Kandidaten-Grillen: Jourová besteht in Straßburg
Věra Jourová soll in der neuen EU-Kommission für die Einhaltung von Grundwerten und mehr Transparenz verantwortlich sein. Außerdem ist sie als Stellvertreterin der designierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nominiert. Am Montag wurde Jourová drei Stunden lang von den Europaparlamentariern befragt. Dieses sogenannte „Grillen“ ist Grundvoraussetzung für eine Ernennung.
„Mein Ziel wird sein, Europa demokratischer und transparenter zu machen. Europa muss auch widerstandsfähiger sein gegen neue Bedrohungen, etwa auch aus dem Netz. Zudem will ich Europa befähigter machen, die Werte zu verteidigen, die wir schätzen, eingenommen die Rechtstaatlichkeit und die Pressefreiheit.“
Konkret betonte Jourová, dass sie die Art und Weise verbessern möchte, wie die Spitzen der europäischen Institutionen ausgewählt werden. Als weitere Aufgabe hat sie sich vorgenommen, die europäische Gesetzesfindung den Menschen in Europa besser zu erklären.
Ebenso fallen in Věra Jourovás Kompetenz die laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen und Ungarn. Es war eines der Themen, zu denen sie beim Hearing nach ihrer Auftaktrede ausführlich befragt wurde. In ihrer Antwort wies Jourová den Vorwurf zurück, dass diese Verfahren praktisch wirkungslos seien. Denn daran könnten sich Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anschließen. Und das sei ein starkes Instrument, so die Tschechin.Nur zwei der insgesamt 25 Fragen betrafen den tschechischen Premier Andrej Babiš. Dieser steht im Verdacht eines Interessenskonflikts als Politiker und Unternehmer. Dabei geht es auch um Gelder aus Brüssel. Einer, der dieses Thema ansprach, war Jiří Pospíšil von der tschechischen Top 09, die zur Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei gehört.
„Ich habe mehr Fragen erwartet zur Lage in Tschechien. Schließlich ist Frau Jourová ganz einfach von einem Land nominiert, gegen dessen Premier ein Strafverfahren läuft“, so Pospíšil.Zudem gehört Jourová ursprünglich Babišs Partei Ano an. Die designierte Kommissionsvizepräsidentin meinte jedoch nach der Anhörung in Straßburg:
„Ich bin froh, dass die Abgeordneten zu den Inhalten meines Portfolios gefragt haben und nicht zu tschechischen Angelegenheiten. Das sage ich nicht, weil ich solchen Fragen etwa ausweichen wollte, sondern weil meine Aufgabe ist, an konkreten Dingen zu arbeiten.“
Aber selbst Jiří Pospíšil, der als scharfer Kritiker von Babiš und der Partei Ano gilt, zeigte sich letztlich zufrieden mit dem Auftritt seiner Landsfrau vor dem Europäischen Parlament:
„Frau Jourová ist ein Profi. Sie weiß, wie man sich bei einer solchen Anhörung verhalten sollte. Ihr Auftritt war gut. Nur hätte ich privat gerne etwas konkretere Antworten gehört. Ich denke jedoch, dass Frau Jourová bei den meisten Parlamentariern einen guten Eindruck hinterlassen hat und also bestätigt wird.“Das war nach dem „Grillen“ auch der Fall. Unter den gegebenen Umständen bedeutet dies schon einen Erfolg. Denn bereits jetzt sind mehrere Kandidaten nicht durchgekommen. Die beiden aus Ungarn und Rumänien wurden wegen finanzieller Interessenskonflikte vom Rechtsausschuss gar nicht erst zur Anhörung zugelassen. Und die als Innenkommissarin vorgesehene Schwedin, der als Agrarkommissar gedachte Pole sowie die mögliche Binnenmarktkommissarin aus Frankreich müssen nachsitzen. Sie hatten die Abgeordneten nicht ausreichend überzeugt. Nun sollen sie erst einmal schriftlich einen Fragenkatalog abarbeiten. Von der Leyen gerät damit unter Zeitdruck, denn das Europaparlament soll eigentlich am 23. Oktober bereits ihrem „Team Europa“ grünes Licht gegeben.