Wanderung auf dem Kamm des Adlergebirges

Adlergebirge (Orlické hory)

Ein massiver Bergkamm mit zahlreichen Tälern, bedeckt von Blumenwiesen, Mooren und Wäldern. So sieht das Adlergebirge (Orlické hory) aus, in dem wir heute wandern wollen.

Staatsgrenze zu Polen
Wir müssen dazu in den östlichen Teil Böhmens reisen, wo diese Bergkette die Staatsgrenze zu Polen bildet. Unser Begleiter bei der Wanderung wird Jan Mocek sein, der Leiter der Verwaltung des Landschaftsschutzgebiets Orlické hory.

Adlergebirge  (Orlické hory)
"Das Adlergebirge ist ein touristisch sehr attraktives Gebiet. Sein wertvollster Teil wurde im Jahr 1969 zum Landschaftsschutzgebiet erklärt, mit einer Fläche von 204 Quadratkilometern."

Das Landschaftsschutzgebiet feiert also in diesem Jahr seinen 35. Geburtstag, woran eine Konferenz sowie eine Ausstellung in Rychnov nad Kneznou (Reichenau) erinnern werden. Wie kann man diese Landschaft beschreiben, was ist darin eigentlich so einzigartig, dass sie unter Schutz steht?

"Für das Adlergebirge sind lange, ausgedehnte Bergkämme charakteristisch, die überwiegend bewaldet sind. Davon laufen Flüsse und Flüsschen in tiefe Täler hinab. Um diese Flüsse bildeten sich Moorwiesen und Torfmoore, auf denen bis heute mehrere hundert interessante Pflanzenarten wachsen und wo natürlich auch wertvolle Fauna lebt."

Jan Mocek kann einen Ort besonders empfehlen:

Adlergebirge  (Orlické hory)
"Eine Perle des Adlergebirges ist das Naturschutzgebiet Bukacka, das manchmal auch als 'botanischer Garten' des Adlergebirges bezeichnet wird. Bis heute wurden dort 294 Pflanzenarten beschrieben. Dieser Ort liegt auf einer Meereshöhe von 1000 Metern und ist auf einem Kammweg für Wanderer zugänglich. Außerdem ist er durch die bizarren Formen der Buchen sehr interessant, die sich dort in der höchsten Lage befinden, in der Buchen überhaupt noch wachsen können."

Nur dank ihrem nicht besonders qualitativen Holz blieb den Buchen die Abholzung in den vergangenen Jahrhunderten erspart. Sie erreichen daher das Alter von 200 Jahren und wachsen in der Form des ursprünglichen Urwalds. Einen weiteren reizvollen Winkel bietet das Tal der Wilden Adler. Der Fluss Wilde Adler (Divoká Orlice) entspringt in den Torfgründen Topielska und Czarne Bagno auf der polnischen Seite des Gebirges. Auf einer Länge von fast 30 Kilometern bildet er die Staatsgrenze.

"Sehr wertvoll und touristisch häufig besucht ist das Gebiet, wo die Divoká Orlice, also die Wilde Adler, die tschechisch-polnische Grenze verlässt, sich südwärts biegt und das so genannte 'Landestor' bildet. Dieses Tal ist bekannt durch sein steiniges Flussbett, durch interessante Felsblöcke, eine Höhle, einen Schmugglersteg und durch eine Steinbrücke. Sie ist etwa 100 Jahre alt und soll in diesem Jahr renoviert werden. Das Gebiet des Landestores ist sowohl auf einem Wanderweg als auch einem Lehrpfad zugänglich."

Festung Hanicka  (Hannchen)
Sehr attraktiv für die Besucher ist der Hauptkamm, der sich vom 'Landestor' bis nach Olesnice (Gießhübel) zieht. Man kann dort vieles sehen, u. a. auch ein sehr gut erhaltenes Festungssystem mit der bekanntesten Festung Hanicka (Hannchen). Sie wurde in den 30er Jahren zur Verteidigung der Tschechoslowakei gebaut und ist heute für Touristen zugänglich.

