Von der Serienproduktion zur Manufakturarbeit: Die Armbanduhren von Prim

In der Kleinstadt Nové Město nad Metují / Neustadt an der Mettau im Nordosten Böhmens werden seit 1949 vor allem Armbanduhren gefertigt. Früher waren die Uhren von Prim Kult. Heute werden unter anderem mechanische Exemplare in Handarbeit produziert. In der aktuellen Folge unserer Sendereihe „Czech Made – Erfindungen und Marken aus Böhmen und Mähren“ stellen wir das Unternehmen vor.

Foto: ELTON hodinářská,  a.s.

Einst waren die Uhren von Prim ein Verkaufsschlager, aber wie sieht das heute aus? „Kennen Sie die Marke Prim?“, fragt eine Redakteurin der Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks einige Passanten. „Die werden doch umgangssprachlich ‚Primky‘ genannt! Uhren von Prim, ja, das sagt mir etwas. Eine sehr gute Marke!“, antwortet eine Frau. „Ich habe ja gerade eine Uhr von Prim am Handgelenk. Den Namen kenne ich also selbstverständlich“, meint ein Passant.

Aleš Vernar | Foto: PRIM Manufacture 1949

Komplett mechanische Uhren herstellen, das können heutzutage nur noch ungefähr 20 Unternehmen weltweit, meint Aleš Vernar. Er ist der Vertriebsleiter der Firma Elton hodinářská, die Uhren der Marke Prim auch heute noch produziert. Dem Tschechischen Rundfunk erklärt Vernar:

„Die Uhren stellen wir komplett im eigenen Haus her – vom Entwurf über das Design, die Produktion und die Montage bis zum Verkauf. Die DNA der älteren Modelle spielt für uns eine große Rolle. Im Sinne der Firma legen wir etwa noch immer Wert auf ein klares, einfaches Design. Wir wollen aber auch Fortschritte machen, sei es bei der Bearbeitung der Oberflächen, der Auswahl der Materialien und natürlich auch bei Qualität und Genauigkeit.“

Genauigkeit – bei den mechanischen Uhren von Prim bedeutet das maximal sechs bis zehn Sekunden Abweichung in 24 Stunden. Wie vor vielen Jahrzehnten erfolgt die Produktion noch heute in Nové Město nad Metují.

Die ersten in Serie produzierten Armbanduhren der Tschechoslowakei

Foto: ELTON hodinářská,  a.s.

Die Uhren von Prim: Ihren Ursprung haben sie im Unternehmen Chronotechna, das die Produkte unter dem Namen verkaufte. 1949 wurde die Produktionsstätte im Nordosten Böhmens eröffnet. Ziel war damals die Serienproduktion von Armbanduhren. Die Entwicklung der Zeitmesser dauerte lange, erst 1958 gingen die ersten Exemplare über die Ladentheke.

Auch im Fernsehen wurde damals über das neue Produkt berichtet. Dank der Verdienste der Arbeiter von Chronotechna gehöre die Tschechoslowakei nun auch im Bereich der Uhren zu den fortschrittlichsten Ländern der Welt, wurde der Moderator damals nicht müde zu betonen… Die Tschechoslowakei war damals in der Tat nur eines von acht Ländern auf der Welt, in denen Armbanduhren in Serie hergestellt wurden. Ab Ende der 1960er Jahre firmierte das Unternehmen hinter Prim nicht mehr unter dem Namen Chronotechna, sondern hieß Elton. Während in der Filiale im mährischen Šternberk / Sternberg etwa Wecker und größere Uhren produziert wurden, spezialisierte man sich in Nové Město nad Metují vor allem auf jene am Handgelenk.

Libor Hovorka | Foto: Adam Kebrt,  Český rozhlas

Doch das Spektrum umfasste auch weitere Produkte. Libor Hovorka ist leidenschaftlicher Sammler der Marke Prim: „Heute weiß kaum jemand, dass damals in Nové Město nad Metují nicht nur Armbanduhren und später Wanduhren hergestellt wurden, sondern auch Zeitmesser für Flugzeuge, Panzer und Busse“, sagt er. Die Uhren für das Militär waren dabei staubfest und feuchtigkeitsresistent. Zudem hatten sie ein ausdauerndes mechanisches Uhrwerk. Mit einmal Aufziehen tickten sie fünf Tage lang ununterbrochen.

