Verkehrslage in Prag
Seit der Zeit, als die erste elektrische Straßenbahn in Prag im Jahre 1891 das Licht der Welt erblickte, hat sich ebenso wie in allen anderen Großstädten natürlich auch im Verkehrssystem der tschechischen Hauptstadt alles von Grund auf verändert. Doch im Unterschied zu den westeuropäischen Metropolen, in deren Fußstapfen sie in mancher Hinsicht treten möchte, wird sie mit Problemen konfrontiert, die diese bereits in den 60er und 70er Jahren gelöst haben. Das Erbe seiner Vergangenheit macht Prag auch im Verkehrsbereich immer noch zu schaffen. Mehr dazu von Jitka Mladkova.
Smog, Lärm, baustellenbedingte Verkehrsstaus, hohe Schadstoffemissionen, mancherorts wiederholte Kollapswarnungen - das gehört seit Jahren zum Alltag im Prager Stadtverkehr, dem die tschechische Metropole mit ihren mittelalterlichen Baudispositionen Jahrhunderte lang nicht gewachsen war. Besonders nach der Wende 1989 traf der vor allem im individuellen Autoverkehr erfolgte Boom auf eine unvorbereitete Stadt. In den zurückliegenden zehn Jahren sattelten viele Prager von ihren Skodas, Trabis, Wartburgs, Ladas und ähnlichen (gängigen) Automarken auf begehrtere und bis dahin nicht nur aus Kostengründen unerschwingliche um. Allein in den Jahren 1990 - 94 ist der individuelle Autoverkehr in Prag um ganze 60 Prozent angestiegen, was gleichzeitig einen Leistungsrückgang im öffentlichen Personennahverkehr zur Folge hatte. 1994 gab es rund 600 Tausend Passagiere weniger als noch vier Jahre zuvor.
Zurzeit kommen auf jeden PKW zwei Prager Einwohner, Säuglinge inklusive. An einem Generalverkehrskonzept für Prag bastelten die Kompetenten, und angesichts der Ergebnisse ihrer Arbeit möchte man beinahe sagen, auch die Inkompetenten, zumindest seit den 60er Jahren. Nur einige darin vorgesehene Projekte wurden dann realisiert, nicht selten auch zum Nachteil der Stadt. "Hier wird sie führen"- mit diesen Worten soll irgendwann in den 70er Jahren der im Prager Magistrat regierende Parteiboss Miroslav Kapek seinen Zeigefinger in den Stadtplan gebohrt haben, um die sogenannte Nord-Süd-Magistrale zu markieren. Diese später gebaute Verkehrsader des Autobahntyps zerschnitt die Innenstadt in zwei und oberhalb des zentral gelegegen Wenzelsplatzes sogar in drei Teile. Den in der Blechlawine befindlichen Fahrern bzw. Beifahrern macht sie oft das Fortbewegen zur Hölle. Dass dieses Beispiel der absoluten Bauwillkür früher oder später verschwinden muss, wissen mittlerweile viele. Aber wann?
Bereits in diesem Jahr sollte der seit 1998 im Bau befindliche Tunnel zwischen den Stadtbezirken Smichov und Letna fertiggestellt werden, der einen Bestandteil der geplanten Umgehung entlang der Innenstadtgrenze bilden soll. Doch darüber streiten sich von Beginn an die Geister: Auf der einen Seite die der Investoren, die das Projekt als ein hierzulande noch nie realisiertes technisches Wunderwerk preisen, auf der anderen Seite jene der Ökologen, die wiederum von einer Nord-Süd-Magistrale Nummer Zwei mit all den zu erwartenden negativen Folgen für Mensch und Umwelt sprechen. Die ihrerseits insgesamt zehn vor Gericht eingereichten Berufungen wurden abgelehnt. Es wird also weiter gebuddelt, doch die Fertigstellung des Tunnels verzögert sich auch aus finanziellen Gründen. Auf die Eröffnung des ganzen Umgehungssystems, das vor allem die Innenstadt samt dem unter Denkmalschutz stehenden historischen Stadtkern vom Durchgangsverkehr entlasten würde, kann man sich also in Prag noch lange freuen. Ähnlich verhält es sich mit der Errichtung eines Umgehungsrings, der die Randgebiete der Stadt umspannen sollte. Eine Süd- oder eine Nordvariante, beides gleich kompliziert: entlang der erwogenen Trassen leisten die Anrainergemeinden starken Widerstand. Somit ist das Schicksal der unerträglichen Nord-Süd-Magistrale besiegelt: Sie wird noch lange das prägende Wahrzeichen des Prager Verkehrs bleiben.