Wandern, Trinken, Baden und der Umsatzverlust - Spindlermühle ohne Schnee
Zwar ist es mittlerweile winterlich in den Bergen geworden. Aber lange Zeit in diesem Januar war dem nicht so. In einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe "Reisland Tschechien" geht es deswegen darum, was ist, wenn nichts ist - wenn nämlich kein Schnee liegt. Till Janzer hat sich dazu in Tschechiens größten und mondänsten Wintersportort aufgemacht: nach Spindlermühle / Spindleruv mlyn.
Wer im Winter in die Berge reist, will meist Langlaufen, Abfahren oder auf dem Snowboard in Richtung Tal gleiten. Das gilt auch für Spindlermühle. Doch der warme Januar hat vielen Besuchern des Ortes im Riesengebirge einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dazu war am Freitag, dem 19. Januar, nachdem Orkantief "Kyrill" auch über Tschechien hinweg gezogen war, dort auch noch der Strom ausgefallen.
Mein Weg führt daher in die nächste Kneipe. Dort treffe ich auf fünf Männer aus der Gegend um Koblenz: Olli, Michael, Rudi, Patrick und Jörg.
Was macht man, wenn man im Winterurlaub ist, aber kein Schnee liegt?Olli: "Trinken, sehr viel trinken. Aber das ist die ehrliche Antwort. Wir trinken von morgens um elf bis nachts um vier."
Wäre das auf der Piste anders?
Olli: "Klar, wir würden auch Ski oder Snowboard fahren. Aber wir können leider nicht."
Welche Vorstellung hattet Ihr von dem Skigebiet und wo fahrt Ihr sonst hin?
Olli: "Wir sind eigentlich so die Österreich-Skiurlauber. Wir fahren sehr oft nach Ischgl und nach Sölden. St. Anton ist auch sehr beliebt bei uns, aber wir wollten mal etwas ganz anderes erleben. Tschechien ohne Schnee ist allerdings, auf Deutsch gesagt, Scheiße. Nur wir wussten das im Vorfeld."
Patrik: "Aber die Lage hier ist toll, da kann man nichts dagegen sagen."
Im Nebenraum sitzen bei Kerzenlicht zwei ältere Damen aus Dresden: Gisela und Gertraude.
Sie sind hier in Spindlermühle, es liegt kein Schnee. Sind Sie enttäuscht deswegen, und haben Sie das schon einmal erlebt?
Gertraude: "Erlebt haben wir das noch nie, wir hatten immer sehr viel Schnee. Nun waren wir waren im Zweifel, ob wir die Langlaufski überhaupt mitbringen sollen. Aber auf unserer Baude hat man uns gesagt: Unbedingt, es liegt Schnee. Und dann kommen wir hierher und hatten eine gewisse Enttäuschung vor uns."
Was kann man denn ansonsten machen, wenn in Spindlermühle kein Schnee liegt? Dazu kommt, dass heute auch der Strom nicht geht.
Gisela: "Also, da fällt mir bei diesem Wetter eigentlich nichts ein. Wir sind heute eine kleine Runde nach St. Peter gelaufen, da gab es Schneeregen. Man wird dann von oben nass und von unten nass. Wir sind auch nicht mehr in dem Alter, dass wir in die Disko gehen."
Hatten Sie denn überlegt, die Reise zu stornieren?
Gisela: "Dieser Gedanke ist uns nicht gekommen, weil wir davon ausgegangen sind, dass wir wandern, wenn wir nicht Langlaufen können."
Gertraude: Außerdem hatten wir im Herbst schon 40 Prozent unserer Kosten angezahlt."
Längst nicht alle Winterurlauber wollen die Lage aber einfach so hinnehmen. Dazu die Leiterin des Hotels Praha, Marketa Duchackova:
"In diesem Moment reisen gerade einige Gäste wegen des schlechten Wetters wieder ab. Wir erwarten zwar neue Gäste. Wie lang sie aber bleiben, kann man nicht sagen. Meist fahren sie schon Mitte der Woche wieder weg, und damit zwei bis drei Tage früher als geplant."
Weitere Winterurlauber blasen einfach ihre Reise ab, so Duchackova:
"Im vergangenen Jahr war zu dieser Zeit das Hotel voll. Bei uns ist der Unterschied aber nicht so groß, wir sind zu 80 Prozent besetzt. Insgesamt sind in der Stadt jedoch sehr wenige Gäste."
Manche Gastbetriebe trifft es härter als das Hotel Praha. So die Pension U Komarku, die im Zentrum von Spindlermühle liegt. Jiri Komarek, der Eigner des Hauses:
"Diese Saison gestaltet sich für uns sehr schwierig, weil wir einen ziemlichen Verlust an Einnahmen haben. Das wird noch dadurch verschlimmert, dass wir einen Kredit aufnehmen mussten, weil wir renoviert haben. Für uns bedeutet das nun, dass wir die Bank um einen Aufschub der Rückzahlungsraten bitten müssen."
Um wie viel sind Ihre Gästezahlen zurückgegangen?
Komarek: "Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist nur die Hälfte der Gäste da.
Sie sind aus Spindlermühle. Erinnern Sie sich an ein Jahr, in dem der Beginn der Wintersaison ähnlich schlecht war?
Komarek: "An so etwas erinnere ich mich kaum noch. Aber die Alteingesessenen, mit denen ich rede, haben mir bestätigt, dass es einen ähnlichen Winter vor rund 40, 45 oder 50 Jahren gab."
Dass eher das Hotel Praha die Ausnahme ist und die Pension U Komarku der Normalfall, deutet die Leiterin des Informationszentrums Spindl-Info, Lucie Jandurova, an:
"Leider sind im Vergleich zu den früheren Jahren viele Kapazitäten frei. Ich würde 30 bis 50 Prozent weniger Gäste schätzen. Deswegen gibt es viele Last-Minute-Angebote. Die liegen bei etwa 20 bis 30 Euro pro Person und Nacht mit Frühstück, wobei der Preis normalerweise 30 oder 40 Euro beträgt."
Trotz der niedrigeren Preise würden die Leute aber anrufen und sich nach den Stornogebühren erkundigen, sagt Jandurova: "Viele haben eine Anzahlung in der Höhe von 30 bis 50 Prozent gemacht. Sie wollen dann stornieren oder sie kommen nur für drei bis vier Tage. Sie bleiben also nicht die ganze Woche lang."
Für diejenigen, die dennoch anreisen, muss der Spaß abseits der Piste gefunden werden. Lucie Jandurova empfiehlt da beispielsweise Outdoor-Aktivitäten wie die Bobbahn oder das Bungeejumping. Des Weiteren hat sie Tagesausflüge unter anderem nach Prag im Programm. Ein weiterer Tipp ist der örtliche Aquapark. Und dort freut man sich sogar über den milden Winter. Sona Cejnarova, die Miteignerin des Aquaparks:
"Für den Aquapark ist das einträglich. Unsere Besucherzahlen sind gegenüber den Tagen mit Schnee um 30 Prozent nach oben gegangen."
Mehr als ein Ersatz sind Wasserrutschen und Sprudelbad aber auch nicht, wie ein deutsches Pärchen vor Ort meint:
"Ganz sicher wären wir lieber Ski fahren gegangen."
Gegenüber dem Aquapark beginnt im Übrigen der Vierersessellift hoch zum Skigebiet auf dem Medvedin, es geht von 745 Meter Höhe auf rund 1360 Meter. An der Talstation ist braunes Gras zu sehen. Auf den Sesseln, die nach oben schaukeln, sitzt kaum jemand - dabei heißt es, dass man ganz oben trotz allem Skifahren könne.