Viel Kalkül und eine Kameradin: Die Ehefrauen von Kaiser Karl IV.
Im Prager Veitsdom sind sie versammelt: Blanca von Valois, Anna von der Pfalz, Anna von Schweidnitz und Elisabeth von Pommern. Die Büsten aus der Parlerschen Bauhütte stellen die vier Ehefrauen von Kaiser Karl IV dar. Zu dessen 700. Geburtstag verdienen auch sie einen zweiten Blick, denn sie waren weit mehr als ein Anhängsel des böhmischen Königs und römischen Kaisers.
Bei der Wahl seiner Ehefrauen wird Karl IV. heute vor allem Kalkül unterstellt. Allerdings war der böhmische König aus dem Hause der Luxemburger damit lediglich ein Kind seiner Zeit. Im ausgehenden Mittelalter war die Heiratspolitik für die Fürstenhäuser ein unerlässliches Machtinstrument, um ihren Einfluss zu erweitern und zu festigen. Bei seiner ersten Vermählung im Jahr 1323 hatte der böhmische Thronfolger Karl noch gar nichts mitzureden, sagt Historikerin Lenka Bobková von der Prager Karlsuniversität:
„Eine freie Wahl hatte er in diesem Fall nicht, denn er war sieben Jahre alt. Es war im Mittelalter durchaus üblich, dass Kinder verheiratet wurden. Seine Frau war Blanca von Valois. Mit ihr konnte er aber kein Stück von Frankreich erlangen, rein gar nichts! Es ging eher um eine Verfestigung der Politik seines Vaters Jan von Luxemburg, der Frankreich sein ganzes Leben lang eng verbunden und loyal war. Er hat sogar sein Leben für Frankreich geopfert.“
Blanca bringt französische Mode nach Böhmen
Johann von Luxemburg ließ seinen Sohn am französischen Königshof erziehen. Dort wuchs auch Blanca Margarethe, französisch Blanche, auf, eine Tochter des Grafen Karl I. von Valois. Böhmischen Boden betrat sie erstmals im Jahr 1334, als sie ihrem Mann, der inzwischen zum Markgraf von Mähren aufgestiegen war, nach Prag folgte. Mit dem Hofstaat kam auch die französische Mode: Den spitzen Schnabelschuh und das Lilienmuster hat angeblich Blanca nach Böhmen importiert. Den Überlieferungen zufolge war Karls erste Frau äußerst hübsch und einnehmend. Auch dass sie schnell Deutsch und Tschechisch lernte, brachte ihr Punkte bei der Bevölkerung. 1347 wurde Blanca gemeinsam mit Karl in Prag zur Königin von Böhmen gekrönt. Der Erfolg einer Ehe im Spätmittelalter wurde allerdings an anderen Parametern gemessen:
„Aus dieser Verbindung ging kein Sohn hervor. Sie hatten nur zwei Kinder. Das widerspricht ebenfalls unseren Vorstellungen, dass es am mittelalterlichen Hof von Kindern nur so wimmelte.“
Blanca von Valois starb am 1. August 1348, vermutlich an Tuberkulose. Schon ein halbes Jahr darauf heiratete Karl erneut: Anna von der Pfalz hieß die Braut. Dieses Mal war es eine politische Verbindung, die Karls Stellung im Reich festigen sollte. Denn der Luxemburger hatte sich 1346 zum Gegenkönig von Ludwig dem Bayern wählen lassen – und kämpfte nun um die Anerkennung als alleiniger Herrscher.
„Das gelang ihm, indem er als römischer König seine Hand einem Zweig der Wittelsbacher anbot, also dem Lager der Söhne von Ludwig von Bayern, der im Jahr 1347 gestorben war. Sie suchten lange Zeit vergeblich einen neuen Herrscher. Diese Pfalzgrafen waren ein Seitenzweig der Wittelsbacher. Zunächst war es schwierig. Aber die Möglichkeit, sich zu verheiraten, in eine königliche Familie einzuheiraten, überwog schließlich, und der Widerspruch der pfälzischen Verwandten verflog dann nach und nach.“
Warten auf den Thronfolger
Pfalzgraf Rudolf II. gab die Zustimmung zur Hochzeit seiner einzigen Tochter – ein Verhandlungserfolg, der Karl auch große Teile der Oberpfalz, das später sogenannte „Neuböhmen“ einbrachte. Mit 20 Jahren wurde Anna von der Pfalz im März 1348 auf Burg Stahleck bei Koblenz mit dem römischen König vermählt. Lenka Bobková:
„Diese Ehe schien von Beginn an sehr glücklich zu sein. Ein Sohn wurde geboren, der den im böhmischen Königshaus üblichen Namen Václav erhielt. Karl erhielt in der Folge die allgemeine Anerkennung im Reich. Man kann sagen, dass er im Jahr 1350 am Gipfel seines Glückes, seines politischen Erfolges war, er hatte einen Sohn. Doch am Ende ging es anders aus. Der Sohn starb, er wurde nicht einmal zwei Jahre alt, und dann starb auch Anna von der Pfalz. Man kann vermuten, dass sie nicht völlig gesund war, denn ein weiteres Kind bekam sie nicht mehr, die Geburt war kompliziert.“
Die Verbindung mit Anna von der Pfalz blieb mit knapp vier Jahren nur eine kurze Episode im Leben von Karl IV. Unmittelbar darauf, im Mai 1353, folgte ein weiterer, politisch durchdachter Bund. Um vor allem um die nördlichen Grenzen des böhmischen Königreichs zu schützen, nahm er Anna von Schweidnitz aus dem schlesischen Adelsgeschlecht der Piasten zur Frau.