In der Sammlung von Libor Hovorka finden sich auch Exemplare aus den Anfangstagen von Prim: „Die ersten Prototypen entstanden 1954. Die habe ich hier nicht, aber sie liegen im Betrieb von Elton. Ich habe hier aber ein, zwei Exemplare aus der Mitte der 1950er Jahre. Die Uhren hießen dabei noch nicht ‚Prim‘, sondern ‚Spartak‘.“

Foto: ELTON hodinářská,  a.s.

In Hovorkas Sammlung darf auch ein historisches Gerät nicht fehlen, mit dem die Ganggenauigkeit der Zeitmesser bestimmt werden konnte. Zudem beherbergt sein Archiv weitere außergewöhnliche Stücke, so etwa die kleinste Uhr von Prim, aber auch die größte. Außerdem besitzt er mehrere Schmuckuhren…

„Diese Schwesternuhren wurden in Zusammenarbeit mit Glashütten in Nordböhmen hergestellt. Die Schmuckgestalter haben die Broschen entworfen. In diese wurde dann in Nové Město nad Metují das Uhrwerk und das Ziffernblatt eingefügt.“

Schwierige Privatisierung, aber erfolgreich trotz Markenstreit

Foto: ELTON hodinářská,  a.s.

Nach der Samtenen Revolution wurde der Betrieb privatisiert und drohte schließlich bankrottzugehen. In den 1990er Jahren wurden nur noch ausländische Teile in den Prim-Uhren verbaut. Mit der Jahrtausendwende fanden die Uhren jedoch wieder verstärkt Absatz – und das nicht nur in Tschechien, sondern auch in weiteren europäischen Ländern sowie in Asien und den USA. In Nové Město nad Metují wurde 2009 die Produktion mechanischer Uhren wiederaufgenommen. Beim Zusammensetzen der Geräte sind heute findige Mitarbeiter gefragt, erzählt Aleš Vernar:

„Jeder Uhrmacher hat seinen eigenen Arbeitsplatz. Alle verwenden ihr eigenes Werkzeug, mit dem sie am besten zurechtkommen. Heutzutage ein Uhrmacher bei uns zu sein, bedeutet, eine Uhr komplett zusammenzubauen. Es gibt hier keine Fließbandarbeit, bei der der eine Mitarbeiter ein Teil einbaut und ein weiterer das nächste.“

Foto: ELTON hodinářská,  a.s.

Die Uhrmacher sind zumeist Experten auf einem bestimmten Gebiet…

„Wir haben hier Uhrmacher, die besonders gut gravieren können, oder Edelmetalle polieren. Andere wiederum sind Spezialisten für das Reparaturprogramm. Einige unserer Mitarbeiter können sehr gut Fehler finden und Probleme lösen, also schon eher kompliziertere Dinge. Manche kennen sich auch besonders gut mit batteriebetriebenen Uhren aus. Alle Uhrmacher bei uns müssen aber jede unserer Uhren zusammensetzen können.“

Trotz der Handarbeit ist bei der Produktion der Zeiteisen auch Technik gefragt…

„Die Maschinen helfen uns, aus den Rohstoffen die Halbfabrikate zu fertigen. Heutzutage ist die Technik von Nöten. Denn wenn man eine hohe Qualität und Genauigkeit will, braucht man Geräte, die das Material auf Hundertstel oder gar Tausendstel Millimeter genau bearbeiten können.“

Foto: ELTON hodinářská,  a.s.

Und eine solche Genauigkeit würden wohl auch die besten Uhrmacher der Welt mit bloßer Hand kaum erreichen.

Die Geschichte der Firma und vor allem die Privatisierung in den 1990er Jahren hat bis heute Auswirkungen. Denn um die Marke Prim dreht sich ein Streit mit mehreren Gerichtsprozessen. Während das Unternehmen Elton die Rechte an der Produktion der Uhren hält, wurde die Marke Prim in den 1990er Jahren an die Firma MPM-Quality verkauft. Dem Erfolg der Zeitmesser tut das in Tschechien keinen Abbruch. Zwar ist die Verbreitung sicher nicht mit der vor 1989 zu vergleichen, die Uhren gehören aber etwa beim tschechischen Regierungsamt und der Präsidialkanzlei zum offiziellen Katalog an Geschenken für ausländische Staatsgäste.

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Autoren: Ferdinand Hauser , Jitka Škápíková
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