Verkehrsminister Simonovsky empfiehlt Strafanzeige im "Fall Pendolino"

Er sollte das neue Aushängeschild der Tschechischen Eisenbahnen (Ceske drahy - CD) werden, nun aber droht er der größte Flop der jüngeren CD-Geschichte zu sein: der Hochgeschwindigkeitszug Pendolino. Zuerst wurde er von seinem italienischen Hersteller Alstom nur mit sehr großer Verspätung geliefert, danach erwies sich das gepriesene Gefährt als allzu störanfällig und unzuverlässig. Die Ergebnisse der daraufhin vorgenommenen Untersuchungen waren ganz offensichtlich so niederschmetternd, dass Verkehrsminister Milan Simonovsky am Dienstag die Empfehlung ausgesprochen hat, in Sachen Pendolino eine Strafanzeige zu erstatten. Lothar Martin berichtet.

Milan Simonovsky
Die Tschechischen Eisenbahnen hatten ursprünglich zehn Wagenzüge des Pendolinos bei der Vertragsunterzeichnung im Jahr 1995 bestellt. Aufgrund der ständigen Verzögerungen von Seiten des italienischen Produzenten, u. a. hervorgerufen durch strukturelle Probleme innerhalb des Konsortiums, stieg der Herstellungspreis, so dass dem Auftraggeber für 4,3 Milliarden Kronen (ca. 150 Millionen Euro) nur noch sieben Wagenzüge geliefert wurden. Und diese Pendolino-Züge durchliefen nicht nur eine überaus lange Testphase auf dem tschechischen Gleisnetz, nein, auch ihre Einführung in den fahrplanmäßigen Zugbetrieb war von Komplikationen und Peinlichkeiten begleitet. Seit Mitte Dezember vergangenen Jahres, als man begann, sie regelmäßig auf der stark befahrenen Strecke Prag - Ostrava/Ostrau einzusetzen, fiel ein Schnellzug nach dem anderen mit Software-Problemen aus. Der Pendolino kam häufig nur mit Verspätung an, die bei einem Störfall frustriert stecken gebliebenen Fahrgäste mussten stets auf einen Ersatzzug warten. Am 15. März wurde ein Wagenzug des Pendolinos gleich vorsorglich im Depot gelassen und durch einen anderen Zug ersetzt. Verkehrsminister Milan Simonovsky ordnete daraufhin eine Untersuchung an, die ergründen sollte, auf welche Ursachen die Ausfallserie der Pendolino-Züge zurückzuführen sei. Diese Untersuchungen mündeten dann am Dienstag in eine Aufsehen erregende Empfehlung des Ministers, die Marcela Zizkova, die Sprecherin seines Ressorts, so verlautbarte:

"Der Verkehrsminister empfiehlt dem Leitenden Ausschuss der Tschechischen Eisenbahnen auf der Grundlage der Untersuchungen über die Begleitumstände der Lieferung der elektrischen Wagenzüge vom Typ Pendolino eine Strafanzeige in Erwägung zu ziehen. Und zwar deshalb, weil sich aufgrund eines Rechtsgutachtens nicht ausschließen lässt, dass es bei der Vergabe dieses bedeutenden Auftrags zur Verletzung der Strafrechtsordnung gekommen ist."

Nähere Einzelheiten wurden nicht genannt. Doch die etwas verklausulierte Formulierung der Empfehlung des Verkehrsministers lässt darauf schließen, dass man durchaus die Absicht habe, die für den damaligen Vertragsabschluss verantwortlichen Politiker und CD-Experten nachträglich zur Verantwortung zu ziehen. Denn schon mehrfach wurde festgestellt, dass der mit den Italienern zustande gekommene Vertragsabschluss für die tschechische Seite sehr ungünstig ausgehandelt wurde. Nur ein Beispiel: Die Kosten und Schäden, die den Tschechischen Eisenbahnen mit dem dauernden Ausfall der Pendolino-Züge erwachsen, belaufen sich bereits auf einen Kronenbetrag im hohen zweistelligen Millionenbereich. Die vertraglich einklagbare Schadensersatzsumme ist jedoch auf ca. 600.000 Euro festgelegt. Schon jetzt darf man also festhalten, dass der Erwerb des Hochgeschwindigkeitszuges Pendolino ein millionenteurer Fehlgriff war, und darüber hinaus ein fortwährendes Ärgernis, das dem Image der Tschechischen Eisenbahnen einen schweren Kratzer zugefügt hat.