Vor 125 Jahren aus der Asche auferstanden: Nationaltheater Prag
Die Geschichte dieses Theatergebäudes hat in der Vergangenheit die tschechischen Schriftsteller und Filmemacher zu zahlreichen mehr oder weniger gelungenen Werken inspiriert. Vor allem für die ältere Generation der Tschechen stellt dieses Haus immer noch eine Art nationales Juwel dar. Die Rede ist vom Nationaltheater Prag, das in der Zeit der nationalen Wiedergeburt aus Spenden der Patrioten erbaut wurde. In den vergangenen Tagen sind 125 Jahre seit der Wiedereröffnung des Nationaltheaters vergangen.
Das Gebäude sei nicht nur ein hervorragendes Theaterhaus, sondern auch eine faszinierende Galerie der Kunst des 19. Jahrhunderts, die auch von ausländischen Theaterleuten und Besuchern bewundert wird, sagt Ondřej Černý:
“Man muss sagen, dass es ein gelungenes Theatergebäude ist. Viele Theaterleute aus dem Ausland sind neidisch, dass wir ein so schönes Theaterhaus haben.“
Das viel bewunderte Theater hat eine etwas dramatische Geschichte. Der Gedanke, das Nationaltheater zu bauen, entstand in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts. 1851 wurden Spendensammlungen zu diesem Zweck eröffnet. 1868 wurde der Grundstein für das Gebäude gelegt. Eigentlich waren es damals mehrere Grundsteine, die aus verschiedenen historisch bedeutenden Orten Böhmens nach Prag gebracht wurden. Mit dem Bau wurde der Architekt Josef Zítek beauftragt. Im Juni 1881 wurde das Theater geöffnet, obwohl die Bauarbeiten noch nicht vollständig beendet waren. Im August kam es zu einem Brand, der die Kupferkuppel, den Zuschauerraum sowie die Bühne stark beschädigte. Gleich nach der Katastrophe wurde Geld für den Wiederaufbau gesammelt. Den Wiederaufbau leitete Zíteks Schüler Josef Schulz. Vor 125 Jahren, m 18. November 1883 wurde das neue Theatergebäude dann endgültig feierlich eröffnet. Zum 125. Jahrestag der Wiedereröffnung des Nationaltheaters ist das vergoldete Geländer auf dem Dach des Gebäudes renoviert worden. Seinetwegen trägt das Theater auch den Namen „goldene Kapelle“. Zudem wurden die Skulpturen der Trigen gründlich ausgebessert, die das Gebäude verzieren. Die riesengroßen Dreigespanne sind ein Werk des berühmten tschechischen Bildhauers Bohuslav Schnirch. Einer seiner Urgroßenkel, Petr Pazdera-Payne, ist Schriftsteller und hat auch etwas von der künstlerischen Begabung seines Vorfahren geerbt.„Ich weiß bis heute nicht, wie der Urgroßvater auf die Idee kam, die Trigen zu schaffen, denn in der Antike gab es Vier- oder Zweigespanne. Auf verschiedenen Theatergebäuden in Europa sieht man eben die Quadrigen. Ich nehme an, dass es vielleicht aus dem Grund war, dass drei Pferde besser als vier oder zwei zu entwerfen und zu modellieren sind. Da mein Urgroßvater wegen dem Auftrag vom Nationalthearer ein Atelier brauchte, ließ er ein Haus im Stadtteil Königliche Weinberge bauen. Das Haus im Neorenaissancestil befindet sich in der Mikovcova-Straße unweit des I.-P.-Pavlov-Platzes. Er wollte damals die Trigen aus Kupferblättern schaffen und ließ sich durch die Technik beim Bau der Freiheitsstatue inspirieren. Sein Vorhaben konnte er jedoch nicht vollenden. Das Theater brannte aus. Angeblich hat mein Urgroßvater gerade im Café Slavia gesessen, als das Theater zu brennen begann. Er soll versucht haben, noch seine Statuen zu retten, und musste schließlich auf dem Blitzableiter vom Gebäude runterklettern. Beim Brand kam er um die Modelle der Trigen, die er oben installiert hatte. Die Trigen haben dann andere Bildhauer vollendet: Emanuel Hallmann, František Rous und Ladislav Šaloun. Dies hat mein Urgroßvater jedoch nicht mehr erlebt.“
