen auf, wie: ´Werde ich aufhören oder nicht?´ Dazu sage ich nur soviel: Für heute mache ich Schluss, aber wenn wir den verletzten Wallach Welldancer wieder fit kriegen, dann werde ich mir das sicher noch einmal überlegen.“

Autor: Lothar Martin
schlüsselwort:
abspielen