„Karl hat sie geheiratet, da war die Braut 13 Jahre alt. Da gab es eine kleine Kuriosität, denn sie war ursprünglich gedacht für seinen Sohn, der jedoch gestorben war. Karl IV. hat aber nicht sofort mit ihr zusammengelebt, soviel Verstand hatte er, im Gegensatz zu vielen anderen Herrschern. Doch ich habe das Gefühl, dass er sie später sehr liebte. Aus ihrer Perspektive lässt sich das natürlich schwer sagen.“
Kaiserkrönung in Rom mit Anna von Schweidnitz
Mit Anna von Schweidnitz erlebte Karl IV. seinen wohl größten Moment: die Kaiserkrönung durch Papst Innozenz am 5. April 1355. Lenka Bobková:
„Sie begleitete ihn auf der Reise nach Rom und wurde mit ihm zur Kaiserin gekrönt. In seinen Augen war sie sicherlich eine außerordentliche Persönlichkeit. Und als Krönung des Glücks bekamen sie auch einen Sohn. Er kam in Nürnberg zur Welt, absichtlich in Nürnberg, denn sie fuhren schon im Herbst 1360 dorthin. Václav wurde im Januar 1361 geboren. Nürnberg war im Reich, denn dieses Kind, das geboren wurde, sollte nicht nur böhmischer König werden, sondern auch römischer König, sogar Kaiser. Die Freude war natürlich groß, doch Anna starb während der Geburt ihres dritten Kindes.“
Nur 23 Jahre war sie damals alt, die Krönung ihres Sohnes Wenzel im gleichen Jahr erlebte Anna von Schweidnitz nicht mehr. Und Karl IV. suchte sich mit 47 Jahren erneut eine Ehefrau: Im Mai 1363 feierte er auf dem Krakauer Wawel eine prunkvolle Hochzeit mit Elisabeth von Pommern:
„Die letzte Ehefrau sollte vor allem die Beziehungen zu Polen verbessern. Gebiete hat er dafür nicht erhalten, im Gegensatz zur Hochzeit mit Anna von Schweidnitz. Bei der Verbindung mit Elisabeth von Pommern handelte es sich um eine politische Hochzeit, in einer Zeit, als Karl ins nördliche Reich expandieren wollte. Elisabeth verdient Bewunderung, denn sie hat ihn sehr stark unterstützt. Diese Verbindung war zufriedenstellend und von den meisten Kindern gekrönt.“
Die legendäre Kraft von Elisabeth
Sechs Nachkommen mit der 30 Jahre jüngeren Elisabeth waren es am Ende, darunter auch der spätere Kaiser Sigismund von Luxemburg. In den zeitgenössischen Chroniken wird vor allem Elisabeths außergewöhnliche Körperkraft betont. Der Domherr Benesch von Weitmühl schreibt, es habe „seit der Zeit der Fürstin Libussa in Böhmen keine so starke Frau gegeben“. Angeblich brach sie Beine von Soldaten und Köchen „wie junge Rüben mit den Händen“.
Elisabeth von Pommern überlebte ihren Ehemann um 15 Jahre. Die größte Bedeutung, nicht politisch, sondern menschlich, wird bis heute Karls erster Verbindung mit Blanca von Valois zugeschrieben. Das Bild verfestigte sich zum Beispiel durch eine Überlieferung aus den großen französischen Chroniken. Sie beschreibt den alten Kaiser, wie er in Frankreich nochmals mit der Schwester seiner ersten, längst verstorbenen Frau zusammentraf:
„Als sie einer neben dem anderen standen, begann der Kaiser so stark zu weinen und die genannte Herzogin ebenso, dass es ein sehr trauriger Anblick war.“
Und auch für Lenka Bobková sticht die Beziehung Karls zu seiner ersten Frau hervor aus der Reihe der politischen Verbindungen:
„Diese Hochzeit erschien mir immer wie eine Verbindung von Menschen, die sich altersmäßig sehr nahe waren, die sehr gut miteinander ausgekommen sind. Modern gesagt war sie ein wenig Freundin und Ehefrau in einem, so kam es mir immer vor.“