Wechselnde Mehrheiten: Achterbahn am Wahlabend

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Der Vorhang zu - und alle Fragen offen: Mit einem Stimmenpatt zwischen den rechten und den linken Parteien endeten am Samstag die Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus. Dass es allerdings so knapp werden würde, war am Anfang der Stimmenauszählung nicht zu vermuten. Thomas Kirschner mit einem Rückblick auf einen emotionsreichen Wahlabend.

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Nach der ersten Prognose, die unmittelbar mit Schließung der Wahllokale veröffentlicht wurde, schien alles klar zu sein. Mit 38 Prozent lagen die oppositionellen Bürgerdemokraten (ODS) dort gleich acht Prozentpunkte vor den regierenden Sozialdemokraten. Eine rechtsgerichtete Regierung schien nicht nur für ODS-Fraktionschef Vlastimil Tlusty zum Greifen nah:

"Die ersten Prognosen, die wir hier sehen, zeugen davon, dass die ODS gemeinsam mit den Christdemokraten deutlich mehr Stimmen erhalten haben als die Sozialdemokraten von Premierminister Paroubek und die Kommunisten. Und das betrachte ich als gutes Ergebnis."

ODS-Fraktionschef Vlastimil Tlusty  (Foto: CTK)
Ein Ergebnis allerdings. das durch die beginnende Stimmenauszählung schnell auf den Kopf gestellt wurde - ganz nach der Vorhersage des Prager Politologen Bohumil Dolezal kurz nach Schließung der Wahllokale gegenüber Radio Prag:

"Die ersten Prognosen sind immer sehr optimistisch, was die Möglichkeit einer Mehrheitsregierung betrifft - aber im Laufe der Auszählungen verwandelt sich dann die Lage in Richtung eines politischen Patts."

Premier Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
Gegen 19 Uhr war dann klar: trotz leichter Führung der ODS und deutlichen Verlusten der Kommunisten gibt es tatsächlich ein Patt zwischen den linken und den rechten Parteien im Abgeordnetenhaus. Zwischenzeitlich hatte es sogar nach einer rot-roten Mehrheit ausgesehen - und genau um die fühlte sich Premier Paroubek durch Verdächtigungen und Korruptionsvorwürfe betrogen, die wenige Tage vor der Wahl aufgetaucht waren. In einer umstrittenen Ansprache warf er den Bürgerdemokraten gesetzwidrigen, manipulativen Wahlkampf vor:

"Ich fühle mich verpflichtet, laut zu sagen, dass die Demokratie in diesem Land einen schweren Schlag erlitten hat, vergleichbar wohl nur mit der kommunistischen Machtergreifung vom Februar 1948 - mit dem einzigen Unterschied, dass nun der blaue Totalitarismus der ODS droht. Wenn die ODS ihren Sieg auf unehrenhafte Weise errungen hat, dann können wir das im Interesse des Staates nicht dulden."

Für seine Worte wurde Paroubek noch am Abend von allen Seiten kritisiert; inzwischen hat er sich von der Wortwahl distanziert. Auch von einer zunächst in Aussicht gestellten Klage auf Ungültigkeit der Wahlen seitens der Sozialdemokraten ist nicht mehr die Rede - welche Geltung das Ergebnis aber haben kann, das ist nach dem Patt bei den Mandaten weiter völlig unklar.