Vor 25 Jahren gesprengt: der historische Bahnhof Těšnov

Bahnhof Těšnov

Zum architektonischen Erbe Prags gehören nicht nur mittelalterliche Kirchen, barocke Paläste und repräsentative Jugendstilbauten. Die historischen Bahnhofsgebäude im Prager Stadtzentrum, der Hauptbahnhof und der Masaryk-Bahnhof, sind herausragende Beispiele der Industriearchitektur des späten 19. Jahrhunderts. Ein weiterer, aus kunsthistorischer Sicht mindestens ebenso bedeutender Bahnhof, verschwand jedoch vor 25 Jahren für immer aus dem Prager Stadtbild: der Bahnhof Těšnov. Im März 1985 musste das monumentale Neorennaissancegebäude dem Bau der Stadtautobahn weichen.

Bahnhof Těšnov
In unmittelbarer Nähe der Metro-Station Florenc rauscht die Blechlawine über die vierspurige Stadtautobahn. Mehrere Dutzend Meter über den Köpfen der Fußgänger führt sie hier über eine Brücke. Das war nicht immer so. Bis vor 25 Jahren stand hier der Bahnhof Těšnov.

„Er war in seiner Zeit einer der schönsten und repräsentativsten Bahnhöfe in Prag. Seine Architektur übertraf nicht nur die der anderen Prager Bahnhöfe, sondern auch die der meisten in ganz Europa. Der Bahnhof Těšnov war ein außergewöhnliches Beispiel der Industriearchitektur des späten 19. Jahrhunderts“, sagt Benjamin Fragner, Leiter des Forschungszentrums für das architektonische Erbe an der Technischen Universität Prag.

„Darüber wurde kaum geschrieben. Noch ein Jahr vor der Zerstörung des Bahnhofs Těšnov fanden dort sogar noch Restaurierungsarbeiten statt. Und die Öffentlichkeit wurde mit verschiedenen Ideen konfrontiert, wie das historische Gebäude genutzt werden könnte.“

Im Vordergrund stand für die kommunistische Stadtverwaltung aber, den Bau der Stadtautobahn zu propagieren, die als großartiges technisches Meisterwerk von der Parteipresse gefeiert wurde. Der Bahnhof Těšnov hingegen hatte ausgedient. Geradezu zynisch wurde in den Fernsehnachrichten am 16. März 1985 der Vollzug gemeldet:

„Der ökonomische Aufwand aller in Betracht gezogenen Lösungen für eine andere Nutzung des Gebäudes war zu hoch. Schließlich hat sich die Architekturbehörde für den einfachsten Vorschlag entschieden.“

Die Worte des Nachrichtensprechers wurden illustriert mit der riesigen Staubwolke, die die Sprengung des unersetzbaren Baudenkmals begleitete. Unter der Brücke, die über den damaligen Standort des Bahnhofs führt, befindet sich heute ein kleiner Park. Zum Verweilen lädt er nicht ein. Mit akustischer Untermalung der Stadtautobahn verrichten hier Hunde ihr Geschäft.