Vancouver 2010: Eisschnellläuferin Sáblíková ist Tschechiens neuer Star
Die XXI. Olympischen Winterspiele in Vancouver gehen am Sonntag zu Ende. Vor Beginn der Spiele war man in Tschechien recht optimistisch – man träumte davon, die 1984 in Sarajevo erzielte Rekordausbeute von sechs Medaillen möglicherweise übertreffen zu können. Nach 59 der insgesamt 86 Entscheidungen haben die tschechischen Athleten zwar erst drei Medaillen erkämpft, doch einige gute Chancen bestehen noch.
Um dieses Ziel nicht zu gefährden, wollte die 22-Jährige zunächst nur auf den beiden langen Strecken starten. Eher beiläufig sprach sie davon, vielleicht auch noch die 1500 Meter in Angriff nehmen zu wollen. Dann aber nahm ihr Trainer Petr Novák das Zepter in die Hand:
„Der Trainer hat mir diesen Wettbewerb nicht erspart, sondern mich sofort angemeldet. Darüber habe ich überhaupt nicht diskutiert, auch wenn das zunächst nur so ein flüchtiger Gedanke von mir war. Er aber wusste offenbar ganz genau, wovon er sprach, denn jetzt habe ich eine Medaille um den Hals“, sagte die überglückliche Martina Sáblíková nach dem Rennen, in dem sie die Bronzemedaille gewann.
Eine für die Eisflitzerin aus Ždár nad Sázavou höchst erfreuliche Zugabe, mit der sie selbst kaum gerechnet hatte. Ganz im Gegensatz zu ihrem Trainer, der von den Qualitäten seines Schützlings absolut überzeugt ist:
„Als die Hälfte der Gegnerinnen schon ihren Wettkampf absolviert hatte, habe ich zu Martina gesagt: Heute hast du eine Riesenchance! Du musst das Rennen jedoch genau wie auf der 3000 Meter-Strecke angehen, das heißt stilistisch sauber mit guter Technik und den Händen auf dem Rücken laufen. Der Start ist bei dem schweren Eis nicht so wichtig, dafür umso mehr die letzte Runde.“
Martina Sáblíková beherzigte die glänzende Taktik ihres Trainers und wurde dafür mit ihrer zweiten Medaille belohnt.
Ein technisch versierter Mann ist auch der alpine Skifahrer Ondřej Bank. Um aber einer der ganz Großen seines Metiers zu werden, fehlt es ihm sicher noch etwas an Erfahrung und Durchschlagskraft. Deshalb ist die Kombination aus Abfahrt und Slalom auch weiterhin seine stärkste Disziplin. Bei den Spielen 2006 in Turin belegte er hier einen hervorragenden sechsten Platz. In Vancouver wollte er noch weiter nach vorn, doch am Ende wurde es der siebente Rang. Dieses Abschneiden kommentierte er so:„Ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, etwas enttäuscht zu sein. Vor allem deshalb, weil ich aufgrund meiner guten Trainingsergebnisse hier in Vancouver insgeheim sogar mit einer Medaille geliebäugelt habe. Die Chance war da, doch ich habe sie nicht konsequent beim Schopf gepackt. Andererseits aber ist der siebte Platz ein gutes Ergebnis und in vielleicht einer Woche werde ich das auch so sehen.“
Eine Medaille in jedem Fall anpeilen wollte auch Tomáš Kraus, der zweifache Weltmeister und vierfache Weltcup-Sieger im Ski-Cross. Auf seine olympische Chance musste der fast 36-Jährige dabei sehr lange warten, denn seine Sportart wurde erst für Vancouver in das Programm der Winterspiele aufgenommen. Eine Premiere für alle Ski-Crossfahrer also, doch die von Kraus endete bereits im Viertelfinale. Zu den Gründen seines frühzeitigen Scheiterns sagte er:„Die erste Streckenkombination hatte ich gut im Griff, ich beherrschte sie wie geschmiert. Ich war dort aber wohl etwas schneller als im Training und die Kante, die gleich danach kommt, muss man unbedingt gut treffen, um im Rhythmus zu bleiben. Ich habe sie jedoch etwas zu rasant genommen, so dass ich erst kurz vor dem nächsten Spinn gelandet bin. Das hat mich eingebremst, so dass ich auf den vierten Platz zurückfiel und neu attackieren musste.“
Mehr als der dritte Platz in seinem Viertelfinalrennen sprang aber nicht heraus. Das war genau ein Platz zu wenig, um in die nächste Runde einzuziehen. Und der Traum von einer olympischen Medaille war somit ausgeträumt.
