Historische Bahnhofsuhr: Eine Zeitreise nach Dolní Žleb

Nasenuhr am Bahnhofsgebäude in Dolní Žleb

Fährt man mit dem EuroCity von Prag nach Dresden, braust der Zug im Elbtal auch am Bahnhof Dolní Žleb / Niedergrund vorbei. Nur die wenigsten wissen jedoch, dass sich hinter den Zugfenstern ein Stück Eisenbahngeschichte verbirgt.

Bahnhof Dolní Žleb | Foto: Regionalmuseum der Stadt Děčín

Bereits seit über 100 Jahren zeigt die Bahnhofsuhr am tschechisch-sächsischen Grenzbahnhof Reisenden die Zeit an. Im Sommer vergangenen Jahres wurde die umfangreiche Restaurierung der Uhr beendet. An den dreijährigen Arbeiten waren neben der tschechischen Eisenbahnverwaltung auch zahlreiche Historiker beteiligt. Unterstützung gab es unter anderem von Uhrmachermeister Jens Kühnemann aus Plauen, der sich auf historische Bahnhofsuhren spezialisiert hat. Aber auch Vilém Vavřička vom Regionalmuseum der Stadt Děčín / Tetschen hat an der Restaurierung mitgewirkt. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erklärte er die historische Bedeutung der Uhr:

Dolní Žleb | Foto: Grzesiek Krasoń,  Panoramio,  CC BY 3.0

„Es ist die einzige Uhr dieser Art in Tschechien. Es ist nämlich ein deutsches Produkt. Die Strecke bis Děčín, das heißt der Streckenabschnitt bis Podmokly, wurde bis 1945 von sächsischer Seite aus betrieben. Die Uhr stammt aus dem Jahr 1875. Wir wissen aber von Fotos, dass die Uhr erst zwischen 1910 und 1918 hier am Bahnhofsgebäude angebracht wurde.“

Bahnhof Dolní Žleb | Foto: Eva Bucharová,  Tschechischer Rundfunk

Dass der Streckenabschnitt von Děčín bis zur sächsischen Grenze früher von deutscher Seite aus betrieben wurde, liegt daran, dass er vor über 170 Jahren von Deutschland aus gebaut wurde. Der k.k. privilegierten Österreichisch-ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft war nämlich das Geld für den Bau ausgegangen.

Sanierung der Uhr | Foto: Regionalmuseum der Stadt Děčín

Die Sanierung der Uhr, die im vergangenen Jahr abgeschlossen wurden, kostete nun rund 100.000 Kronen (4000 Euro). Bei den Arbeiten an der Bahnhofsuhr wurden zwölf Farbschichten entdeckt, mit denen die gusseiserne Konstruktion im Laufe der Jahre übermalt wurde. Mittlerweile erstrahlt die Uhr wieder in ihrer ursprünglichen Farbe – einem dunklen Grünton. Das Besondere an dem historischen Zeitmesser ist aber nicht nur ihr Alter, sondern auch ihre Bauweise. Es handelt sich nämlich um eine sogenannte Nasenuhr. Vilém Vavřička:

Uhrenkasten an der Fassade des Bahnhofsgebäudes | Foto:  Regionalmuseum der Stadt Děčín

„Dieser Uhrentyp besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil ist der Uhrenkasten an der Fassade des Bahnhofsgebäudes. Den sieht jeder, der sich dem Bahnhof nähert. Das Gehäuse besteht aus Gusseisen und hat zwei Zifferblätter. Es ist sehr innovativ konstruiert, denn die beiden Zifferblätter sind schräg angewinkelt. So konnte die Zeit von fast überall aus abgelesen werden. Wenn jemand mit dem Zug ankam oder zum Bahnhof ging, konnte er mehr oder weniger immer die aktuelle Uhrzeit sehen, weil der Uhrkasten ein Dreieck bildet. Und tatsächlich: Wenn wir uns die Uhr anschauen, sieht sie aus wie eine Nase, die aus der Wand hervorragt.“

Uhrwerk,  das sich in einem Wandschrank im Inneren des Bahnhofs befindet | Foto: Regionalmuseum der Stadt Děčín

Der zweite Teil der Uhr ist das Uhrwerk, das sich in einem Wandschrank im Inneren des Bahnhofs befindet.

Die Anordnung der beiden Zifferblätter im Uhrkasten hat neben der guten Lesbarkeit noch einen weiteren Vorteil: So konnte früher eine Petroleumlampe zwischen die Zifferblätter gestellt werden – und die Uhrzeit war so auch in der Nacht abzulesen. Diese Aufgabe übernimmt heute eine Glühbirne.

Nasenuhren wie die in Dolní Žleb fanden sich früher an vielen Bahnhöfen in Deutschland, Polen oder Finnland. Die meisten Exemplare sind mittlerweile der Modernisierung zum Opfer gefallen. Nur einige wenige konnten in Museumsbahnhöfen entlang historischer Strecken oder in Ausstellungen gerettet werden.

Foto: Eva Bucharová,  Tschechischer Rundfunk

Dass die Bahnhofsuhr von Dolní Žleb über so viele Jahre an einer stark befahrenen Strecke in derart gutem Zustand erhalten geblieben ist, ist unter anderem den hiesigen Fahrdienstleitern zu verdanken. Die müssen die Uhr bis heute jeden Tag von Hand aufziehen.

„Die Uhr hält 28 bis 30 Stunden durch. Dann muss sie wieder aufgezogen werden“, so Vilém Vavřička.

11
50.84639431039378
14.214972635775581
default
50.84639431039378
14.214972635775581
Autoren: Ferdinand Hauser , Eva Bucharová
schlüsselwort:
abspielen