Vor 80 Jahren – große Schau zeitgenössischer Kultur in Brünn
Nicht immer muss es Prag sein: Die wohl größte Messe-Ausstellung der Tschechoslowakei zwischen den Weltkriegen wurde nämlich nicht in der Hauptstadt des Landes aufgebaut, sondern im mährischen Brünn. Sie hieß „Ausstellung für zeitgenössische Kultur“ und fand vor genau 80 Jahren statt.
Bohuslav Fuchs, Josef Gočár oder etwa Josef Kalous – es sind die Namen bedeutender Architekten des Funktionalismus, die mit der Ausstellung für zeitgenössische Kultur in Brünn verbunden sind. Aber nicht nur sie. Auch der schon damals anerkannte mährische Komponist Leoš Janáček ließ zur Eröffnung der Schau im Mai 1928 einige seiner Werke aufführen. Unter ihnen die Sinfonietta, welche er zu Ehren der Stadt Brünn geschrieben hatte. Allerdings waren diese Aufführungen ganz und gar kein Erfolg.
„Konzert der feierlichen Sinfonietta. 56 Zuschauer im Theater. Keiner aus dem Ausstellungsvorstand“, notierte Janáček erbost.
Die Ausstellung selbst jedoch, die als Leistungsschau des ganzen Landes gedacht war, sie sollte sogar ein sehr großer Erfolg werden. Mehr als zweieinhalb Millionen Besucher kamen in die Hallen – es war ein Vielfaches der Einwohnerzahl von Brünn. Wie allerdings kam es überhaupt zu der Idee?
„Die Initiative zu der Ausstellung war in Brünn selbst entstanden – zum einen von den Vertretern der Stadt und zum anderen aus intellektuellen Kreisen wie zum Beispiel Hochschulprofessoren. Die tschechoslowakische Regierung begrüßte diese Initiative, denn in den zehn Jahren seit der Staatsgründung 1918 hatte das Land eine stürmische Entwicklung hingelegt. Das Patronat übernahm Staatspräsident Masaryk höchstpersönlich“, beschreibt die Brünner Architekturhistorikerin Lenka Kudělková.
Mit den Planungen wurde bereits 1923 begonnen. Der mährische Landesausschuss kaufte dem Industriellen Victor Bauer insgesamt 60 Hektar zu einem Spottpreis von acht Millionen Kronen ab. Bauer sagte später, er habe sich loyal gegenüber der Republik verhalten wollen. Mit dem Bau des Ausstellungsgeländes wurde im Dezember 1926 begonnen. 69 Pavillons entstanden mit einer Fläche von insgesamt über 30.000 Quadratmetern. Den Wettbewerb für den Bau des funktionalistischen Industriepalastes gewann allerdings kein Brünner Architekt, sondern der Prager Josef Kalous. In nur 30 Tagen wurde der Bau aus Eisen, Beton und Glas hochgezogen.
Warum im Übrigen Brünn zum Ausrichtungsort der landesweiten Leistungsschau wurde, hatte mehre Gründe. Zum einen lag die Stadt in der gedachten Mitte der damaligen Tschechoslowakei. Zum anderen bemühte man sich hier schon viele Jahre um ein Messegelände.
