Věra Jourová: Ich bin enttäuscht, nicht Regionalpolitik erhalten zu haben
In der vergangenen Woche wurde die Besetzung der künftigen EU-Kommission bekanntgegeben. Die Tschechische Republik hatte für ihre Kandidatin Věra Jourová das Ressort Regionalpolitik angestrebt. Doch nun übernimmt Jourová den Bereich Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung. Von Politikern in Prag wurde dies teils mit Enttäuschung aufgenommen. Die Opposition sprach sogar von einem Versagen des Premiers. Wie die Kandidatin selbst auf den Beschluss reagierte, was sie in den nächsten Tagen erwartet und wie sie sich ihre Arbeit in der EU-Kommission vorstellt, dazu erfahren Sie mehr im folgenden Politgespräch. Věra Jourová hat unmittelbar nach der Bekanntgabe der Besetzung dem Tschechischen Rundfunk ein Interview gegeben.
So beschreibt die Politikerin der Partei Ano und Ministerin für Regionalentwicklung Věra Jourová ihre Tage und Wochen vor der Bekanntgabe der Besetzung der EU-Kommission. Sie soll nun Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung werden. Persönlich hatte sie allerdings auf den Bereich Regionalpolitik gehofft:
„Ich bin gefragt worden, ob ich enttäuscht sei, nicht mein bevorzugtes Spezialgebiet Regionalpolitik erhalten zu haben. Ich muss sagen, das bin ich.“
Bis zum letzten Augenblick haben Sie mit dem gewünschten Ressort gerechnet. Was hat sich in den letzten Stunden geändert?„Das kann ich nicht sagen. Ich war bei den letzten Verhandlungsrunden nicht dabei. Noch gestern habe ich zuverlässige Informationen erhalten, dass mir die Regionalpolitik zugeteilt wird. Gestern Vormittag habe ich nach Meinung vieler Menschen eine erfolgreiche Rede auf einer Konferenz zur Regionalpolitik gehalten. Ich wurde dort als zukünftige Kommissarin für Regionalpolitik vorgestellt und habe über meine Prioritäten im Bereich der Regionalentwicklung gesprochen.“
Auch von einigen tschechischen Politikern wird das Ergebnis mit Enttäuschung aufgenommen. Die Opposition sprach sogar von einem Versagen des Premiers Bohuslav Sobotka bei den Verhandlungen. Was sagen Sie dazu?„Ich möchte diese Debatten stoppen. Niemand hat bei den Verhandlungen versagt. Dieses Ergebnis kann uns helfen und auch nützen. Das Ressort hat großen Einfluss auf die Unternehmer und auf das Alltagsleben der Menschen in Europa. Es ist kein schlechtes Ergebnis und daraus folgt, dass niemand schlecht verhandelt hat. Jean-Claude Juncker selbst hat gesagt, die Ressorts würden nicht nach den Prioritäten der Länder zugeteilt, sondern für die einzelnen Kandidaten maßgeschneidert.“
Ende September müssen sich alle Kandidaten für die Posten in der EU-Kommission den Fragen der Abgeordneten im Europäischen Parlament stellen. Mit welchen Gefühlen erwarten Sie diesen so genannten Kandidaten-Grill im EU-Parlament?
„Ich kann Ihnen versichern, dass alle Kandidaten, einschließlich der erfahrenen Kommissare, die bereits eine Amtsperiode hinter sich haben, die Befragung im Europa-Parlament sehr fürchten. Es ist eine anspruchsvolle Disziplin – drei Stunden lang muss man eine Frage nach der anderen schnell beantworten, die jedes beliebige Thema betreffen können. Man kann sich darauf nicht umfassend vorbereiten und man darf es keinesfalls unterschätzen. Ich bin bereit, der Vorbereitung möglichst viel Zeit, Energie und mentale Kraft zu widmen.“Die Bereiche Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung wurden bisher von drei Kommissionsmitgliedern geleitet. Nun sollen sie in den Verantwortungsbereich einer einzigen Person gehören.
„Es ist ein Novum. Diese Vereinigung der Ressorts deutet an, dass es sich um ein starkes Portfolio handeln wird. Der Bereich Verbraucher- und Datenschutz betrifft sowohl Firmen als auch das Alltagsleben der EU-Bürger. Vor mir war Viviane Reding für diese Problematik zuständig, die eine sehr starke Kommissarin war. Sie hat sich vor allem für den Datenschutz eingesetzt, der nun mehr Aufmerksamkeit bekommt.“Einer der Themenbereiche, für die sie zuständig sein sollen, ist die Gleichstellung von Frauen und Männern. Was halten Sie von der Besetzung der EU-Kommission mit nur neun Frauen unter den 28 Kommissaren?
„Möglicherweise wird es eine meiner Aufgaben dafür zu sorgen, dass die Frauen mindestens die Hälfte der nächsten Kommission bilden. Das sage ich aber mit einer gewissen Übertreibung. Ich betrachte es als Erfolg, dass nun neun Frauen, das heißt nicht weniger als bisher, in der Kommission vertreten sind. Ich muss mich zunächst mit Debatten über Frauenquoten im Firmenmanagement befassen. Einige Länder haben damit Probleme, und die Debatten werden weiter andauern. Meiner Meinung nach sollte es prinzipiell keine Hürden geben, die Frauen benachteiligen. Wenn eine Frau dieselbe Qualifikation wie ein Mann hat, sollte es unwichtig sein, dass sie eine Frau ist. Und in der Entlohnung sollte sich diese Tatsache schon gar nicht widerspiegeln.“
Und wofür möchten Sie sich im Verbraucherschutz einsetzen?
„Immer mehr gefälschte und qualitativ schlechte Erzeugnisse kommen aus Nicht-EU-Ländern auf den europäischen Markt. Wenn wir mit Hilfe einer angemessenen Regulierung verhindern können, dass unsere Verbraucher Opfer von Einkäufen solcher Waren werden, müssen wir nach einer solchen Regulation greifen. Es handelt sich vor allem um gefälschte Produkte und Produkte, die nicht die erforderlichen Voraussetzungen für den EU-Markt erfüllen. Dafür gibt es schon eine Richtlinie, über die nun diskutiert wird. Es ist eine prinzipielle Angelegenheit, über die sich die EU-Staaten bisher nicht einigen konnten.“
Ihr dritter Themenbereich ist die Justiz. Was fällt Ihnen in diesem Zusammenhang spontan ein?
„Ich bin der Meinung, dass Europa ein Raum ist, in dem das Recht eine grundlegende und lebensnotwendige Voraussetzung sein sollte. Die rechtlichen Vorschriften haben auch im Bereich der Wirtschaft bedeutende Auswirkungen. Ich wehre mich gegen Kritik, es handle sich um kein ökonomisches Portfolio. Das Recht beeinflusst die Wirtschaft maßgeblich.“