Wahlen 2002: "Nationale Interessen" als erfolgreiches Wahlkampfthema?
Beim Thema "Wahlen" bleiben wir auch im nächsten Beitrag. Das Schlagwort der sog. "nationalen Interessen" hat sich hierzulande besonders in der letzten Zeit zu einem äußerst beliebten Wahlthema entwickelt. Worum geht es bei der "Verteidigung der nationalen Interessen", die z. B. von den Bürgerdemokraten (ODS) auf ihren Wahlplakaten proklamiert wird? Nach der Antwort auf diese Frage suchte Martina Schneibergová.
Die staatliche Souveränität, die jedoch mit der fortschreitenden europäischen Integrität an Bedeutung verlieren wird, ökonomische Konkurrenzfähigkeit, aber auch das Recht, z. B. den in Tschechien populären Olmützer Stinkkäse vor den EU-Bürokraten zu verteidigen. Wie eine vom Wochenmagazin Tyden vor kurzem durchgeführte Umfrage unter tschechischen Politikern belegt, ist es höchst schwierig, die nationalen Interessen zu definieren. Und verteidigen müsse man sie offensichtlich vor allem vor den Nachbarn. Der Politologe Bohumil Dolezal von der Karlsuniversität in Prag hält das Wahlthema der nationalen Interessen, obwohl diese nur wenig konkret definiert werden, für erfolgreich:
"Ich bin der Meinung, dass leider diese Motive, die größte und wichtigste Rolle in der Wahlkampagne spielen, und zwar in dem Sinne, wenn man nationale Interessen sagt, ist es noch an sich nichts Schlimmes, aber bei uns versteht man darunter eine aggressive, offensive Selbstbehauptung gegen Deutschland, Österreich und in gewissem Sinne auch gegenüber Ungarn, was besonders absurd ist."
"Sind diese Anspielungen an die "nationale Stimmung" bislang erfolgreich?"
"Das ist - glaube ich - eindeutig. Die Partei, die diese Motive am stärksten durchsetzt, d. h. die ODS, liegt auf erster Stelle. Die CSSD - die Sozialdemokraten - die in diesem Sinne eher instinktive Chauvinisten sind als bewusste, liegen auf zweiter Stelle und die sogenannte Koalition, die sich ein wenig zurückhaltend verhielt, aber keinen Mut hatte, sich gegen diese Tendenzen klar auszusprechen, ist weit zurückgeblieben."
Wie sieht das Spiel mit den sogenannten nationalen Interessen der Medienexperte von der Europäischen Akademie Berlin, Jaroslav Sonka?
"Das kann man kurz beantworten - jeder der dieses im Wahlkampf in den Mund nimmt, meint natürlich seine eigenen Interessen, parteipolitische Interessen, nicht nationale Interessen. Wenn man über nationale Interessen ernsthaft sprechen würde, müsste man sich umsehen, was das alles sein kann - z. B. nachhaltige Entwicklung, ökologische Standards, viele andere Angelegenheiten, die einfach den normalen Bürger betreffen. Und davon ist natürlich nie die Rede, wenn es darum geht, diese Schlagwörter zu bedienen."
"Wie kommt es, dass trotzdem viele Prozent der Wähler - wie aus den jetzigen Meinungsuntersuchungen geht - darauf positiv reagieren?"
"Es ist ja so, dass die Wähler bis 1989 natürlich in der ganzen Gesellschaft unter einem erheblichen Druck standen und ihre ganze persönliche Entwicklung anders verlaufen ist, und sie sind natürlich jetzt auch abhängig davon, dass ihnen bestimmte Vorgaben politischerseits gemacht werden und gerade in dem Zusammenhang ist es auffällig, dass Leute in den politischen Parteien, die diese Angebote machen, es in einer Manier machen, die ein bisschen agitatorisch an die alten Zeiten erinnert."
Wenn von der Verteidigung der nationalen Interessen die Rede ist, weisen die Politiker oft nur auf bestimmte - fast mysteriöse - aber nicht unbedeutende von außen drohende Kräfte hin. Was verbirgt sich dahinter? Dazu noch einmal Jaroslav Sonka:
"Also um brutal zu sein, müsste man sagen, dass Milosevic mit diesen Mechanismen über zehn Jahre geherrscht hatte und sämtliche Unbill über sein Land herbeirief. Es ist so, dass die Gefahr, die z. B. mit der EU verbunden wird, eindeutig eine Gefahr ist, dass alles das, was diese Politiker in ihrer politischen Vergangenheit nach 1989 gemacht haben, so zu sagen jetzt, geöffnet wird und sichtbar sein wird, wenn die Regeln der EU gelten werden, d. h. es wird auch zu sehen, wenn bestimmte Sachen unsauber abgelaufen sind und deswegen ist dies eine Gefahr und wiederum ist es keine Gefahr für den Bürger, sondern für denjenigen, der über diese Gefahr spricht."