„Bereits 1901 versuchte die Stadt auf ihrem Gebiet ein Messegelände entstehen zu lassen. Sie übergab sogar im Reichsrat in Wien eine Petition zur Errichtung eines ständigen Ausstellungsgeländes, der jedoch nicht stattgegeben wurde. Nach der Gründung des selbständigen tschechoslowakischen Staates erhielt das Bemühen erneuten Auftrieb, und das sehr intensiv. So fanden ab 1922 auf einem provisorischen Gelände die Brünner Ausstellungsmärkte statt. Es waren klassische Produktmessen, die aber großen Besucherzulauf hatten. Und das veranlasste die Vertreter der Stadt, den Gedanken an den Bau eines ständigen Landesausstellungsgeländes wieder zu beleben.“
Am 26. Mai 1928 wurde die „Ausstellung für zeitgenössische Kultur“ eröffnet. Der Tschechische Rundfunk war dabei sozusagen Medienpartner, um es mit einem heutigen Begriff zu umschreiben. In einem der Pavillons wurde zudem die damalige Sendetechnik inklusive einem Vorführstudio gezeigt. Berichtet wurde natürlich auch regelmäßig und zwar live. Weil Live-Berichte aber erst ab 1931 auf Bänder überspielt wurden, herrscht im Archiv heute gähnende Leere. Keine einzige Aufnahme ist dem Tschechischen Rundfunk erhalten geblieben. Im Print-Bereich war wohl die „Lidové Noviny“ am aktivsten, die Zeitung erschien damals in Brünn. Zur Eröffnung hieß es dort mit großem Pathos:
„Lasst uns den Feiertag des siegreichen Gedankens begrüßen, den Feiertag einer neuen, größeren Zukunft und eines besseren Lebens von uns allen!“
Doch ganz so großartig wurde die Eröffnung nicht. Einige Pavillons waren nicht rechtzeitig fertig gestellt worden. Aus diesem Grund kamen nur drei Minister. Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk – immerhin Pate der gesamten Veranstaltung - sagte hingegen ab. Immerhin holte Masaryk später nach, was er im Mai versäumt hatte und brachte es bis zum Torschluss im September 1928 noch zu drei Besuchen der Ausstellung. Und das war der damaligen Bedeutung auch sicher angemessen. Viele tschechoslowakische Bürger waren schließlich stolz auf die Leistungskraft des jungen Staates, ob es Tschechen, Slowaken, Deutsche, Ungarn oder Angehörige weiterer Nationalitäten waren. Der Werkbund der Deutschen hatte sogar einen eigenen Pavillon, in dem er vor allem Handwerk ausstellte.
„Die Ausstellung für zeitgenössische Kunst war zumindest in Brünn die letzte gemeinsame tschechisch-deutsche Schau. Nach 1930 begann sich das alles zu ändern“, bemerkt dazu Architekturhistorikerin Lenka Kudělková.
Doch nicht allen damaligen Besuchern dürften die vaterländischen Gefühle wichtig gewesen sein. Sie freuten sich auch ganz einfach an der neuen Technik, die sie zu sehen bekamen. Dazu gehörte unter anderem ein elektrisch ausgestatteter Haushalt.
„Alles lief dort elektrisch, was für uns heute normal ist. Aber im Jahr 1928 war es etwas Besonderes, dass dort ein Kühlschrank stand oder ein Elektroherd. Kaum jemand dürfte auch an dem kleinen Pavillon mit dem Namen ´der Mensch und seine Herkunft´ vorbeigegangen sein. Zeitzeugen, die heute vielleicht noch leben und als Kinder dort waren, erinnern sich alle an das Mammut, das dort in Originalgröße ausgestellt war.“
Ebenso ein Publikumsrenner war die Radio- und Kinotechnik, die Besucher bekamen dort populärwissenschaftliche Filme zu allen möglichen Themen zu sehen. Doch damit nicht genug. Die Ausstellung sollte auch unterhalten. Das begann mit einem kleinen Touristenzug, der über das Gelände fuhr. Und endete bei der Wahl einer Schönheitskönigin, was damals eher als Kuriosität galt. Was ist aber geblieben von der großen Leistungsschau in Brünn vor 80 Jahren?
„Aus meiner Sicht als Architekturhistorikerin ist das natürlich die Architektur. Die gesamte Messeanlage war architektonisch-urbanistisch außergewöhnlich, und das nicht nur für die Stadt Brünn, sondern für die gesamte Tschechoslowakei. Sie war der Höhepunkt im Wandel Brünns von einer Provinzstadt, die eng an Wien gebunden war, in eine selbstbewusste Metropole Mährens und in die zweitwichtigste Stadt des Staates. Einen solchen Wandel hat auch die ältere Architektur Brünns nie erlebt und er hat sich seitdem auch in dieser Weise nicht mehr wiederholt. Die damaligen Besucher konnten das damals nicht so deutlich wahrnehmen, und das auch deswegen, weil die Sicht auf die Architektur durch die ganzen Exponate verstellt war“, sagt Fachfrau Lenka Kudělková.
Im Übrigen gehört der Messepalast von damals im Stil des Funktionalismus bis heute zum Messegelände in Brünn. Große Teile der Anlage wurden jedoch im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört. Geblieben sind hingegen eine Reihe funktionalistischer Wohn- und Geschäftsbauten, die außerhalb des Ausstellungsgeländes hochgezogen wurden.