Aber nicht nur Kraus hatte diesen Traum, auch die Skilangläufer Dušan Kožišek und Martin Koukal sahen sich in einer verheißungsvollen Ausgangsposition vor dem Endlauf im Team-Sprint der Männer. Erst recht, nachdem sie den zweiten Halbfinallauf sicher gewonnen hatten. Im Finale aber blieb Kožišek einiges schuldig und musste zudem das Missgeschick eines Stockbruches und eines Sturzes in Kauf nehmen. Daher reichte es für das tschechische Tandem am Ende nur zum sechsten Platz. Koukal war deshalb sichtlich verärgert:„Natürlich haben die Aussetzer von Dušan auch mir eine Menge Kraft gekostet. Im Gegensatz zur Konkurrenz konnte ich mich nämlich nicht nach jedem Wechsel schonen, um Körner für den Endspurt zu sparen, sondern musste zunächst immer die Lücke zulaufen, die zuvor entstanden war.“
Dušan Kožišek sah das Ganze offenbar aber nicht so eng:
„Martin ist jetzt sicher arg enttäuscht. Für mich ist der sechste Platz ein durchschnittliches Ergebnis. Ich bin weder enttäuscht noch froh darüber, aber natürlich wollten wir die Medaille.“Koukal aber hakte noch einmal nach und resümierte: „Sagen wir es so: Ein sechster Platz ist gut, aber es war sicher mehr drin.“
Noch mehr drin an Medaillen und guten Platzierungen ist für die tschechische Olympiamannschaft auch noch an den verbleibenden Wettkampftagen der Spiele von Vancouver. Neben der bereits erwähnten Martina Sáblíková werden dafür Alpinski-Fahrerin Šarka Záhrobská am Freitag im Slalom und Skilangläufer Lukáš Bauer am Sonntag über die 50 km-Distanz die besten Chancen eingeräumt. Und schließlich hoffen alle Tschechen noch auf ihr Lieblingskind, die Eishockey-Nationalmannschaft. Doch die hätte ihren Traum vom olympischen Edelmetall in der Nacht zu Mittwoch fast ausgeträumt. Im Achtelfinale traf sie auf den vermeintlichen Außenseiter Lettland, den sie in der Vorrunde noch ohne Mühe mit 5:2 bezwungen hatte. Diesmal aber wirkten die Tschechen nach ihrer frühen 2:0-Führung unerklärlich nervös und unentschlossen. Das bestraften die Letten mit zwei Toren in den Schlussminuten, so dass die Partie beim Stand von 2:2 verlängert wurde. In der sechsten Minute der Overtime schoss dann der Stürmer der Boston Bruins, David Krejčí, das erlösende Tor zum 3:2-Endstand. So richtig freuen mochte er sich anschließend aber nicht:
„Ich würde schon sagen, dass dies das wichtigste Tor war, das ich bisher geschossen habe. Andererseits möchte ich nicht viele Worte darüber verlieren, denn dafür ist keine Zeit. Wir müssen uns jetzt vielmehr auf das Spiel gegen Finnland vorbereiten und uns gut regenerieren. Das Spiel gegen Lettland hat uns nämlich viel Kraft gekostet.“Vor dem Viertelfinalduell mit den Finnen hat das tschechische Team keine 24 Stunden Zeit zum Ausruhen. Und niemand konnte bis zuletzt sagen, ob der nach dem Russland-Spiel angeschlagene Superstar Jaromír Jágr, der gegen Lettland verletzungsbedingt ausstieg, gegen die Skandinavier wird spielen können. Verteidiger Tomáš Kaberle aber weiß, was der Ausfall von Jágr für die Mannschaft zur Folge hätte:
„Wenn Jarda Jágr fehlt, egal ob in seinem Verein oder in der Nationalmannschaft, dann macht sich das stets bemerkbar. Hoffen wir, dass er gegen Finnland spielen kann.“
Spätestens am Donnerstagmorgen weiß man in Tschechien, ob zwei der letzten Trümpfe, Sáblíková und Jágr, gestochen haben oder nicht.