Festung Hanicka  (Hannchen)
"Wenn wir unseren Weg von der Festung Hanicka weiter Richtung Olesnice fortsetzen, passieren wir einen interessanten Eingang ins Adlergebirge, und zwar sowohl für die Sommer- als auch für die Wintertouristik: die 'Masarykbaude' auf dem Serlich. Diese Hütte ist ein meiner Meinung nach glückliches Beispiel der Bergarchitektur und wirklich ein Beitrag für die Berge. Es gibt dort viele Wanderwege und auch den Kammlehrpfad."

Der Serlich (Scherlichgraben) ist zweifelsohne der meistbesuchte Ort auf dem Bergkamm. Ursprünglich lag hier eine Bergkolonie, die durch die Ansiedlung der Holzarbeiter und Köhler wahrscheinlich am Ende des 17. oder am Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden ist. Die Bewohner gewannen mit Holzfällen, Weben und Weiden ihren Lebensunterhalt, aber auch mit Schmuggel, wobei Sacharin, Petroleum und Textilware am häufigsten über die Grenze getragen wurden. Der Grundstein zur 'Masarykbaude' wurde am 14. Juni 1924 gelegt. In den 30er Jahren wurde ein Wanderweg von Hradec Kralove zur 'Masarykbaude' markiert und 1935 wurde dort auch eine meteorologische Beobachtungsstelle errichtet. Im Oktober 1938 musste die Hütte ausgeräumt werden und sie wurde von den Nazis zur 'Hitlerbaude' umbenannt. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs wurden dort Familien faschistischer Offiziere untergebracht, es erholten sich dort verletzte Piloten und auch ein Zentrum der Hitlerjugend befand sich dort. Nach der Befreiung 1945 wurde der Baude ihre ursprüngliche Bezeichnung zurückgegeben, leider jedoch nur bis zum Anfang der 50er Jahre, als sie von den Kommunisten in 'Serlichbaude' umbenannt wurde. Seit 1990 kann sie nun wieder den Namen Masaryk tragen. Nach einer Erfrischung in diesem Berghotel können wir uns mit Jan Mocek wieder auf den Weg machen:

Masarykbaude
Adlergebirge  (Orlické hory)
"Wenn wir weiter gehen, geraten wir bis auf den höchsten Gipfel des Adlergebirges, Velká Destná (Große Deschneier Kappe). Dieser Berg ist 1115 Meter hoch und ein beliebter Treffpunkt für Wanderer, Radfahrer, aber im Winter auch für Skiläufer. Man findet dort einen ständig zugänglichen Aussichtsturm. Dieser reichte bisher bei schönem Wetter für einen Blick in die Landschaft, denn infolge von Emissionen ist der Gipfel zurzeit nicht bewaldet. An diesem Ort wird nun ein interessantes Unternehmen für Touristen vorbereitet, und zwar der Bau eines neuen Aussichtsturmes auf Velká Destná."

Der Bau eines neuen Aussichtsturms ist sicher wünschenswert. Die Große Deschneier Kappe rühmt sich nämlich gleich zweier Superlative: Sie ist der höchste Berg im Adlergebirge und gleichzeitig der Berg mit dem niedrigsten und einfachsten Aussichtsturm. Dieser entstand einst durch die Verbindung von vier gezimmerten Baumstämmen zu einer Pyramide. In einer Höhe von nur fünf Metern wurde ein Aussichtsplateau installiert, das man auf einer Leiter erreichen kann. Gebaut wurde der Aussichtsturm im August 1992 von Pfadfindern. Sie widmeten ihn dem Forstmeister und ehemaligen Mitglied des Bergrettungsdienstes Stefan Matejík als Geschenk zu dessen 60. Geburtstag, und so wird der Turm auch als Stefan-Aussichtsturm bezeichnet. Den Plänen nach soll ihn künftig ein höherer, eiserner Turm ersetzen. Und mit dem Panoramablick vom höchsten Berg des Aldergebirges möchten wir unsere heutige Wanderung beenden. Durch das Landschaftsschutzgebiet Orlické hory hat uns Verwaltungsleiter Jan Mocek begleitet.