Von Kinderpornografie bis Liebling Liberec – außerdem: Berlinale-Film mit Havel in der „Hauptrolle“
Hören Sie nun eine neue Ausgabe unserer Sendereihe „Medienspiegel“ von und mit Christian Rühmkorf. Nach dem üblichen Presseüberblick berichtet er über ein Filmprojekt, in dem Ex-Präsident Václav Havel die Hauptrolle spielt.
Die „Mladá fronta Dnes“ befasst sich mit der polizeilichen Aussage der 34-jährigen Barbora Škrlova. Sie hatte sich beim Fall von Kindesmisshandlung in Kurim, der vor acht Monaten ans Licht kam, als 13-jährige Aníčka ausgegeben, floh und wurde vor wenigen Tagen in Norwegen aufgegriffen – als 13-jähriger Adam. Die Zeitung fragt in ihrer Headline: „Sektenanhänger, Pornofilmer oder beides? – Verbirgt sich hinter dem Fall von Kurim das Filmen von Kinderpornografie?“ Die Aussagen von Barbora Škrlova, die selbst zahlreiche Narben am Köper haben soll, deuten in diese Richtung. Die Zeitung zieht eine Parallele zum Fall des Belgiers Marc Dutroux, der in den 90er Jahren mehrere Kinder missbraucht, gefilmt und getötet hat.
Am Dienstag titelt die „Mladá fronta Dnes“: „Pfand auf Plastikflaschen: 5 bis 10 Kronen“ und reagiert damit auf das entsprechende Vorhaben von Umweltminister Martin Bursík - eine Idee, die in Deutschland bereits vor einigen Jahren umgesetzt wurde. Die Zeitung beantwortet schon jetzt zehn Fragen - nach der Höhe des Pfandes, dem Sammelsystem bis hin zur Wiederverwertung. Die Volkszeitung, die „Lidove noviny“, ergänzte am Donnerstag die „Mladá fronta Dnes“ und titelt: „Bursík: Steuern auf Plastiktüten“. Sowohl Plastikflaschen als auch Plastiktüten haben in Tschechien immer noch Hochkonjunktur. Nach dem Willen von Umweltminister Bursík geht es ihnen nun an den Kragen.Die Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ gibt sich - ebenso am Donnerstag – ganz unwirtschaftlich: „In welcher tschechischen Stadt lebt es sich am besten und warum? Nach einer Untersuchung der ´Hospodářské noviny ´ sind die besten Städte Liberec, Hradec Kralove und Prag“ Die nordböhmische Kreisstadt Liberec / Reichenberg ist nicht nur umgeben von herrlicher Natur – am Fuße ihres über 1000 Meter hohen Hausberges -, sie liegt auch in Reichweite von Prag. Daher der Untertitel: „Ideal: Prager Lohn und leben am Fuße des Ještěd“. Soweit unser Zeitungsüberblick.
Wenn jemand die Chance hat, seine Zeit auf Zelluloid gebannt zu überdauern, dann sind das entweder Schauspieler oder Politiker. Zu sehen bekommt man jedoch nur, was man auch sehen soll. Im Falle des Schriftstellers und ehemaligen tschechischen Präsidenten Václav Havel ist das anders. 1992, wenige Monate vor der Teilung der Tschechoslowakei und der Wahl Havels zum ersten Präsidenten der neu entstandenen Tschechischen Republik begann der Dokumentarfilmer Pavel Koutecký das Leben des Präsidenten hautnah mit seiner Kamera zu verfolgen. Mit dem Einverständnis des Präsidenten, über 13 Jahre hinweg.
Ein bisher einzigartiges Projekt, aus dem 70 Stunden Film- und Videomaterial hervorgegangen sind. Koutecký konnte es aber nicht mehr zu einem Film zusammenstellen. Er verunglückte 2006 bei Dreharbeiten auf einem Prager Hochhaus tödlich. Die Arbeit am Material übernahm Regisseur Miroslav Janek. Entstanden ist ein abendfüllender Dokumentarfilm mit dem Titel „Občan Havel“ - der Bürger Havel - der nun vorgestellt wurde.
Ladislav Špaček war damals Sprecher des Präsidenten und Leiter der Presseabteilung und als solcher auch für das Filmprojekt zuständig. Spacek war nicht wohl beim Gedanken an das auf viele Jahre angelegte Präsidenten-Big-Brother:
„Als ich mich über das Projekt informiert habe, bekam ich einen Schrecken. So etwas hatte es noch nie zuvor gegeben. Unvorstellbar, dass zum Beispiel der derzeitige Präsident Václav Klaus so etwas zulassen würde. Václav Havel war dem Filmprojekt zugeneigt, aber wir, die Leute in seinem Umfeld, hatten Sorge, dass das Material an die Öffentlichkeit kommen könnte. Die Offenheit zum Beispiel, in der Havel auch in Zeiten der politischen Krise über verschiedene Politiker gesprochen hat, das hätte unvorstellbare Folgen gehabt. Ich hatte mir immer wieder von Regisseur Koutecký versichern lassen, dass das Material hinter Schloss und Riegel ist, dass weder Bild- noch Tonmaterial in unbefugte Hände gerät.“
Havels Bedingung war, dass das Material erst nach seiner Präsidentschaft veröffentlicht wird. Der Zuschauer sieht Havel als Mensch. Zum Beispiel nach seiner Vereidigung als Präsident, hinter den Kulissen im Kreis seiner Freunde. „Schluss mit der Kameradschaft, jetzt wird Ordnung gemacht – ich bin nicht abwählbar“, scherzt Havel. Der Zuschauer tritt mit Havel auf den Balkon und schaut auf die jubelnde Menge. Er sieht mit an, wie Havel in seinem Arbeitszimmer verzweifelt seine Zigaretten sucht, findet und inhaliert. Der Zuschauer steht hinter Havel, der - versteckt hinter einer Gardine - auf die kondolierende Menge nach dem Tod seiner Frau Olga schaut. Er sitzt beim Polit-Poker mit Havel und Oppositionsführer Miloš Zeman am Tisch. Und er ist dabei, wenn Bill Clinton im Jazz Club Reduta zum Saxophon greift, das ihm Václav Havel geschenkt hat.Natürlich gab es auch Augenblicke und Stunden, in denen die Kamera vor die Tür geschickt wurde. Zum Beispiel, wenn Kameramann Stano Slušný es nicht mehr aushielt und begann dem Präsidenten Ratschläge zu erteilen. Vor allem jedoch, wenn es galt Sicherheits- oder Personalfragen zu besprechen. Aber bei den Aufnahmen ging es ja auch um die Persönlichkeit Václav Havels. Und da kommt der ehemalige Präsidentensprecher Ladislav Špaček zu einem eindeutigen Urteil über den Film:
„Das, was ich gesehen habe, ist tatsächlich eine sehr gute, authentische und ehrliche Dokumentation über die Persönlichkeit des Präsidenten Havel und darum ging es ja auch. Václav Havel als Menschen kennen zu lernen, der fast jeden Tag vor Humor sprüht, der viele Angelegenheiten sehr emotional wahrnimmt, der alles ordentlich einüben und proben will, das ist für den Zuschauer sicher ein eindrückliches Erlebnis.“ Der Film wurde bereits verschiedenen Verleih-Firmen im Ausland angeboten, bisher gibt es aber noch keine konkreten Pläne. Aber eines verrät Koproduzent Pavel Strnad schon: „Der Film wird im kommenden Monat auf der Berlinale laufen.“ Aber bereits am 31. Januar läuft er über tschechische Kinoleinwände.