Verbotsantrag gegen die Arbeiterpartei, Füles Einstand und das „Gehsteig-Gesetz“
Der Verbotsantrag gegen die rechtsextreme Arbeiterpartei (Dělnická strana) und der Einstand des tschechischen Europakommissars Stefan Füle - das sind die Themen im Medienspiegel. Außerdem geht es auch um den Schnee: Der ist dieser Tage allgegenwärtig in Tschechien.
Katrin Materna: Nun, die Autoren sind sich vor allem einig darüber, dass es ein heikles Thema ist. Sie rufen zur Besonnenheit auf. Die Argumente dafür sind unterschiedlich: Markus Pape schreibt in seinem Kommentar für die Tageszeitung Mladá Fronta Dnes:
"Wenn das Gericht beschließt, eine Partei eines bestimmten Namens zu verbieten, bedeutet das nicht, dass deren Mitglieder oder das Gedankengut einfach verschwinden. Die Zahl der Anhänger dieser Partei kann das im Gegenteil sogar erhöhen. Mit einem Urteil, das besagt, dass die Aktivitäten dieser Partei die demokratischen Grundfesten des Staates bedrohen, zeigt das Gericht der Gesellschaft und den Mitgliedern der Partei eindeutig die Grenzen seiner Toleranz auf. Das gilt aber nur dann, wenn die Öffentlichkeit darüber informiert wird."Den Medien kommt somit die Aufgabe zu, umfassend über die Gründe zu berichten, die zu einem derartigen Urteil geführt haben.
Jiří Leschtina wiederum erinnert in der Zeitung Hospodářské Noviny an die Haltung des Gerichts zum ersten Verbotsantrag im vergangenen Jahr. In seinem damaligen Urteil stellte es fest, dass die Auflösung der Partei möglich sei, sofern sie "nachweislich eine unmittelbare Gefahr für den Staat darstellt".
Leschtina wirft deshalb die Frage auf, inwieweit der Staat von einer Partei bedroht werden kann, die so gut wie keine Chance hat, ins Parlament einzuziehen:
"Sofern die Regierung keine eindeutigen Argumente vorlegt, warum die Arbeiterpartei gerade jetzt aufgelöst werden muss, sollte das Gericht keinen vorschnellen Entscheidungen treffen. Schließlich ist es Teil unserer demokratischen Freiheit auch Parteien zu dulden, deren Meinungen die Nerven stark strapazieren." Außerdem würde sich im Falle eines Verbots die Frage stellen, was mit der "extremistischen Partei geschehen soll, die im Parlament sitzt und deren Regierungsbeteiligung eine reale Bedrohung darstellt?"
Moderator: Na, wenn das keine Anspielung auf die Kommunistische Partei ist. Bleiben wir noch ein bisschen bei der Politik. Der tschechische Kommissionsanwärter Štefan Füle hat sich diese Woche einer eingehenden Anhörung von EU-Parlamentariern gestellt. Wie haben seine Landsleute den Auftritt bewertet?
Katrin Materna: Die Kommentatoren sind sich weitgehend einig, dass der künftige Kommissar für die EU-Erweiterung sich gut geschlagen hat. Vor allem im Vergleich mit der Britin Catherine Ashton, findet beispielsweise Kateřina Koubová von der Mladá Fronta Dnes. Die habe bewiesen, dass sie fehl am Platz sei, so die Autorin: “Sie hat unentwegt von einer ‚ruhigen Diplomatie‘, dem ‚Streben nach Resultaten‘ und einer ‚effektiven Union‘ gesprochen, wenn sie sich gerade nicht damit herauszureden versuchte, dass sie es nicht geschafft hat, sich alles vorzubereiten. sich nicht auf alles vorzubereiten geschafft hat. Und wie antwortete der, von dem man eigentlich fade Antworten erwartet hatte? Die Türkei als EU-Mitglied? - Ja, wenn den Christen dort Freiheit garantiert wird. Eine Zusammenarbeit mit Russland? - Ja, aber werden darauf bestehen, dass Russland Georgien verlässt." Das Gesamturteil der Autorin:
"Den Wettbewerb zur Vision der europäischen Politik hat jedenfalls eindeutig der tschechische Diplomat mit dem sowjetischen Diplom gewonnen."
