Von Hirschen und Hennen
Prag macht durstig. So gehört der Königsweg zum Hradschin hinauf für die meisten Touristen zum Pflichtprogramm. Wie gut trifft es sich da, dass aus den Zapfhähnen der goldenen Stadt das vermeintlich beste Bier der Welt sprudelt. Mit Sorge betrachten die Fremdenverkehrsbehörden jedoch einen neuen Trend: Für immer mehr Reisegruppen führt der Prager Königsweg nicht erst zur Burg hoch, sondern gleich in die nächste Bar. So gilt Prag vor allem bei jungen Briten als Paradies, um den Abschied vom Junggesellenleben mit einem mehrtägigen Trinkgelage zu feiern. Anne Lemhöfer hat sich das Phänomen näher angesehen.
Wie lange sind Sie schon am Trinken?
"Wir haben Donnerstag Nacht angefangen, das ist drei Tage her, jetzt ist es Sonntag früh um zwei. Wir haben Pausen eingelegt, um zu essen"
Was haben Sie außer Kneipen von Prag gesehen?
"Also, die Architektur soll ja sehr schön sein, haben wir gehört..."
Was für Paul und seine Freunde ein Segen ist, stößt bei Gastronomen und Hoteliers auf ein geteiltes Echo. Einige Lokale verwehren den Party-Gesellschaften bereits per Türschild den Eintritt. Rund 300.000 Touristen aus Großbritannien haben nach Schätzungen der Tschechischen Fremdenverkehrszentrale in diesem Jahr in Prag Urlaub gemacht. Etwa zehn Prozent von ihnen, schätzt Pressesprecherin Hana Cermakova, kamen im Jahr 2004, um eine Stag- oder eine Hen-Party zu feiern und auffällig kostümiert durch die Gassen um Altstädter Ring und Wenzelsplatz zu ziehen. Cermakova beobachtet den Trend mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
"Biertourismus wird zum Problem, wenn sich andere Touristen und Einheimische belästigt fühlen. Das Problem mit den Stag- und Hen-Partys ist nicht die Zahl derer, die kommen, um Junggesellenabschied zu feiern - sondern die Tatsache, dass die jungen Briten, im Stadtbild sehr präsent sind."
Gleichzeitig ist die bierselige Spaßfraktion von der Insel für die Prager Tourismusbranche, die nach der Flut im Jahr 2002 Millionenverluste zu verkraften hatte, nicht nur ein Ärgernis.
"Diese Touristen geben viel Geld in Prag aus und sind für Hotelbesitzer und Barkeeper eine gute Einnahmequelle. Wir wollen die Stadt aber nicht in erster Linie als Ort verstanden wissen, wo man nur hinfährt, um sich zu betrinken. Uns ist es natürlich lieber, wenn die Touristen wegen der Kultur herkommen. Und wir haben die Hoffnung, dass die jungen Engländer später vielleicht zum Familienurlaub nach Prag zurückkehren, um sich die historischen Denkmäler anzusehen oder die Natur in der Umgebung."