EU-Corona-Hilfspaket: Tschechiens Premier beklagt „unfaire Bedingungen“
Die Europäische Kommission ist derzeit auf einer Mission in den Mitgliedsländern. Diese sollen von dem 750 Milliarden Euro starken Rettungspaket überzeugt werden, das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene Woche vorgestellt hat. Auch in Brüssel weiß man sehr wohl, dass es schwer wird. Das zeigt unter anderem die ablehnende Reaktion von Tschechiens Premier Andrej Babiš. Oppositionspolitiker in Prag können das nicht verstehen, und der sozialdemokratische Koalitionspartner würde wohl gerne vermitteln.
In Tschechien versucht von der Leyens Stellvertreterin Věra Jourová die Regierungspolitiker zu überzeugen. Sie erläuterte, warum gerade die Südeuropäer die größten Summen aus dem Wiederaufbaufonds erhalten sollen.
„Bei Italien und Spanien kommen zwei Faktoren auf unangenehme Weise zusammen. Zum einen sind das die gesundheitlichen Folgen, zum anderen die Folgen für den Tourismus und den Dienstleistungssektor. Die Volkswirtschaften beider Länder beruhen stark auf kleinen und mittelständischen Unternehmen. Und wenn wir Spanien und Italien unter die Arme greifen, dann helfen wir auch ganz Europa. Denn wir müssen den gemeinschaftlichen Markt wiederbeleben. Das liegt ebenso im Interesse der Tschechen“, sagte die EU-Kommissarin für Werte und Transparenz.
So soll Italien 173 Milliarden Euro aus dem Paket erhalten und Spanien 140 Milliarden. Aber auch Tschechien geht nicht leer aus: 19,2 Milliarden sind für das Land vorgesehen. Darunter sind 8,6 Milliarden Euro direkte Hilfsgelder, die über EU-Fonds bereitgestellt werden.Andrej Babiš hält es jedoch für nicht richtig, so viel Geld in die südeuropäischen Staaten zu pumpen. Der tschechische Regierungschef verweist dabei auf die hohe Verschuldung in Italien und Spanien. Tatsächlich sollen 80 Prozent der Mittel den Regierungen zur Verfügung gestellt werden und nur 10 bis 15 Prozent den Firmen. Außerdem bemängelte Babiš den Verteilungsschlüssel:
„Die Voraussetzungen sind für uns absolut unannehmbar. Der Schlüssel begünstigt Mitgliedsländer mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit und bestraft jene, die verhältnismäßig wenige Arbeitssuchende haben. Das ist für uns ungünstig.“
Oppositionspolitiker waren Ende vergangener Woche leicht schockiert über das ungeschminkte Nein des Premiers. Jan Farský ist stellvertretender Vorsitzender der Bürgermeisterpartei Stan:„Die ganze EU und ihre Kraft beruhen auf dem Prinzip der Solidarität. Das heißt, dass die Stärkeren den Schwächeren helfen. Auch deswegen hat Tschechien in den vergangenen Jahren mehr als 800 Milliarden Kronen von der EU erhalten. Und jetzt will Brüssel weitere 550 Milliarden Kronen schicken, die uns bei der Überwindung der Krise sehr helfen können.“
Bei Babišs sozialdemokratischen Regierungspartnern scheint das EU-Paket mehr Eindruck hinterlassen zu haben. Jedenfalls bezeichnete Außenminister Tomáš Petříček den Vorschlag als gute Verhandlungsbasis. Er schlug vor, zusammen mit weiteren Staaten nach einem „konstruktiven Kompromiss“ zu suchen.
„Der Vorschlag enthält einige Punkte, die für Tschechien problematisch sind. Auf der anderen Seite müssen wir die Gesamtlage betrachten. Falls die EU als Ganzes nicht wieder auf die Beine kommt, dann wird auch Tschechien länger mit den Folgen der Krise zu kämpfen haben“, so Petříček.Luděk Niedermayer sitzt für die konservative Top 09 im EU-Parlament. Das Fraktionsmitglied der Europäischen Volkspartei warnte davor, zu viel Zeit mit Diskussionen zu verbringen. Dabei verwies er auf die Exportabhängigkeit der tschechischen Wirtschaft:
„Wir müssen uns darüber klar werden, dass jede Verschiebung einer Übereinkunft gerade Länder wie Tschechien noch viel schwerer trifft als andere. Dass etwa gar kein Kompromiss gefunden wird, daran möchte ich gar nicht denken. Im Moment sieht es zwar nicht nach einer Einigung aus, aber ich würde es als ein schweres Versagen bezeichnen, wenn wir nicht dazu beitragen, diese schnell zu finden.“
Die Absprache dürfte wohl eine der Hauptaufgaben sein für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab 1. Juli. Die ersten Gelder sollen zu Beginn des kommenden Jahres fließen, so die Pläne.