EU: Gemischte Reaktion auf Jourovás Posten
Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihr Team für Europa vorgestellt. Die Tschechin Věra Jourová soll sich als Kommissions-Vize in den kommenden Jahren um die Grundprinzipien der Union kümmern. Premier Babiš sieht das als Erfolg, die Opposition spricht jedoch von einem Totalversagen auf internationaler Bühne.
„Darauf freue ich mich und das lese ich aus meinem Aufgabenkatalog heraus: Ich werde auf keinen Fall viel in meinem Büro sitzen. In meinem Portfolio wird vor allem betont, dass unsere Arbeit den Europäern verständlich gemacht werden muss. Sie müssen einfach verstehen, warum wir die Demokratie brauchen und um die Menschenrechte kämpfen müssen. Das kann man aber schlecht vermitteln oder – etwas salopp gesagt – verkaufen, wenn man an seinem Schreibtisch bleibt.“
Die künftige Zuständigkeit Jourovás wird vor allem als Signal in Richtung Visegrád-Gruppe gesehen, deren Teil Tschechien ist. Denn die Partnerstaaten Ungarn und Polen sind in der Vergangenheit gerade wegen der Missachtung grundsätzlicher Prinzipien in Konflikt mit Brüssel geraten. Věra Jourova will da auf Dialog setzen:„Europa ist keine Arena, sondern ein Ort des Dialogs. Wir müssen uns gegenseitig wahrnehmen und verstehen. Ich respektiere die Meinungen meiner Gegner und habe dafür ein offenes Ohr. Ob ich nun mit Ungarn, Polen oder sonst wem diskutiere, das spielt dabei keine Rolle. Vor den Debatten habe ich keine Angst.“
Ursprünglich wollte Tschechiens Premier Andrej Babiš ein starkes wirtschaftliches Ressort für Tschechien herausschlagen. Nach langen Verhandlungen habe man aber dem Posten einer stellvertretenden Kommissionschefin den Vorrang gegeben, erläutert Jourová. Und auch der Regierungschef in Prag kann damit leben:
„Das ist ein großer Erfolg. Die Europäische Kommission soll acht Vize-Präsidenten haben, und Věra Jourová ist eine davon. In diesem Präsidium ist außerdem der Slowake Maroš Šefčovič vertreten. Die Visegrád-Gruppe hat also zwei Stimmen in dem achtköpfigen Gremium.“Auch der Koalitionspartner, die Sozialdemokraten, sieht die neue Rolle Jourovás positiv. Die Kommunisten, die das Minderheitenkabinett im Abgeordnetenhaus stützen, hätten die 55-jährige Politikerin dennoch lieber mit einem anderen Aufgabenbereich gesehen. Dazu Parteichef Vojtěch Filip:
„Wir sind ein Transitland, weshalb ein Portfolio aus den Bereichen Wirtschaft oder Verkehr besser für uns gewesen wäre. Mit ihrem zukünftigen Aufgabenbereich wird sich Věra Jourová nun mit den Problemen auseinandersetzen müssen, die zwischen Polen, Ungarn und der Europäischen Kommission bestehen.“
Die Opposition hingegen sieht im Ressort Europäische Werte und Transparenz für Tschechien ein Totalversagen der Regierung Babiš. Unter anderem der Chef der Bürgerdemokraten, Petr Fiala, sieht darin eine Klatsche aus Brüssel für den aufstrebenden Wirtschaftsstandort Tschechien:
„Die Tschechische Republik hat da gar nichts erreicht, nicht einmal ein Unentschieden. Das Ganze ist als Misserfolg der tschechischen Verhandlungsführer in Brüssel zu werten. Das Portfolio von Věra Jourová ist überhaupt nichts wert. Es ist sicher nicht im Interesse Tschechiens, dass unsere Repräsentantin diesen Posten übernimmt.“Ähnliche Töne hört man auch von den anderen Parteien des liberal-bürgerlichen Lagers im Abgeordnetenhaus. Die Piraten wiederum sehen weiterhin die Gefahr, dass Jourová lediglich ein Handlanger Babišs in der EU sein wird. Immerhin wird in der EU auch weiterhin ein möglicher Interessenskonflikt von Babiš wegen der EU-Förderung von Projekten seines Ex-Konzerns Agrofert untersucht. Dazu Piratenchef Ivan Bartoš:
„In der Vergangenheit hat sich unter anderem die Ombudsfrau der EU über Věra Jourova beschwert. Grund dafür waren ihre Aussagen zu den ganzen Vorwürfen gegen Premier Babiš. Damit war die Unabhängigkeit Jourovás von ihrem Heimatland infrage gestellt. Doch ein EU-Kommissar ist für die gesamte EU zuständig und muss neutral sein.“
Ob Věra Jourová ihren Posten in der EU-Kommission am 1. November tatsächlich wie geplant antreten kann, wird sich aber erst noch zeigen. Denn erst einmal steht das berüchtigte „Grillen“ der Kommissionskandidaten im Europaparlament an. Und gegen einige Anwärter für von der Leyens Team Europa gibt es tatsächlich noch Vorbehalte bei den Parlamentariern.