Nicht nur auf dem Dach oder auf der Fassade ist das Theatergebäude mit Statuen verziert. Die Gänge und Foyers des Theaters stellen eine Art Galerie von Büsten von Persönlichkeiten dar, die mit dem Nationaltheater verbunden waren. Anlässlich des Jubiläums wurde die Büste des einstigen Theaterdirektors Gustav Schmoranz im Theater wieder installiert. Diese Büste hatte ein interessantes Schicksal. Štěpán Kubišta arbeitet in der Abteilung für Außenbeziehungen im Nationaltheater. Während der kommunistischen Zeit erfreuten sich nicht alle im Theater verewigte Persönlichkeiten der Gunst der Mächtigen:„Gustav Schmoranz ist ein Beispiel dafür. Seine Büste wurde hier erneut installiert. Die Büste stand schon einst im Foyer auf dem ersten Balkon. Er war der am längsten dienende Direktor des Nationaltheaters, das er in den Jahren 1900 bis 1922 leitete. In dieser Zeit besuchte Zdeněk Nejedlý, der spätere berüchtigte kommunistische Bildungsminister, als Student oft das Theater. Als der junge Nejedlý während der Vorstellung laut war und die anderen störte, ließ ihn Direktor Schmoranz aus dem Theater leiten. Nejedlý wurde dann 1948 Minister und ließ die Schmoranz-Büste sofort beseitigen. Nach 60 Jahren ist die Büste nun wieder im Theater installiert worden – diesmal auf dem Treppenhaus zwischen dem ersten und zweiten Balkon.“
Das Nationaltheater hat anlässlich seines Jubiläums eine Neuheit eingeführt: Es werden nun auch Führungen für Sehbehinderte durch das historische Gebäude angeboten. Štěpán Kubišta:„Dieses Projekt ermöglicht Sehbehinderten, das Gebäude des Nationaltheaters kennen zu lernen. Für diese Führungen wurde eine spezielle haptische Ausstellung vorbereitet, also eine Ausstellung zum Anfassen. Dazu gehören 20 Büsten namhafter Kulturpersönlichkeiten, die mit der Geschichte des Nationaltheaters verbunden sind. Diese Büsten wurden mit Beschriftung in Braille-Schrift versehen und technisch gegen Sturz gesichert. Führungen für Sehbehinderte werden mit einem geschulten Begleiter organisiert, der am Anfang der Führung den Theaterraum eingehend beschreibt. Während der Führung können die Teilnehmer die Büsten anfassen und mehr über den Schöpfer der Kunstwerke sowie die dargestellten Persönlichkeiten erfahren.“
Nicht nur neue Führungen durch das Theater und Sondervorstellungen, sondern auch ein Buch ist vom Nationaltheater herausgegeben worden. Es handelt sich um einen Comic, in dem kleine Leser mehr über die Geschichte des Nationaltheaters erfahren können. An der feierlichen Vorstellung des lustigen Theaterbuchs nahm auch die international bekannte tschechische Sopranistin Eva Urbanová teil. Sie fand das Buch sehr gelungen und meinte, es werde sicher auch Erwachsenen gefallen. Eva Urbanová fragte ich, welche Beziehung sie zum Prager Nationaltheater hat - nach all den Jahren, in denen sie in der ganzen Welt in namhaften Opernhäusern gesungen hat.
„Im Nationaltheater habe ich das größte Lampenfieber, weil ich es für mein Heimattheater halte. Aber ich mag dieses Theater am meisten von allen Theatern der Welt.“Damit sind wir fast am Ende des heutigen Spaziergangs durch die Geschichte des Prager Nationaltheaters angelangt. Das Nationaltheater wurde am 18. November 1883 mit einer Opernvorstellung wieder geöffnet. Es handelt sich um eine der berühmtesten Opern von Bedřich Smetana. Falls Sie den Namen der Oper wissen, können Sie es uns schreiben. Denn so lautet die heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2.
In der letzten Ausgabe des Spaziergangs im Oktober fragten wir Sie nach der Fakultät, die auf dem Jan-Palach-Platz steht, und an der Jan Palach studiert hat. Es ist die philosophische Fakultät der Karlsuniversität. Ein Buch geht an Günther Wagner aus Bad Dürrenberg.