Was bedeutet die Ost-Erweiterung der NATO?

Das Kongresszentrum, Foto: CTK

Die Einladung weiterer Mitglieder in die Nordatlantische Allianz galt als einer der wichtigsten Punkte des NATO-Gipfeltreffens in Prag. Inzwischen hat der Generalsekretär der Allianz, George Robertson, die Entscheidung offiziell bekannt gegeben: die NATO will sieben weiteren Staaten des ehemaligen Ostblocks den Beitritt in das Bündnis anbieten: Was wird diese Erweiterung für die Tschechische Republik bedeuten? Das fragte Radio Prag zunächst die Kommentatorin der Tageszeitung Lidove noviny, Petruska Sustrova.

Das Kongresszentrum,  Foto: CTK
"Es bedeutet für uns, dass wir uns sozusagen ein bisschen westwärts bewegen, weil jetzt andere Staaten Neulinge werden. Wir übernehmen also die Rolle eines älteren und erfahreneren Mitgliedes. Dies gilt aber nicht nur scheinbar, sondern es stimmt tatsächlich, denn unsere Armee hat während der zweijährigen Zusammenarbeit mit der NATO bereits etwas gelernt. Und nun gibt es jemanden, an den wir diese Erfahrung weitergeben können. Es bedeutet für uns aber auch erweiterte Sicherheit. Je breiter der Streifen der Sicherheit wird, in den wir eingeschlossen werden, desto weniger sind wir ein Land am Rande und desto mehr gelangen wir ins Zentrum des Sicherheitsraumes."

Eben hinsichtlich der gemeinsamen Sicherheit der NATO-Mitgliedsstaaten hält auch der Journalist Jan Petranek die Erweiterung um sieben neue Staaten aus ganz pragmatischen Gründen für sinnvoll:

"Wir müssen jetzt gegen die terroristischen Gruppierungen kämpfen und die Allianz reformieren, um auch in Zukunft eine sichere zivilisatorische Entwicklung zu gewährleisten. Und das ist in erster Linie Aufgabe der Polizei, nicht des Militärs. Deshalb ist es gut, dass die sieben neuen Staaten dem Bündnis beitreten. Das sind keine militärischen Giganten, aber sie ermöglichen es, auf einem weitaus größeren Territorium gemeinsam gegen terroristische Gruppierungen und Drohungen vorzugehen."

Und auch aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen betrachtet Petranek die Erweiterung der NATO als notwendig:

"Ich denke, die Globalisierung ist in erster Linie eine wirtschaftliche Angelegenheit. Und wenn Europa ruhig werden soll, müssen die sozialen Unterschiede ausgeglichen werden. Und diese sind eben in Osteuropa am größten - nicht nur im Vergleich mit Amerika, sondern auch mit den übrigen europäischen Staaten."

Es wird manchmal darauf hingewiesen, dass die demokratischen Strukturen in einigen postkommunistischen Staaten nicht die Normen der euro-atlantischen Allianz erreichen. Dazu noch einmal die Journalistin Petruska Sustrova:

"Ich glaube, dass unsere Strukturen zur Zeit unseres Beitritts sicher auch nicht so demokratisch und entwickelt waren wie in den westlichen Staaten. Aber meiner Meinung nach ist der Wille das wichtigste. Diese Länder werden sich der NATO und deren Mechanismen sehr stark anpassen."

Ein weiteres großes Thema des NATO-Gipfels ist die künftige Zusammenarbeit der Allianz mit Russland. Der tschechische Präsident Vaclav Havel deutete bereits an, das er sich eine Zusammenarbeit mit Russland im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht vorstellen könne, ohne Kritik an der russischen Tschetschenien-Politik zu äußern. Petranek vertritt hierzu eine andere Meinung:

"Ich sehe das ganz anders. Für mich stellt sich der Tschetschenien-Konflikt nicht so dar, dass sich Russland auf das tschetschenisches Volk gestürzt hat, sondern zur Situation in Tschetschenien ist es durch eine ganze Reihe von Konflikten innerhalb tschetschenischer Gruppierungen gekommen. Ich denke, hier haben die Amerikaner und die übrigen NATO-Mitglieder einen nüchterneren Blick auf die Situation als die tschechische Seite."