Moderator: Dieses „sowjetische Diplom“ ist ja für viele Tschechen ein entscheidender Schönheitsfehler ihres EU-Kommissars.Katrin Materna: Einige der Kommentare beschäftigen sich tatsächlich auch eher mit der politischen Vergangenheit Füles als mit seinem Abschneiden vor den EU-Abgeordneten. In der Zeitung Lidové Noviny ist beispielsweise nachzulesen:
„Die rote Vergangenheit ist kein Karrierehindernis in der europäischen Politik. Daran haben wir uns bereits gewöhnt und es wäre wohl auch nichts dagegen einzuwenden, wenn zumindest eine klare Stellungnahme zu dieser Vergangenheit eingefordert würde. Der tschechische Karrierist hat sein Wirken in der Kommunistischen Partei sinngemäß mit dem Satz: 'Lasst die Vergangenheit ruhen' abgetan.“
Insgesamt wurde eine Atmosphäre verbreitet, als sei die Frage nach der kommunistischen Vergangenheit einiger Kommissionsanwärter ebenso unanständig wie nach der Scheidung oder dem schlecht geratenen Sprössling zu fragen.
„Auf diese Weise lassen wir uns wegen Karrieristen, die gewöhnt sind, für nichts bezahlen zu müssen, unsere Vergangenheit verfälschen und wir resignieren, wenn es um Maßstäbe der Charakterfestigkeit geht.“
Moderator: Wir haben ja vorhin schon über den Schnee gesprochen. Es ist ja fleißig geschaufelt worden in den vergangenen Tagen und dabei gab’s auch die eine oder andere Überraschung. Was hat es damit auf sich?Katrin Materna: Nun, in Tschechien gilt eine neue gesetzliche Regelung, die bei der momentanen Witterung für Furore sorgt. Grob geht es darum, dass ich als Eigentümerin eines Hauses nicht mehr verantwortlich bin, wenn sich jemand vor meiner Haustür das Bein bricht, weil ich den Schnee auf dem Gehweg davor nicht geräumt habe. Der gehört mir schließlich nicht.
Moderator: Die Gehsteige gehören den Gemeinden. Die müssen jetzt also entsprechend fleißig Schneeschippen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, Schmerzensgelder zahlen zu müssen. Bei den Schneemassen, die hier momentan auf den Straßen liegen kein leichtes Unterfangen.
Katrin Materna: Die Kommentatoren bezeichnen die außerordentlichen Schneeverhältnisse als einen Test, der die Praxistauglichkeit des neuen Gesetzes aufzeigt. Die ist offenbar sehr fragwürdig. Bohumil Doležal stellt in der Zeitung Lidové Noviny fest:
„Die Gemeinden, vor allem die großen, kommen mit dem Räumen nicht hinterher. Der Prager Magistrat schickt beispielsweise 750 seiner Büroangestellten zum Schneeschippen auf die Straße. Assoziationen mit dem kommunistischen Regime sind da zwangsläufig.“
Letztlich bleibt den Bürgern vielerorts nichts anderes übrig als doch wieder selbst zur Schippe zu greifen. Daraus ergeben sich zwei Lehren, so Martin Komárek von der Zeitung Mladá Fronta Dnes: „Eine für die Bürger, die besagt: Ja, so ist das mit den Gesetzen in Tschechien. Auch wenn sie eigentlich auf ihrer Seite sind, müssen Sie letztlich doch ran.“ Die andere richtet sich an die 'Überbürger*, die Abgeordneten und Senatoren: Dieses Gesetz ist novellierungsbedürftig.“Moderator: Nun, ich denke, jeder von uns hat sich in den vergangenen Tagen auch selbst ein Bild davon machen können, wie sich das so genannte „Gehsteig-Gesetz“ im Alltag auswirkt. Ich bin zum Beispiel erst gestern wieder kurz vor meiner Haustüre auf dem Hosenboden gelandet – unter dem schlecht weggeräumten Schnee hat sich nämlich eine große Eisplatte breitgemacht.
Und damit sind wir schon wieder am Ende angelangt. Wir schließen den heutigen Medienspiegel.